Voll auf den Leim gegangen
Eine meiner absoluten All-Time-Lieblingssendungen im TV war das Meisterwerk „Vorsicht Falle – Nepper, Schlepper, Bauernfänger“ mit Eduard Zimmermann. Kopfschüttelnd konnte man da sehen, wie irgendwelche Schlitzohre mit der 100. Auflage des „Glas-Wasser-“ oder „Ich bin dein verschollener Großneffe-Tricks“ ahnungslosen Rentnerinnen das hart Ersparte abknöpften. Immer natürlich von der Gewissheit beseelt, dass einem selbst so etwas ja nie passieren könne. Denkste! Seit vorgestern bin ich offizielles Opfer eines Trickbetrügers. Und das kam so.
Am Mittwoch Mittag öffnete sich die Tür meines ebenerdig gelegenen Büros in der münsterschen Innenstadt. Kein ungewöhnlicher Vorgang, kommen ab und an ja auch mal Kunden bei mir vorbei. Oder auch Passanten, die dann beispielsweise unverfänglich wissen wollen, wo denn hier der TÃœV sei und eigentlich die Zweigstelle des TÃœV’s für psychologische Gutachten („Idiotentest“) meinen. Der Besucher dieses Mal wollte etwas anderes.
„Entschuldigung, dass ich jetzt hier so reinplatze. Aber ich muss jetzt mal ganz dreist fragen, ob sie einem wildfremden Menschen für eine Stunde acht Euro leihen können.“
Noch bevor ich oder meine Kollegin antworten konnten, fuhr er auch schon fort:
„Das ist nämlich so. Ich komme von der Firma (Name leider entfallen). Wir bauen da vorne auf der anderen Straßenseite ja gerade neue Fenster ein. Nun ist mir aber die Hydraulik heiß gelaufen und der Chef ist gerade mit dem Firmenwagen weg.“
Meine Kollegin und ich – immer noch etwas wortlos ob dieses Schwalls an Informationen – richten einen fragenden Blick an den Unbekannten, der munter weiter erzählt.
„Und in dem Wagen ist auch meine Jacke und meine Brieftasche. Ich brauche jetzt aber ganz dringend neues Öl für die Hydraulik, sonst platzt die mir gleich. Deshalb habe ich mir jetzt gedacht, dass ich einfach mal beim Nachbarn frage. Wir sind ja auch gleich auf der gegenüberliegenden Seite der Straße.“
OK, OK – man hätte fragen können, wo genau er Fenster einbaut. Die Straße ist ziemlich lang und exakt die Hälfte davon liegt auf der gegenüberliegenden Seite. Oder man hätte fragen können, was eine Hydraulik beim Fensterbau zu suchen hat. Oder wo in Teufels Namen er überhaupt sein Öl kaufen will. Und ob er der einzige Kollege auf der Baustelle ist. Oder auch, warum er seine Hydraulik nicht einfach abstellt und wartet, bis der Chef wieder mit dem Firmenwagen vorfährt.
Hätte! Macht man aber in einer derartigen Situation nicht. Als anständiger Mensch, netter Geschäftsmann und guter Bürger tut man diesem offensichtlich in eine Notlage geratenen Menschen einfach den Gefallen, zückt die Brieftasche und verleiht mit bestem Gewissen die erbetenen acht Euro, an denen ja anscheinend die Fortexistenz einer Hydraulik, eines Angestelltenlebens und ungezählter Fenster zu hängen scheint.
„Danke, Danke, das ist echt so nett. Ich bring’s auch sofort wieder vorbei. Ihr seid doch heute noch etwas länger im Büro, oder? Wie, bis 17 Uhr mindestens? Na dann sehen wir uns ja gleich. Danke nochmal.“
Sagte er und verschwand. Meine erste Reaktion nach diesem Überfall war, meiner Kollegin zu sagen, dass falls es sich bei dem Knaben nun um einen Trickbetrüger gehandelt haben sollte, er sich seine acht Euro durch die überzeugende Darstellung echt verdient habe. Sie lachte und nickte darauf.
Wiedergekommen ist er nicht. Er hat sich die Kohle redlich verdient.
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