„Support your local team“ vs. „Schalke Amatöre“
Einmal im Jahr schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Dann trifft der örtliche SC Preußen Münster auf die zweite Mannschaft des FC Schalke 04. „Support your local Team“ vs. „Hi-Ha-Höre, Schalke Amatöre!“. Heute war es wieder so weit. Um 15 Uhr trafen die beiden Spitzenteams der Oberliga Westfalen im „Stadion an der Hammer Straße“ aufeinander. Schalke II verlor dabei nach einem selbst für Viertliga-Verhältnisse erbärmlichen Spiel durch ein spätes Tor von Preußens Marius Sowislo mit 1:0. Ein Sieg, der durchaus in Ordnung ging, weil Schalke II sich in Münster nicht gerade wie eine Spitzenmannschaft präsentierte. Zwar bot auch das selbst ernannte „Bayern München der Oberliga“ vor der Rekordkulisse von 6311 Zuschauern nur fußballerische Magerkost, doch Preußen wirkte entschlossener und verdiente sich den Sieg durch eine konsequente Abwehrleistung.
Einlauf vor Rekordkulisse: Mehr als 6300 Zuschauer wollten das Spitzenspiel der Oberliga Westfalen sehen.
Das von Mike „Bujo“ Büskens trainierte Schalke II hingegen stand zwar auch gut in der Defensive, wollte letztendlich aber nicht mehr als ein torloses Remis. So etwas mag nicht – und deshalb freue ich mich über die „gerechte Strafe“, zumal sie Schalkes Amateuren nun wirklich nicht weh tut. Mit 48 Punkten steht man nach wie vor auf Platz 1 der Tabelle. Der SC Preußen rückt mit 47 Zählern auf den zweiten Platz vor und hat jetzt schon 12 Punkte Abstand auf den Tabellenfünften Westfalia Herne. Dieser Blick auf Platz 5 ist deshalb von Interesse, weil nur die ersten vier der Oberliga Westfalen sich für die neue, dreigestaffelte Regionalliga qualifizieren werden. Noch elf Spieltage also, dann werden beide Teams mit höchster Wahrscheinlichkeit in jene neue Regionalliga aufsteigen, die dann mit der Einführung der „Dritten Bundesliga“ allerdings weiterhin nur die vierthöchste Spielklasse sein wird.
Bei der Platzwahl war die Stimung noch locker und gelassen. Später kam leider viel Gift in die schwache Partie.
Zum Spiel kann man eigentlich wenig schreiben. Zum Drumherum trotz der Rekordkulisse auch nicht. Bei Nieselregen und einem fiesen Wind entwickelten sich auf beiden Seiten keinerlei Torszenen. Schalke II, das gut 150 Fans (unter ihnen Porto-Schreck Manuel Neuer und Ex-Manager Rudi Assauer) mitgebracht hatte – ging extrem beherzt zur Sache. Man könnte es auch hart nennen.
Ein Blick in den kleinen Schalker Fanblock.
Dass Preußens Trainer Roger Schmidt (der Ottmar Hitzfeld der Oberliga?) nach dem Spiel extrem stinkig war und das Schalker „Geholze“ kritisierte, liegt aber doch wohl mehr daran, dass Preußen bereits in der ersten Halbzeit zweimal verletzungsbedingt auswechseln und zu allem Ãœberfluss auch noch einen einwechselbereiten Spieler verletzt wieder abziehen musste, weil sich bei ihm während des Aufwärmens muskuläre Probleme eingestellt hatten. Drei Ausfälle innerhalb von nur 30 Minuten – das ist wirklich bitter! Und deshalb sei Schmidt seine Polemik nach dem Spiel auch gestattet.
Unglücklicher Zusammenprall nach 30 Minuten: Ivica Ivicevic und Marc Lorenz verletzten sich am Kopf. Nur der Schalker Lorenz kann weiterspielen.
