Mein erstes Mal
Gestern hatte ich einen denkwürdigen Tag. Da treffe ich vor einer Woche einen Kerl namens Matthias, mit dem ich mich nur auf englisch unterhalten kann, weil ich kein deutsch und er kein türkisch spricht. Nachdem wir in den letzten Tagen ein paar Mal abends zusammen unterwegs waren fragt er mich dann plötzlich, ob ich nicht Lust hätte, am Samstag zusammen mit ihm zu einem Fußballspiel zu fahren. Er erzählt mir etwas von „Schalke“ und „Bundesliga“ und ich denke mir, dass ich mir das einfach mal anschaue, weil ich ja erst seit drei Wochen als Austauschstudentin in Deutschland bin und mir vorgenommen habe, soviel wie möglich von der deutschen Kultur kennenzulernen. Und so saß ich gestern Mittag urplötzlich in einem Fanbus mit 45 sehr lauten und lustig angezogenen Frauen und Männern.
Matthias hatte mir versichert, dass es ungefährlich ist, in Deutschland Fußball zu kucken. In der Türkei wäre ich wohl nicht zu einem Spiel der ersten Liga gegangen, aber in der Tat sind deutsche Fußballfans zwar sehr laut, manchmal ein wenig angetrunken und teilweise benehmen sie sich wie kleine Kinder – aber sie sind harmlos und irgendwie auch drollig. Da stand ich dann also um kurz nach drei Uhr in der Veltins-Arena und erwartete gespannt die Dinge, die da kommen sollten.
Matthias hatte mir erzählt, dass Schalke sehr viele Fans in ganz Deutschland hat. Das erklärt das sehr große Stadion, das ein paar Minuten vor dem Spielbeginn tatsächlich komplett gefüllt war. Der Gegner von Schalke war eine Mannschaft mit roten Trikots. Wenn ich mich richtig erinnere, dann kam sie aus Hannover. Von dieser Stadt habe ich allerdings noch nie etwas gehört.
Das Spiel begann und Schalke hatte direkt ein paar richtig gute Chancen. Ich erkannte die beiden türkischen Nationalspieler Hamit und Halil auf dem Platz und wunderte mich darüber, dass sie in Deutschland jeder mit dem Nachnamen Altintop anredet. Dabei weiß man doch, dass Fußballer nur Vornamen haben. Manchmal sind die Deutschen wirklich merkwürdig. Nach 18 Minuten fällt dann endlich das 1:0 für Schalke. Ein Spieler mit dem Namen Bajramovic hat es erzielt indem er seinen Gegenspieler im Strafraum zunächst schön ausspielte und dann den Ball aus kurzer Distanz am Torwart vorbei in kurze Ecke schoss. Der Torjubel war wirklich fantastisch und ich habe mich schon ziemlich über diese vielen Menschen amüsiert, die plötzlich um mich herum hüpften und lachten. Nur kurz nach dem 1:0 fiel dann auch schon das nächste Tor für Schalke. Diesmal war es ein Spieler namens Kobiashvili, der einen Pass von Lincoln wunderschön aufnahm und aus kurzer Distanz in der 27. Minute zum 2:0 verwandelte. Und natürlich hüpften und lachten da die lustig angezogenen Menschen erneut.
Leider war das Spiel bis auf die beiden Tore wirklich nicht schön. Ständig wurde die Partie unterbrochen, kaum einmal war der Ball länger als zehn Sekunden im Spiel. Matthias hat sich deshalb auch mehrmals bei mir entschuldigt und mir versichert, dass man in der Bundesliga normalerweise besseren Fußball sieht. Ich weiß nicht, ob ich ihm das glauben kann, denn auch in der zweiten Halbzeit war es wirklich ein schlechtes Spiel. Eigentlich gab es nur einen Höhepunkt – das 2:1 für Hannover durch Rosenthal in der 52. Minute. Das war ein echt schöner Schuss aus 18 Metern nach einer tollen Ballannahme mit der Brust.
Tja, und danach war es das dann aber auch mit dem schönen Fußball. 40 Minuten lang quälten sich beide Mannschaften über den Platz und verärgerten die Zuschauer. Als dann das Spiel endlich abgepfiffen wurde hüpften und lachten die Menschen um mich herum noch einmal und freuten sich, dass Schalke durch den Sieg auf den zweiten Tabellenplatz klettern konnte. Gleichzeitig waren sich aber alle einig, dass Schalke noch ganz weit von dem entfernt ist, was Matthias als „Fußball“ bezeichnet.
Es war dennoch ein lustiger Tag gestern in Gelsenkirchen. Wenn ich wieder zurück in der Türkei bin, werden viele meiner Freunde sicherlich neidisch sein, dass ich in der Zeit meines Deutschlandaufenthalts ein Spiel der Bundesliga gesehen habe. Dass es kein wirklich schönes Spiel war, werde ich dann aber keinem erzählen. Stattdessen werde ich von dem tollen Stadion, dem 2:1-Sieg, dem zweiten Tabellenplatz und die sehr vielen sehr lauten, lustig angezogenen und manchmal etwas kindischen Frauen und Männern berichten.
Viele Grüße,
Eure Billur
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