Bonjour Tristesse

24. Feb. 2008 | Keine Kommentare

Wäre ich Vicente Sanchez und hätte Schalke mich in der Winterpause aus Mexiko, wo ich viele tolle Jahre erlebt hatte, ins kalte Deutschland geholt, weil ich ein „absoluter Wunschspieler“ sei, den man „lange und intensiv beobachtet“ habe, dann käme ich mir spätestens jetzt, nach sechs Spielen im Jahr 2008, richtig verarscht vor. Wäre ich Zé Roberto und hätte man mich zu Weihnachten aus Brasilien auf Schalke geholt, weil auch ich ein „lange intensiv beobachteter absoluter Wunschspieler“ sei, dann fühlte ich mich jetzt ebenso verarscht. Ich bin weder Vicente Sanchez noch Zé Roberto. Ich bin Schalkefan mit Haut und Haaren und habe mich in der Winterpause riesig gefreut, dass Schalke anscheinend zwei „absolute Wunschspieler“ verpflichten konnte, die meinen Verein weiterbringen werden. Aber ich habe etwas mit den beiden Vorgenannten gemeinsam: Spätestens seit gestern komme ich mir richtig verarscht vor. Das hat weniger etwas mit der wirklich unglücklichen Niederlage in Leverkusen zu tun, in der das glücklichere von zwei Teams durch eine abgerutschte Flanke den Siegtreffer in der Schlussphase markieren konnte. Viel mehr stellte sich dieses Gefühl bereits um 15.30 Uhr ein und steigerte sich gegen 16.30 Uhr sogar ins Unermessliche.

Dass weder Sanchez noch Zé Roberto oder der ebenfalls „lange intensiv beobachtete Wunschspieler“ Albert Streit einen Platz in der Anfangsformation fanden, kann man eventuell noch durch „Trainingsrückstand“ oder „mangelnde Integration im Mannschaftsgebilde“ rechtfertigen. Aber in der Halbzeit dann den gestern bei seinen Gegenspielern weitestgehend abgemeldeten Gerald Asamoah gegen Peter Lövenkrands auszutauschen – immerhin ein Spieler, der seit nunmehr eine Jahr in schöner Regelmäßigkeit Chancen und Spielminuten erhält, dabei aber durchweg enttäuscht – ist schlichtweg unverständlich.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich ein Spiel entwickelt, in dem beide Mannschaften in der Abwehr wenig anbrennen ließen, nach vorne aber ebenso wenig ging. Asamoah abgemeldet, Kuranyi indisponiert, Raktitic mit ein wenig Licht aber ganz viel Schatten – kreativ lief wenig bis gar nichts. Im Mittelfeld rackerten Fabian Ernst und Jermaine Jones vorbildlich, doch auch ihnen gelang kaum eine gute Offensivaktion.

Irgendetwas musste sich ändern – das erkannte auch Trainer Mirko Slomka. Und wie durch ein Wunder kramte er diesmal allen Mut zusammen und wechselte bereits in der Halbzeitpause, nicht wie sonst üblich in der 60. Minute. Leider vergriff er sich in der Wechselkiste und brachte bereits erwähnten Lövenkrands, der fortan überhaupt kein Bein auf den Boden brachte und erneut total versagte.

Noch einmal versuchte Mirko Slomka durch einen Wechsel Einfluss auf das Spielgeschehen zu nehmen. In der 60. Minute (wen wunderts’s) erlöste er Rakitic, dem ein schlechter Tag sicherlich gegönnt ist, und brachte Albert Streit. Pech für Slomka, dass auch Streit nichts gelang und er sich binnen Sekunden ins Schalker Larifari-Gekicke einreihte.

Dann die 85. Minute. Leverkusen hatte sich ein wenig mehr Spielanteile erarbeitet, dennoch deutete nichts darauf hin, dass diese überaus mittelmäßige Partie noch einen Sieger erleben würde. Manuel Friedrich schlägt eine verzweifelte hohe Flanke in den Schalker Strafraum. Der Ball wird lang und länger und senkt sich über Manuel Neuer hinweg in den Winkel. Wirklich ganz dumm gelaufen aber irgendwie auch die logische Konsequenz eines Spiels, an dem Schalke nicht teilnahm.

Dann wurde es noch einmal hektisch. Slomka zieht seinen Dritten Joker und wechselt in blindem Aktionismus aus. Kobiashvili, der eine halbe Stunde zuvor das sichere Schalker 1:0 auf dem Schlappen hatte, das Tor aus zehn Metern jedoch knapp verfehlte, muss runter – herein kommt Halil Altintop. Ein guter Wechsel. Das meine ich ganz ehrlich. Denn so wurden zumindest die „Wunschspieler“ Zé Roberto und Sanchez vor der Teilnahme an einer Niederlage geschützt.

Mirko Slomka wird aller Voraussicht nach am kommenden Samstag wieder auf der Bank sitzen. Und er wird wieder in der 60. Minute auswechseln. Und es wird wieder Lövenkrands sein, der eine weitere Chance erhält, um sie leichtfertig zu vergeben. Und natürlich wird auch Halil Altintop wieder spielen. Vielleicht dürfen auch Sanchez, Streit oder Zé Roberto mal kurz mitmachten – in den letzten drei Minuten, oder so. Auf keinen Fall mitmachen wird Jermaine Jones, der sich in der Nachspielzeit eine überflüssige Gelb-Rote-Karte abholte. Als Jones gegen Wolfsburg ausfiel, schöpfte der Herr über das breiteste Mittelfeld der Bundesliga aus dem vollen und beorderte Lövenkrands ins Mittelfeld. Mal schauen, wie uns Slomka diesmal überrascht. Oder auch verarscht, denn dieser Ausdruck trifft es deutlich besser.

Mehr zum Spiel schreibt die „Financial Times Deutschland„. Mirko Slomkas taktische Meisterleistung gegen Leverkusen kann man sich auf „Maxdome“ noch einmal in Ausschnitten oder in voller Länge anschauen.

www.maxdome.de

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