Der Reihe nach: Nach knapp 20 Minuten landet Preußens Simon Talarek (der übrigens vor zwei Jahren noch auf Schalke in Lohn und Brot stand, dabei sogar Profikaderluft schnuppern durfte, sich letztendlich aber nicht durchsetzte und nach Münster ging) nach einem Kopfball ohne Fremdeinwirkung unglücklich auf dem bereits dreimal operierten linken Bein und musste unter Schmerzen das Feld verlassen. Zehn Minuten später rasseln der Münsteraner Ivica Ivicevic und Schalkes Marc Lorenz bei einem Tackling mit den Köpfen zusammen. Beide erleiden Platzwunden – Ivicevic muss das Feld verlassen, Lorenz kann mit einem „Turban“ weiterspielen. Zwischen diesen beiden Auswechslungen erwischte es Preußens Abwehrspieler Kurtulus Öztürk. Nach dem Aus von Talarek will er sich für seinen Einsatz warm machen, bricht dann aber an der Außenlinie zusammen und muss behandelt werden. Diagnose: Muskuläre Probleme in der Wade, hervorgerufen durch eine erst kürzlich überstandene Grippe. Das war sie also im Prinzip – die von Roger Schmidt monierte „üble Klopperei“. Als neutraler Zuschauer, als den ich mich heute aufgrund meiner „Zwei Herzen in einer Brust“-Problematik durchaus sah, kann man da auch anderer Meinung sein.
Rekordkulisse und dann ein Riesenloch im Preußen-Fanblock? Es handelte sich um eine Protestaktion der Preußen-Ultras „Curva Monasteria“. Ich kenne mich in der münsterschen Fanszene nicht aus und kann es nicht kommentieren, verweise stattdessen auf diesen Bericht der „Westfälischen Nachrichten“.
Nachdem spielerisch in der ersten Halbzeit gar nichts lief, wurde es in der zweiten nur um Nuancen besser. Die erste nennenswerte Torchance überhaupt hatte Schalkes Marc Lorenz in der 46. Minute, als er einen Konter mit einem Schuss an das Außennetz abschloss. Danach wurde Preußen etwas mutiger, erspielte sich aber keine echte Chance. Die erste Einschussmöglichkeit für die Hausherren ergab sich nach 71 Minuten, als Massih Wassey einen Freistoß aus 25 Metern auf das Tor brachte, den Toni Tapalovic fein über die Querlatte lenkte.
Schalke-II-Keeper Toni Tapalovic machte eigentlich ein recht gutes Spiel. Doch dann …
Vier Minuten später relativierte Tapalovic diese Glanztat allerdings gleich wieder. Bei einem an sich nicht sonderlich gefährlichen Konterversuch der Preußen stürmt er absolut überflüssig aus seinem Kasten heraus und rennt fast 30 Meter vor dem Tor, beinahe auf der Außenlinie, Münsters Michael Erzen um. Dafür gab es die Rote Karte – und es gab sie vor allem wegen Dummheit. Tapalovic wurde durch Nurullah Can ersetzt, für den der bis dahin sichere Marc Lorenz als Feldspieler vom Platz ging.
Das ist der VIP-Bereich im Preußenstadion. Im „Festzelt“ wohnten auch Manuel Neuer und Rudi Assauer der Partie bei.
Das war dann aber auch die letzte Szene, die ich von diesem Spiel sah. Ich verließ das Stadion zehn Minuten vor dem Abpfiff, weil das Match wirklich übel war und ich meine Freundin Sarah zum Bahnhof bringen musste. Kaum hatten wir die Kampfbahn verlassen, hörten wir den Jubel aus 6200 Kehlen. Durch einen Kopfball nach einem Freistoß hatte Preußen doch noch das 1:0 erzielt. Vorlage Massih Wassey, Kopfballtor Sowilso. Wie gesagt: Für die Preußen freut’s mich – die Schalker werden es verkraften.
Preußen gegen Schalke II – das war viel verbissener Kampf und wenig Spiel.
