Schande, dein Name ist Schalke!
Den heutigen Tag verbrachte ich auf Schalke. Der Grund: Heute startete die „Mitgliederaktion“, bei der Vereinsmitglieder jeweils bis zu sechs Eintrittskarten für die Spiele der kommenden Saison erwerben können. An sich keine schlechte Sache, hat man so doch die Möglichkeit, als Nicht-Dauerkarteninhaber garantiert ein paar Spiele zu sehen. Und auch für mich als glücklicher Inhaber eines Saisontickets ist es von Vorteil, die Option meiner immerhin 50 Euro teuren Jahresmitgliedschaft zu nutzen, habe ich so doch die Gelegenheit, auch Freunde mit einem Stadionbesuch zu beglücken. In den früheren Jahren habe ich immer die ersten Tage der Mitgliederaktion abgewartet und mich dann via Internet aus dem kümmerlichen Rest des Angebotes bedient. In diesem Jahr begleitete ich erstmals meinen Freund Thomas nach Gelsenkirchen. Ausgestattet mit insgesamt 16 Mitgliedsausweisen aus unserem Freundeskreis und ebensovielen Vollmachten zum Erwerb von Karten machten wir uns exakt um 6 Uhr morgens von Münster aus auf den Weg. Es folgte ein Tag, der mich alles andere als Stolz auf meinen FC Schalke gemacht hat. Um die Wahrheit zu sagen bin ich stinksauer auf den Verein und seine Tochtergesellschaft „Ticket & Secure“. Denn das was sich heute auf dem Berger Feld abspielte war eine bodenlose Frechheit und ein Schlag ins Gesicht eines jeden Mitglieds.
Kurz vor 7 Uhr kamen wir ins Gelsenkirchen an. Uns war bewusst, dass wir sicherlich nicht die ersten waren. Doch angesichts der Tatsache, dass die Tore des Ticketcenters erst um 9 Uhr öffnen sollten, waren wir zuversichtlich, einen guten Platz in der Schlange zu ergattern.
Tja, falsch gedacht. Als Thomas und ich ankamen hatte sich bereits eine Schlange von grob geschätzt 500 Personen gebildet (siehe das Foto über diesem Bericht). Einige hatten sogar die Nacht auf dem Warteweg verbracht und krochen just in dem Moment verschlafen aus ihren Zelten, als wir uns am Ende der Schlange einreihten. Dafür kann der FC Schalke 04 freilich überhaupt nichts. Im Gegenteil zeigt es doch nur, wie beliebt die Knappen bei ihren Fans sind.
Gerüchte machten die Runde. „Jetzt wo schon so viele da sind, könnte es doch sein, dass die bereits etwas früher öffnen?“ Eine Hoffnung die sich schnell zerstreute. Stattdessen wartete man geduldig bis 9 Uhr. Um zwei Minuten nach 9 öffnete sich das eiserne Gatter vor dem Ticketcenter ein erstes Mal.
Die Schlange war mittlerweile auf gut die dreifache Länge angewachsen. Wohlgemerkt: Alles Leute, die nicht in der Illusion erschienen waren, in der Mittagspause ein paar Karten abgreifen zu können, sondern Mitglieder, die bereits vor der Öffnungszeit ihren Platz eingenommen hatten. Um kurz nach neun bewegte sich der Lindwurm ein erstes Mal. Kleine Euphorie brach aus. Doch schnell wurde jedem klar, dass der Raumgewinn von etwa fünf Metern nicht der Abfertigung durch das Ticketcenter geschuldet war, sondern lediglich durch engeres Zusammenrücken der Wartenden entstand. Im teilweise strömenden Regen wiederholte sich dieser Kompressionsprozess einige Male, bis gegen 10 Uhr ein Status erreicht war, an dem nichts mehr ging. Das Ziel etwa 40 Meter vor Augen konnte man beobachten, wie sich die Tore des Ticketcenters etwa alle zehn Minuten einmal kurz öffneten und vier bis sechs Wartende hineingebeten wurde. In diesem Tempo ging es bis zur Mittagszeit weiter.
Gelsenkirchen, 4. Juli 2007, kurz nach 9 Uhr. Das Bild zeigt meinen Blick nach hinten. Die Warteschlange war in den zwei Stunden von 7 bis 9 Uhr auf ungefähr die dreifache Länge angewachsen.
