Das Duell der alten West-Rivalen
Nach den 90 torlosen Minuten und zwei verschenkten Punkten auf Schalke gestern, wollte ich mein Fußballwochenende dann doch noch irgendwie zu einem guten Abschluss bringen. Da traf es sich ganz gut, dass heute in Münster das Spitzenspiel der Regionalliga West anstand: Preußen Münster gegen Rot-Weiss Essen – ein Prestigeduell der besonderen Art. Denn beide Vereine gehören zu den ganz alten Rivalen des West-Fußballs. Essen verpasste in der letzten Spielzeit erst am letzten Spieltag denkbar knapp die Qualifikation für die 3. Liga; Münster hingegen errang souverän die Meisterschaft in der Oberliga Westfalen. Unter dem Strich bedeutet das für beide Traditionsvereine: Das tägliche Fußballbrot wird in dieser Saison in der Regionalliga West verdient. Vierte Liga, Schmuddelwetter, baufälliges Stadion – das hört sich jetzt sicherlich nicht gerade wie ein Knaller an. Doch weit gefehlt! Die alte Rivalität lockte rund 8.700 Zuschauer in die Kampfbahn an der Hammer Straße. Und die sahen ein richtig gutes Spiel sowie einen letztendlich verdienten 3:1-Sieg des SCP.
In Münster herrschte heute der Ausnahmezustand. Nicht nur, dass die Rot-Weißen aus Essen knapp 3000 Fans mit in die Stadt brachten, zugleich fand mit dem „Herbstsend“ auch Münsters große Kirmes auf dem Hindenburgplatz statt. Und zu allem Ãœberfluss hatten die Geschäfte der Innenstadt zum „Verkaufsoffenen Sonntag“ geladen. Kurzum: Die Innenstadt und ganz besonders das Gebiet rund um die Hammer Straße musste bereits Stunden vor dem Anpfiff großräumig verkehrsberuhigt werden. In überfüllten Bussen und natürlich auf tausenden Fahrrädern machten sich die Fans auf dem Weg ins Stadion.
Vor der Partie hatte man mancherorts vielleicht klammheimlich auf ein ausverkauftes Haus gehofft. Letztendlich reichte es dafür nicht ganz, auch weil das Wetter nicht mitspielen wollte. Aber 8.700 Zuschauer sind für die Vierte Liga dennoch sensationell. Fußball in Münster kann die Massen also doch mobilisieren.
Die Preußen gingen die Partie konzentriert und engagiert an. Mit schönen Angriffszügen spielte man sich immer wieder vor das Essener Tor. Nach gut 30 Minuten hat das Stadion zweimal innerhalb von 60 Sekunden den Torjubel auf den Lippen, doch sowohl Massimo Ornatelli als auch Michael Erzen scheitern in bester Position nur wenige Meter vor dem Tor ein wenig kläglich. Aber die Gastgeber stecken nicht auf und verdienen sich die Führung. Erzen schickt mit einem feinen Zuspiel aus dem Mittelfeld in der 43. Minute Mehmet Kara auf die Reise, der umkurvt RWE-Keeper Maczkowiak und schiebt dann überlegt zum längst überfälligen 1:0 ein.
Kurz nach der Halbzeitpause leistet sich der Ex-Schalker Simon Talarek einen folgenschweren Aussetzer. In der 52. Minute holt er den Essener Robert Mainka im Strafraum von den Beinen: Elfmeter! Sascha Mölders bleibt bei der Ausführung eiskalt und erzielt den schmeichelhaften Ausgleich für RWE. Weniger schmeichelhaft ist allerdings, was Mölders direkt nach seinem Treffer macht: Er rennt in die Fankurve der Münsteraner und provoziert die ohnehin nicht unproblematischen Fans des SCP, die allerdings erfreulich gelassen auf diese Unsportlichkeit reagieren. Währenddessen werden im RWE-Fanblock Rauchbomben gezündet, die für ein paar Minuten das halbe Stadion vernebeln.
Nach dem Ausgleich ist Essen plötzlich besser und die Preußen sind völlig von der Rolle. Nur zwei Minuten nach dem 1:1 muss es eigentlich 2:1 für RWE stehen, doch bei einem Konter versagen die Gäste kläglich. Es dauert mehr als 20 Minuten, bis Münster sich wieder gefangen hat, doch in der Schlussphase kann man den starken Gästen dann wieder auf Augenhöhe begegnen. Die vielleicht spielentscheidende Szene ereignet sich in der 75. Minute, als Bundesliga-Schiedsrichter Günter Perl aus München den Essener Kai von der Gathen mit Gelb-Rot vom Platz schickt. Die zahlenmäßige Überlegenheit nutzen die Preußen in der Folge sehr gut aus und verdienen sich mit hohem Einsatz das 2:1 durch Robert Magos (84. Minute), der den Ball nach einem Getümmel im Essener Strafraum über die Linie bugsiert. Essen muss nun aufmachen und läuft in den entscheidenden Konter: Der eingewechselte Brasilianer Weller Pereira Wilson schießt in der 87. Minute zum 3:1-Endstand ein.
Münster klettert durch den Sieg auf den vierten Platz der Tabelle und schielt nun mit nur zwei Zählern Rückstand auf den Spitzenreiter 1. FC Köln II ein wenig in Richtung Platz an der Sonne. So oder so ist Münster derzeit der beste Verein der Regionalliga, der keine Zweitvertretung einer Profi-Mannschaft ist. Und das ist wirklich aller Ehren wert.
Mehr zum West-Derby schreiben die „Westfälischen Nachrichten„. Eine sehr umfangreiche Bilderstrecke vom Spiel kann man sich bei „Westline“ anschauen.
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