Nun noch ein Wort zum Drumherum: Bis auf Toni Tapalovic und dem mittlerweile 39-jährigen „Leitwolf“ Willi Landgraf spielten auf Schalker Seite ausschließlich Nachwuchskräfte. Tapalovic ist – zumindest nominell – zweimaliger Pokalsieger mit dem FC Schalke 04 (2001 und 2002), sowie einmal Vizemeister (2001). Zudem ist er Vize-Ligapokalsieger des Jahres 2001. Das hört sich durchaus beeindruckend an, relativiert sich aber, wenn man die Anzahl seiner Spiele dagegensetzt: 0! Kein Spiel in der Bundesliga, keines im DFB-Pokal, keines im Ligapokal. Seine „größten“ Spiele absolvierte der 28-jährige Kroate, als er zwischen 2002 und 2006 erst in Bochum, dann in Uerdingen und schließlich noch ein Jahr in Offenbach „spielte“. Es waren ganze 26 Regionalliga-Partien in zwei Jahren für Uerdingen – in Bochum (Bundesliga) und Offenbach (2. Bundesliga) blieb er ebenfalls ohne Einsatz.
Schalkes Willi Landgraf (rechts) musste sich einige sehr üble Beleidigungen von den Rängen gefallen lassen.
Willi Landgraf ist da sicherlich ein anderes Kaliber. 508 Spiele in der zweiten Bundesliga für Essen, Homburg, Gütersloh und Aachen, etliche DFB-Pokalschlachten. Ende August wird er 40 und nimmt es immer noch mit jedem 25-jährigen Oberligaspieler locker auf. Der Rest von Schalke II sind unbeschriebene Blätter, zumeist erst knapp über 20 Jahre alt. Das ist sie also, die Schalker „Startruppe“. Warum ich das erwähne? Weil ich das Gejammer darüber heute beinahe schon peinlich fand. Bei jedem Ballbesitz wurde Willi Landgraf übelst beschimpft („Du alter Sack“ war da noch das Netteste), bei jedem Abschlag von Toni Tapalovic wurde über seine jahrelange Profikarriere sinniert. Schenkt man den „Nörgelköppen“ auf der Gegengerade im Preußenstadion Glauben, stand nicht Jens Lehmann 1997 in San Siro auf dem Platz, sondern Toni Tapalovic. Ein bisschen mehr Selbstbewusstsein sei den Fans an der Hammer Straße zu gönnen. Sie haben es sich durch eine bislang wirklich gute Saison redlich verdient.
Nichts desto trotz möchte ich meinen Ausflug in die Oberliga noch mit einer ganz generellen Ãœberlegung abschließen. Im kommenden Jahr wird der SC Preußen in der Regionalliga spielen. Dort wird er sich dann nicht nur mit Schalke II messen müssen, sondern aller Voraussicht nach auch mit Bochum II, Leverkusen II, Mönchengladbach II, 1. FC Köln II und Borussia Dortmund II. Ich finde es schlichtweg unfair, dass Vereine wie der SC Preußen in sportliche und vor allem auch wirtschaftliche Konkurrenz gegen die Zweitvertretungen von Proficlubs treten müssen. Darunter leidet meiner Ansicht nach der Fußball in den Amateurklassen – und selbst die Profivereine haben nichts davon. Rudi Assauer hatte da vor ein paar Jahren eine gute Idee: Die zweiten Mannschaften der Profivereine spielen eine eigene „Reserverunde“ aus, gleichzeitig werden die Spieler mit einem zweiten Spielerpass ausgestattet und dürfen für einen „echten“ Amateurclub auflaufen, ohne den Verein tatsächlich zu wechseln. Leider scheiterte Assauer mit diesem für alle Seiten sinnvollen Vorstoß. Ich weiß bis heute nicht, warum.
Mehr zum heutigen Spitzenspiel der Oberliga West schreiben die „Westfälischen Nachrichten“ und die „Münstersche Zeitung„.
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