Schalke spielt Fußball!
Das erste Spiel nach der Ära Slomka war ein Fußballspiel! Das ist die wichtigste Erkenntnis des gestrigen Abends. Dass die Ergebnisse in diesem Jahr stimmen, daran hat man sich ja schon gewöhnt. Dass man aber über volle 90 Minuten einer Partie beiwohnt, die getrost als „Fußballspiel“ tituliert werden darf – das ist in der Tat ein fast schon einmaliges Erlebnis auf Schalke. Gestern war es so. Mit 5:0 fegten die Königsblauen heillos überforderte Lausitzer aus der Arena. Vier Tore von Kuranyi, eins nach Kopfballablage von Bordon durch den Cottbuser Vragel da Silva – und auch zwischen diesen Toren stimmte alles. Wirklich alles! Der Einsatz, der Wille, die Kombinationen und der Spielwitz. Es hat Spaß gemacht, den Schalkern gestern zuzusehen. Mein Gott, wie lange durfte ich das schon nicht mehr schreiben…
Wer vor dem Spiel flammende Sympathiebekundungen für den entlassenen Ex-Trainer und wütende Vorstand-Raus-Rufe erwartet (oder gar erhofft) hatte, der musste gestern abend feststellen, dass diejenigen, die sich das Gemurkse unter Slomka nun viel zu lange anschauen mussten, wohl doch recht hatten: Je näher man an Schalke dran ist, je mehr „Spiele“ man in den letzten Monaten gesehen hat, desto mehr Verständnis brachte man der Entscheidung des Sonntags entgegen. Gerade einmal ein klitzekleines „Danke Mirko – Vorstand raus“-Banner wehte im Oberrang. Das war’s dann auch schon. Im Gegenteil war Slomka in den meisten Gesprächen in den Blöcken und an den Verkaufsständender Arena zwar ein Thema, zur Diskussion kam es aber nur selten, weil eine Diskussion immer mindestens zwei Meinungen benötigt und die zweite nur schwerlich aufzutreiben war. Ich hatte zwar vor dem Match zu keinem Zeitpunkt mit einem „Fanaufstand“ gerechnet – die gestern gezeigte Gleichgültigkeit – beinahe schon Erleichterung – überraschte dann jedoch selbst mich.
Als dann auch noch die Darbietung auf dem Platz stimmte, war Slomka überhaupt kein Thema mehr. Und um es direkt zu sagen: Natürlich war das gestrige Gesicht der Mannschaft nicht das „neue Gesicht“, das es ab sofort immer zu bewundern gibt. Natürlich war es nicht der Trainerwechsel, der in Kuranyis Kopf einen Schalter umklappen ließ, so dass sich dieser urplötzlich wieder erinnerte, wo dieses vermaledeite Tor steht. Und natürlich kann eine Nachmittags-Trainingseinheit unter dem Interims-Trainerduo Büskens und Mulder nicht alles ändern, was sich in den letzten Jahren eingeschliffen hat. Und doch gab es sie: Die entscheidende Veränderung, die zwar erhofft aber beileibe nicht erwartet werden durfte. Denn Schalke schaltete nach dem 1:0 nicht zurück, spielte auch nach dem 2:0 konsequent weiter, war dann heiß auf das 3:0 und erfreute sich letztendlich so sehr an sich selbst, dass man sogar noch das 4:0 und 5:0 nachlegte. Da stellt sich natürlich die Frage, warum die Mannschaft erst erleben musste, wie sie mit ihrer lethargischen Spielweise einen Trainer schasst, um sich endlich wieder auf das zu konzentrieren, was das Fußballspiel letztendlich ausmacht. Es drängt sich jedoch ebenso die Frage auf, warum der Trainer es überhaupt erst so weit hat kommen lassen.
Zum Spiel: Schalke begann zwar druckvoll, allerdings auch mit einigen Abspielfehlern und insgesamt etwas zu überhastet. Also eigentlich wie immer. Nach 10 Minuten ist es Albert Streit, der mit einem Schuss aus der Distanz die fahrige Startphase für beendet erklärt. Von nun an lief es besser. Drei Minuten nach dem Weckruf setzt sich Kuranyi im Strafraum durch und steht plötzlich völlig frei vor Cottbus-Keeper Tremmel, haut den Ball aus acht Metern aber weit am Pfosten vorbei. Und wieder nur ein paar Minuten später wird Sanchez bei einem Konter klug angespielt, scheitert aus spitzem Winkel in der 1:1-Situation aber am Schlussmann der Gäste. So musste letztendlich – wie schon so oft in dieser Saison – eine Standardsituation herhalten, um für Schalkes überfällige Führung zu sorgen. Pander hatte in der 31. Minute einen Freistoß an den langen Pfosten gebracht, Bordon legt per Kopf in die Mitte ab, wo bereits zwei Schalker frei vor dem Tor auf die Verwertung warten, dazu aber nicht mehr kommen, weil da Silva sich den Ball lieber gleich selbst ins Netz legt.
