Mein C-64: Er ist wieder da!

18. Nov. 2005 | 3 Kommentare

Ich weiß nicht mehr, wie alt ich war. Ich schätze, ich war elf oder zwölf. Das muss dann also im Jahr 1985 oder 1986 gewesen sein. Vielleicht auch 1987, aber das ist ja auch egal. Auf jeden Fall weiß ich, dass damals ein Gerät wie kaum ein anderes mein Leben veränderte. Mein erster Computer. Oder besser gesagt: Mein erster Heimcomputer. Denn genau so hieß er offiziell, noch bevor man ihm despektierliche Namen wie „Brotkasten“ gab. Für mich und für Millionen andere Kids in den Wohlstandsländern dieser Erde hieß er einfach nur C-64.Heute, rund 18 Jahre nachdem ich meinen ersten Commodore 64 Heimcomputer in den Händen hielt, komme ich mir plötzlich wieder vor, als ob ich gerade 12 Jahre alt bin. Er ist wieder da! Heute kam er. Mein zweiter C-64! Ganz anders zwar als damals, aber doch irgendwie wunderschön.

Der Amerikanerin Jeri Ellisworth sei Dank. Sie gilt als Ikone der C-64-Retrobewegung, einem Zusammenschluss von Computernostalgikern, die den alten 64er-Zeiten hinterher trauern. Zeiten, in denen ein Betriebssystem (C64-Basic mit 38.000 und ein paar kaputten Bytes free) noch über ein ganzes Jahrzehnt hinweg dasselbe war und Programmierer trotz stoisch gleichbleibender Hardware immer wieder neue Wege gefunden haben, ihre Programme stetig zu optimieren.

Jene Jeri Ellisworth ist es, die die Vorraussetzungen dafür geschaffen hat, dass auf meinem Wohnzimmertisch seit heute Mittag ein beinahe vollwertiger C-64 steht. Denn sie hat im Alleingang einen Chip entwickelt, der sämtliche Funktionen der Brotkiste ausführen kann. 8-Bit-Farben, 8-Bit-Sound, 30 Spiele auf einen RAM-Chip gepresst, ein TV-Anschluss – das ganze verpackt in einem Gehäuse eines an den legendären Competition Pro erinnernden Joysticks. Große Teile meiner multimedialen Kindheit stehen nun also vor mir und wiegen nicht einmal 200 Gramm.

Auch wenn ich nicht mehr genau weiß, wann ich meinen ersten C-64 bekommen habe, so weiß ich doch noch ganz genau seinen Preis: 420 D-Mark. Gebraucht. Eigentlich waren es nur 350 Mark, die ich dem Privatverkäufer in Lennestadt-Meggen in die Hand gedrückt habe. Aber dafür gab es auch nur den blanken Rechner. Um überhaupt Daten in den Speicher schaufeln zu können musste noch eine Datasette her. Die kostete 70 Euro (neu) und muss zum Grundanschaffungspreis hinzu gezählt werden. Später kam noch eine Floppy 1541 für 5 1/4-Zoll Disketten hinzu (neu, 320 D-Mark) und noch einmal etwa später ein 9-Nadeldrucker der Marke Citizen 120D (neu, 400 D-Mark). Der konnte sogar „HLQ“, was für „High Letter Quality“ stand und angeblich Schriftausdrucke in Schreibmaschinenqualität ermöglichen sollte.

Alles in allem hat mich mein C-64 somit mehr als 1.100 Mark gekostet. Das war damals für mich kleinen Gymnasiasten eine ungeheure Stange Geld. Ich weiß nicht, wie viele Geburtstage, Namenstage und Weihnachten ich zusammenlegen musste, um mir den C-64 zusammenzusparen. Aber ich habe es dann doch irgendwann geschafft.