Wer sich die Mühe machte, das Geschehen durch kurzes Ausscheren aus der Schlange aus der Nähe zu betrachten, sah durch die Fenster des Ticketcenters exakt vier (!) belegte Bearbeitungsplätze. Noch ärgerlicher aber war, dass die Ordnungskräfte des Wachdienstes Bremen immer erst dann neue Leute in das Ticketcenter ließen, wenn alle (!) zuvor Hereingebetenen „abgearbeitet“ waren. Will heißen: Ein Fanclub-Vertreter, der ausgestattet mit Vollmachten und Mitgliedsausweisen auch gerne mal eine Viertelstunde für die Abgabe seiner Bestellung benötigte, blockierte im Alleingang das ganze Center, wohingegen die „Kleinbesteller“ schon längst den Raum wieder verlassen hatten. Diese Praxis zog der Wachdienst Bremen bis etwa 13 Uhr eisern durch. Erst danach begann man, den Einlass nach Bedarf, also nach freien Beraterplätzen, zu organisieren.
Gegen 14 Uhr, immerhin warteten Thomas und ich nun schon seit sieben Stunden, kam das eiserne Gatter langsam in Sicht- und Greifweite. Bis auf vielleicht zehn Meter hatten wir uns an das Ziel unserer Reise herangetastet. Wieder machte sich eine kleine Euphorie breit, die wieder schnell zerstört wurde. Denn für die letzten zehn Meter Schlange sollten wir mehr als zweieinhalb Stunden brauchen.
Bis etwa gegen 14 Uhr hatte sich die Schlange selbst ganz gut organisiert. Mitarbeiter des Wachdienstes Bremen tauchten nur am Einlassgitter und am Ende der Schlange auf, die gegen 13 Uhr für beendet erklärt wurde. Bedeutet: Wer nach 13 Uhr kam, durfte sich nicht mehr anstellen. Eine weise Entscheidung, war doch zu diesem Zeitpunkt längst klar, dass weit über zwei Drittel der noch Wartenden niemals im Leben das Ticketcenter zum offiziellen Verkausfende um 18 Uhr erreichen konnte.
Doch gegen 14 Uhr änderte der Wachdienst Bremen seine Taktik und verstärkte die Personaldecke. Plötzlich war es nicht mehr möglich, für ein paar Schritte die Schlange zu verlassen um zur Toilette zu gehen oder sich einfach nur mal kurz die Beine zu vertreten. Wer aus der Schlange ausscherte wurde stattdessen beim Wiedereintritt beschuldigt sich vordrängeln zu wollen. Wohlgemerkt durch den Wachdienst und nicht durch die anderen Wartenden, denn die kannten ja die Menschen, die nun bereits die achte Stunde mit ihnen verbrachten und wussten, wer ein Drängler ist und wer lediglich dem menschlichen Grundbedürfnis nach Blasenentleerung und ein wenig Bewegung in der Kälte nachkommen wollte. Das war der Moment, in dem die Stimmung langsam zu kippen drohte.
Fast geschafft? Von wegen! Obwohl eigentlich nur noch wenige Wartende vor mir abzufertigen sind, dauerte es von hier ab noch exakt vier Stunden und 45 Minuten, bis ich an der Reihe war.
Mittlerweile hatten zwei Nachrichten die Runde gemacht. Die erste lautete, dass es entgegen der Ankündigung offensichtlich doch nicht möglich sein sollte, Tickets für die Champions-League zu erwerben, weil der Verein nicht über die zu bedruckenden Kartenrohlinge verfüge. Die zweite zielte in Richtung Internet-Bestellung und wurde, ebenso wie die erste, durch Mitarbeiter des Wachdienstes nur inoffiziell bestätigt: Der Online-Shop hat gegen 10 Uhr komplett dichtgemacht. Zehntausende Mitglieder, die über das Internet bestellen wollten, versuchten es somit umsonst.
Mittlerweile war es 16 Uhr geworden. Thomas und ich hatten nach neunstündiger Wartezeit tatsächlich das Einlassgitter erreicht. Als wir endlich zu den vier Verkaufsplätzen durchgelassen wurden, ging alles reibungslos, freundlich und schnell. Die Bearbeiter nahmen die Bestellungen an, kontrollierten Mitgliedsausweise und Vollmachten, druckten die Tickets aus und kassierten gleich in bar ab. Als wir gegen 16.30 Uhr das Ticketcenter verließen hatten wir tatsächlich alle Wunschkarten gesichert.