Und nun machte eine Frage im Stadion die Runde: Wie wird Schalke weiterspielen? Wird man sich zurückziehen, den tief stehenden Gegner locken und versuchen, die Führung in die Halbzeit mitzunehmen? Nein! Schalke legte nach und zeigte in der Folgezeit nun eine beinahe 100%ige Chancenverwertung. Gut fünf Minuten nach der Führung dringt Ernst in den Strafraum ein, zieht ab, Kuranyi spitzelt in den leicht abgerutschten Schuss und fälscht hart bedrängt einem Meter vor der Torlinie unhaltbar zum 2:0 ab (37. Minute). Der Jubel über das 2:0 war kaum verklungen, da schlug Kuranyi erneut zu. Bedient von Sanchez spielt er zunächst zwei Cottbuser Gegenspieler aus und findet dann aus 17 Metern noch die Lücke zwischen zwei weiteren Gegnern, die nur noch hinterherschauen können, wie der Schuss im Winkel einschlägt (41. Minute). Kuranyi war bereits jetzt der Mann des Tages, hätte Sekunden vor dem Halbzeitpfiff sogar einen lupenreinen Hattrick hinlegen können. Doch sein gut platzierter Kopfball nach einer Ecke wird von Tremmel mit einer Glanztat an die Querlatte gelenkt.
Zurück aus den Kabinen ließ Schalke keinen Zweifel daran aufkommen, dass das 3:0 nur ein Zwischenstand werden sollte. Durch gutes Laufspiel und schnelle Kombinationen legte man sich Cottbus nach dem Wiederanpfiff zunächst zurecht und schlug dann in der 59. Minute eiskalt wieder zu. Erneut war es Kuranyi der das kluge, steile Zuspiel von Ernst aufnahm, frei vor Tremmel auftauchte und die Kugel überlegt am ausgefahrenen Bein des Keepers vorbei in die Maschen legte. 4:0 für Schalke – wann hat es das zuletzt gegeben?!?
Es hätte für die Gäste, die nun jegliche Gegenwehr eingestellt hatten, gestern eine historische Klatsche geben können, doch nach dem 4:0 ließ es Schalke merklich ruhiger angehen. Der Ball wurde gehalten, lief flüssig durch die eigenen Reihen, die Auswechslungen ab der 76. Minute taten das übrige dazu, dass das Schalker Spiel etwas an Fahrt verlor. Als man sich insgeheim schon auf das 4:0 als Endstand geeinigt hatte, schlug Kevin Kuranyi jedoch noch einmal zu. Per Kopf lenkte er Rafinhas butterweiche 25-Meter-Flanke vor dem herausstürzenden Tremmel zum 5:0 ins Tor (80. Minute). Das sollte es dann aber wirklich gewesen sein.
Fazit: Cottbus machte es Schalke gestern in der Tat leicht. Spätestens nach dem 3:0 war der Wille der Gäste gebrochen, die sich dann brav in ihr Schicksal fügten. Doch Schalke hatte daran entscheidenden Anteil, weil man sich eben nicht nach der erarbeiteten Führung zurückzog und so den Gegner wieder ins Spiel zerrte, sondern einfach mal weiterspielte. Wie bereits gesagt: An der einen Trainingseinheit unter Büskens und Mulder kann das nicht gelegen haben. Aber völlig losgelöst von den Ereignissen der letzten Tage war das gestrige Spiel auch nicht.
Mehr zum Kantersieg gegen Cottbus schreibt der Tagesspiegel. Das Torfestival kann man sich in bewegten Bildern noch einmal im Schalke-04-TV auf „Maxdome“ zu Gemüte führen.
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4 Kommentare zu “Schalke spielt Fußball!”
Hier sind meine Fotos vom ersten Spiel unter Büskens/Mulder gegen Cottbus
http://flickr.com/photos/derschalker
Einen Bericht findet ihr hier
http://schalker.wordpress.com
Glück auf
„der Schalker“
Und so hat man es vor dem Radio miterlebt:D
http://zeitverschwender.blogspot.com/2008/04/radio-days.html
Mal eine kurze, knappe Antwort an Matthias Kommentar: 1904 % Ãœbereinstimmung.
ist es zufall oder warum steht sogar auf der offiziellen Homepage bei der Ãœberschrift:
Knappen „erspielen“ sich 5:0 Kantersieg gegen Cottbus
das erspielen in „Anführungszeichen“? Können es die Verantwortlichen selbst nicht glauben?