Und heute? Heute kostet mein „Commodore 64 DTV Joystick inkl. 30 C64-Spieleklassiker“ bei Amazon unter 30 Euro. Lieferung inklusive. Eine Investition, die ich gerne getätigt habe. Seit Mitte Juli wartete ich auf die Lieferung, die von Amazon ursprünglich für den August angekündigt worden war. Naja, Schwamm drüber. Denn jetzt ist er ja da.

Voller Vorfreude öffne ich die Verpackung. Erinnerungen kommen hoch. Wie sah die Verpackung des C-64 doch gleich früher aus? Da war eine Frau zu sehen, die irgendetwas ähnliches wie eine Tabellenkalkulation mit dem C-64 ausführte. Auf der anderen Seite der Pappschachtel sah man einen smarten Jungen Herrn, der einen Text bearbeitete. „Siehst du, Papa! Der ist nicht nur zum spielen. Mit dem kann man auch richtig arbeiten!“, habe ich damals gesagt. Mein Vater hat nur gelächelt. Er wusste damals schon ziemlich genau, dass ein Computer für seinen Sohn dann doch eher ein Spielzeug sein wird.

Zurück zur Gegenwart: Das Öffnen der Verpackung gestaltet sich schwieriger als erwartet. Wahrscheinlich muss man erst das kleine Latinum in Verpackungskunde haben, um den 30Game-Joystick ordnungsgemäß aus seinem Verließ zu befreien. Klebebänder und Drähte sichern ihn und verhindern, dass man sich sofort nach Erhalt hinsetzen und losspielen kann. Nach fünf Minuten habe ich es dann doch endlich geschafft.

Eine Ãœberraschung erwartet mich: Mein neuer C-64 braucht Batterien. Logisch, irgendwo her muss er ja seinen Saft beziehen. Damals hatte er ein externes Netzteil, das locker drei Kilo wog. „Dieses Netzteil erhöht die Spannung von 220 Volt auf weit über 1000“, hat mir damals ein Freund gesagt und erklärt: „Das muss auch so sein, denn Computer brauchen sehr viel Strom!“ Ich habe es geglaubt, auch das mit den 1000 Volt. Für mich klang es logisch. Schließlich musste es ja einen Grund haben, warum das Netzteil bereits nach drei Minuten Betriebsdauer so heiß wurde, dass man locker Spiegeleier darauf hätte braten können.

An das Netzteil habe ich auch noch eine andere Erinnerung. Es war der weithin sichtbare Indikator, der anzeigte, ob ich meine Eltern aus irgendeinen Grund zornig gemacht hatte. Wenn das Zimmer nicht aufgeräumt war, ich zu wenig für die Schule tat oder sonst irgendetwas verbrochen hatte, das den berechtigten Zorn meiner Eltern nach sich zog, war das Netzteil weg. Einfach verschwunden. Mein Vater hatte es dann weggesperrt. Obwohl er nie auch nur den blassesten Schimmer hatte, wie er den Computer bedienen soll, wusste er doch recht schnell, dass ich ohne Netzteil aufgeschmissen war.

Und Heute? Kein Netzteil mehr! Vier kleinen Mignon Batterien ersetzen die Geißel meiner Jugend. Rubbeldiekatz sind die aus meiner Digital-Kamera gefingert und eingesetzt. Ebenso schnell geht der Anschluss an Fernseher. Jetzt nur noch ein „Klick“ mit dem Schalter und dann…

Der Bildschirm flackert. Ich sehe ein hellblaues Feld, umrahmt von einem dunkelblauen. Achtunddreissigtausend und ein paar Bytes sind frei. Wie von Geisterhand wird eine Befehlskette eingetippt wird.

Load „*“,8,1
Run

Meine Freundin wird das nie verstehen. Sie hatte nie einen C-64. Sie hatte damals Mitte der 80er andere Probleme. Aber für mich ist dieser hellblaue, flackernde Bildschirm wirklich schön. Wunderschön sogar!