Zu diesem Zeitpunkt war die Schlange noch etwa 80 Meter lang. Pro Stunde bewegte sich die Schlange um ca. fünf, vielleicht auch zehn Meter. Der Rest ist ein einfaches Rechenspiel. Ob das Ticketcenter tatsächlich um 18 Uhr geschlossen wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Sollte es so gewesen sein, hätte ich vollstes Verständnis für Unmutsbekundungen. Um es ganz deutlich zu sagen: Thomas und ich reihten uns gegen 7 Uhr ein und kamen um 16.20 Uhr an die Reihe. Wer sich um 7.30 Uhr – immerhin eineinhalb Stunden vor Öffnung der Tore – anstellte hatte keinerlei Chance, bis 18 Uhr bedient zu werden.
Was mich neben der Warterei am meisten störte war eindeutig die unprofessionelle Gleichgültigkeit, mit der der Verein seinen treuesten Mitgliedern am heutigen Tag begegnete. Das mache ich vor allem an folgenden Punkten fest:
1. Während meiner gesamten Wartezeit von neuneinhalb Stunden habe ich keinen einzigen Sanitäter gesehen. Und das, obwohl unter den Wartenden etliche sehr junge und auch sehr alte Semester vertreten waren, denen das Stehen in der nassen Kälte sichtlich nicht leicht fiel.
2. Während der gesamten Wartezeit gab es keine Möglichkeit, sich in der Schlange mit Nahrung und Getränken zu versorgen. Wer etwas erwerben wollte musste stattdessen ausscheren, sich in etwa 500 Metern Entfernung auf dem Trainingsgelände versorgen und hoffen, dass die Mitwartenden den Platz freigehalten hatten. Nach 15 Uhr war dies durch die Intervention des Wachdienstes Bremen nicht mehr möglich. Einen mobilen Wasser- oder Kaffeeverkäufer suchte man indes vergebens.
3. Während der gesamten Wartezeit gab es keinerlei offizielle Information. Stattdessen träufelten Neuigkeiten gerüchteweise herein. Eine klare Megaphon-Ansage zu den Öffnungszeiten, dem Stand der Ticketverfügbarkeit und der voraussichtlichen weiteren Wartezeit wäre wünschenswert gewesen, blieb aber aus.
4. Während der gesamten Wartezeit blieben die Mitglieder komplett sich selbst überlassen. Obwohl die Mannschaft Vormittags nur wenige hundert Meter entfernt trainierte und sich die wartende Masse sicherlich sehr über ein kurzes Treffen mit ihren Spielern gefreut hätte, ließ sich kein einziger Offizieller blicken. Mit Abwesenheit glänzten auch Manager Andreas Müller, Neu-Präsident Josef Schnusenberg und Geschäftsführer Peter Peters. Das ist angesichts der katastrophalen Zustände, die sich heute den Wartenden präsentierte, ein ganz schlechter Stil.
5. Bis jetzt – 20.00 Uhr – warte ich auf eine offzielle Stellungnahme des Vereins auf www.schalke04.de. Normalwerweise muss im Reha-Zentrum nur eine neue Hantelbank aufgebaut werden, schon berichtet der Verein mit mehreren hundert Textzeilen brandaktuell. Normalerweise muss irgendjemand auf Schalke einen Pups quersitzen haben, schon erhält man die Möglichkeit, sich ein kostenpflichtiges Interview via Schalke04-TV auf Maxdome anzusehen. Und jetzt? Nichts, rein gar nichts! Der Verein scheint das heutige Phänomen komplett totschweigen zu wollen. So etwas ist ganz, ganz schlechtes Krisenmanagement.
Ich bedanke mich bei den bemitleidenswerten, personell katastrophal unterbesetzten und somit vom Verein verraten und verkauften Beratern im Ticketcenter, dass sie trotz allem sehr freundlich, aufmerksam und zuvorkommend geblieben sind. Ich respektiere die Arbeit des Wachdienstes Bremen, der allem Anschein nach ohne jegliche offizielle Anweisung nach bestem Wissen und Gewissen versuchte, die Lage im Griff zu behalten. Ich bewundere die Fans, die trotz Kälte, teilweise strömenden Regens und trotz aller beschrieben Zustände eine geradezu stoische Ruhe bewahrten und die Situation nie auch nur ansatzweise eskalieren ließen.
Aber ich habe keinerlei Verständnis für die Planlosigkeit der gesamten Organisation. Die Verantwortlichen des FC Schalke 04 sollten sich dafür schämen. Schande, heute war dein Name Schalke!
Weitere Erlebnisberichte zum heutigen Tag findest du im offiziellen Internetforum des FC Schalke 04 sowie im Schalke-Forum auf Westline.
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