30 Spiele sind laut Herstellerangabe fest im Joystick eingebaut. 30 Spiele? Naja, das ist durchaus etwas geschummelt. Denn Etappen-Spiele wie „Summer Games I“ oder das unübertroffene „Winter Games“ werden aufgrund ihrer unterschiedlichen Disziplinen als mehrere Spiele gewertet. Neben den beiden erwähnten Teilen aus der „Games“-Reihe von Epyx ist auch noch „California Games“ mit von der Partie. Nach „World Games“ suche ich leider vergebens, dabei war ich doch immer so gut im Barrel Jump. Und auch im Cliff Diving konnte mich keiner bezwingen.

Ansonsten wird das Angebot durch Spiele wie Pitstop I und II, Uridium, Championchip Wrestling, Jumpman Junior oder Mission: Impossible I und II etc. nett ergänzt. (Eine komplette Auflistung aller Spiele findest du hier.) Was mir fehlt sind All-Time-Klassiker wie „Bomb Jack“, „Barbarian“, „Archon“, „International Karate“ oder „The Great Giana Sisters“. Auch ein Fußballspiel, am besten natürlich „Microprose Soccer“, wäre nett gewesen – aber das Leben ist kein Wunschkonzert. Es wird ohnehin nicht lange dauern, bis bei Ebay neue Speicherchips mit neuen Spielen gehandelt werden. Hoffe ich…

Der Commodore 64 DTV Joystick inkl. 30 C64-Spieleklassiker ist nach heutigem Stand der Technik keine Spielekonsole. Muss er aber auch gar nicht sein. Er wird nach anfänglicher Begeisterung ebenso schnell wieder in einer Ecke landen wie ich ihn heute an den Fernseher angeschlossen habe. Aber jetzt weiß ich wenigstens, dass ich jederzeit – immer wenn mich die Nostalgie überrollt – ins Wohnzimmer gehen und das Teil anschließen kann. Ich brauche keinen komplett nachgebauten C-64 namens „C one„. Das ist mir dann doch eine Nummer zu heftig nostalgisch. Das Leben und auch die Computerwelt haben sich weiterentwickelt und zwar nicht zum schlechtesten.

Schön ist es dennoch, ab und zu zumindest die Möglichkeit zu haben, in Erinnerungen zu schwelgen und diese Erinnerungen gleichzeitig neu ausleben zu können.

Abgelegt unter Leben analog

3 Kommentare zu “Mein C-64: Er ist wieder da!”

  1. Blu-Rayam 24. Juni 2009 um 17:00 1

    Hallo,

    ich habe mir vor einiger Zeit wieder einen echten Brotkasten in Ebay „gekauft“. Dazu habe ich mir eine SD Karten Extension gelötet. Richtig lustig. Irgendein .d64 Spiel runtergeladen, auf die SD-Card gepackt und auf dem echten C=64 mit echtem Feeling gezockt..
    Den DTV habe ich auch, allerdings finde ich diesen nicht so besonders. Schön ist aber, dass man den DTV um Tastatur, Spiele, Joysticks usw… erweitern kann.

  2. heinfried feinbeinam 31. August 2009 um 23:03 2

    hy, interessant ist es auch, einfach einen guten emulator (z.b. den ccs64) zu benutzen. dazu einen „amiga 4-player adapter“ den man am pc-parallelport anstecken kann und damit dann original c-64 competition pro sticks verwenden kann (man braucht nur die software „pp-joy“.) so, nun noch die bildwiederholrate für die monitor-auflösung in der ccs64 laufen soll (640×480 ist gut) auf 100hz stellen, damit nichts ruckelt und dann gehts los. kein unterschied zum echten c-64 wenn der emulator gut konfiguriert wird. man braucht nur noch die software als d64, t64 oder prg files. findet man im netz. tschau

  3. Trainer Baadeam 4. Oktober 2011 um 21:51 3

    70 Euro für eine Datasette waren dann aber auch wirklich happig … wenn man das Ticket für die nötige Zeitreise noch mit einberechnet.

Trackback URI |