So Long, and Thanks For All the Fish
Heute Morgen sah ich im Frühstücksfernsehen einen IG-Metall-Gewerkschafter, der es schaffte, in nur einem einzigen Statement drei Phrasen unterzubringen: „Natürlich, wenn man aus der Kirche rauskommt, ist man immer schlauer. Wir sind mit Tempo 180 in die Garage gefahren, wobei man auch sehen muss, dass der Fisch immer vom Kopf her stinkt.“ Diese Ansammlung von Allgemeinplätzen ließ mich zunächst schmunzeln. Doch je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir: Der Mann hatte einfach recht! Zwar wurde er nicht zur derzeitigen Lage des FC Schalke 04 befragt, sondern (natürlich) nur zur aktuellen wirtschaftlichen Krise, dennoch kann ich aus königsblauer Sicht alles unterschreiben. Und das nicht erst seit den gestrigen 90 Minuten gegen Stuttgart. Es war kein schlechtes Spiel, das unsere Blauen gegen die Schwaben lieferten. Genau genommen schoss Stuttgart bis zum 2:1-Siegtreffer genau zweimal auf das Schalker Tor und hatte auch danach nur noch eine weitere Konterchance. Doch natürlich reichte es für die Gäste gegen eine von Grund auf verdorbene Mannschaft, wie die, die derzeit das königsblaue Leibchen für viel Geld spazieren trägt. Das mit der „verdorbenen Mannschaft“ sehe ich übrigens nicht erst seit gestern so. Meine Freunde und Stadionkumpels werden bestätigen, dass ich bereits vor etlichen Monaten meine Zweifel daran geäußert habe, dass aus diesem Kader noch einmal etwas Sinnvolles herauskommen kann, indem man den einen oder anderen faulen Apfel aussortiert. Meine langjährigen Erfahrungen als Bewohner eines Studentenwohnheimes haben mich gelehrt: Sitzt der Schimmel erst einmal im Kühlschrank fest, wird es auch nicht besser, wenn man einfach nur den Inhalt austauscht. Irgendwann musst du mit dem Großreinemachen anfangen, ansonsten wirst du deines Lebens als Kühlschranknutzer nicht mehr froh. Zumindest nicht in Bezug auf den Kühlschrankinhalt.
Das Schalke des Jahres 2009 ist ein durchweg vergammelter Kühlschrank. Es ist gar nicht möglich, den einen vergammelten Apfel ausfindig zu machen, weil letztendlich jeder kleinere und größere Druckstellen aufweist. Einige Exemplare stechen jedoch heraus. Ivan Raktitic zum Beispiel. Als angehender Weltfußballer der Jahre 2008 bis 2028 auf Schalke gewechselt verkörpert er mittlerweile alles, was ich am modernen Fußball verabscheue. Er läuft nicht, er kuckt nicht, er passt nicht. Und dann schießt er alle Jubeljahre mal eine gescheite Standardsituation und sieht sich direkt wieder am Ziel seiner Träume. Ach so: Und er hat die Haare schön. Das wollen wir bitte nicht vergessen.
Sich zu Orlando Engelaar zu äußern wäre so, wie einen gehbehinderten 90-Jährigen zum 100-Meter-Lauf aufzufordern und beim Startschuss zu bescheißen. Kurzum: Gemein. Deshalb mache ich es auch gar nicht mehr. Auch dieser Apfel wird hoffentlich sehr bald in die Geschichte des Schalker Obstkorbes eingehen. Wie im übrigen auch Halil Altintop, dem ich persönlich alles Gute wünsche – nur eben bitte nicht mehr auf dem Rasen der Arena.
Bei anderen fällt es da schon etwas schwerer, den radikalen Schnitt zu vollziehen. Levan Kobiashvili, Mladen Krastajic oder Gerald Asamoah zum Beispiel waren mal das Paradebeispiel von frischem Marktobst. Man erinnert sich gerne an diese Tage, als sie sich noch knackfrisch präsentierten und man sie am liebsten auf ein großformatiges Küchenposter gebannt hätte. Heute ist der Lack längst ab. Alle drei genügen einfach nicht mehr den Ansprüchen eines Spitzenkochs und speziell im Falle von Kobiashvili dürfte es mittlerweile selbst für die 1-Euro-Suppenküche knapp werden.
Richtig ärgerlich ist es, wenn man sich eingestehen muss, dass das teuer erstandene Bioobst gar nicht so toll schmeckt, wie man es sich einreden möchte. Man denkt sich: „Mensch, das war doch so teuer. Das sah doch so appetitlich aus. Die anderen haben doch auch so etwas“, stellt aber spätestens beim zweiten Bissen fest, dass die konventionell gezogene Massenware vom Discounter jetzt auch nicht wirklich schlechter gewesen wäre. Jefferson Farfán ist so ein Stück Bioobst par excellence. Was habe ich nicht alles für Hoffnungen in ihn gesetzt. Endlich macht Schalke mal die Kasse auf. Endlich wird mal ein richtig guter Spieler für 10 Millionen Euro eingekauft und nicht – wie sonst – das gleiche Geld für vier Allerwelts-Recken verballert. Tja, so kann man sich täuschen. Farfán mag in Holland ein guter Spieler gewesen sein. Für die Bundesliga reicht es einfach nicht. Das fängt bei seiner mangelhaften Ballbehandlung an, setzt sich über ständige Standschwierigkeiten fort und gipfelt schließlich darin, dass der als „pfeilschneller Konterstürmer“ gepriesene Star in diesem Jahr kein einziges Laufduell gegen die nicht unbedingt als extrem sprintstark bekannten Bundesliga-Verteidiger gewonnen hat. Auch gestern wirkten seine „Bemühungen“ einmal mehr wirklich mitleiderregend.
Redet man auf Schalke von der „Mannschaft der Zukunft“ fallen zwangsläufig die Namen Neuer, Jones, Westermann und Höwedes. Sie alle haben zweifelsohne das Potenzial, irgendwann einmal „Schalker“ zu werden – am Ziel sind sie jedoch längst nicht. Natürlich: Man verzeiht Neuer seine regelmäßigen Patzer, die uns schon so manchen Punkt gekostet haben, weil er im Gegenzug immer wieder geniale Momente feiern kann. Man akzeptiert, dass Jones fehlende spielerische Klasse mit großem Kämpferherz wieder wettmacht. Man leidet mit Westermann, der wahrscheinlich selbst gar nicht mehr weiß, ob er nun als Verteidiger oder als Mittelfeldspieler verpflichtet wurde. Und man hofft mit Höwedes, dass er endlich wieder einen Lehrmeister an die Seite gestellt bekommt, an dem er sich aufrichten und wachsen kann. Mit Bordon hatte es zwischenzeitlich mal geklappt. Mit Krstajic klappt nichts mehr.
Zwei Spieltage vor Saisonende redet ganz Schalke nur noch vom neuen Marktbeschicker. Auch ich setze große Hoffnungen auf Felix Magath, bin mir aber sicher, dass allein durch sein Kommen nicht urplötzlich alles besser wird. Es wird mindestens ein Jahr dauern, bis man erste Erfolge seiner Arbeit bestaunen kann. Wahrscheinlich sogar länger. Vor Schalke steht eine längere Durststrecke, als man es jetzt bereit ist zu glauben. Doch wichtig ist, dass nach Jahren der Stagnation endlich der erste Schritt gewagt wird. Ich danke der aktuellen Mannschaft für einige nette Stunden, die sie mir in den letzten Jahren bereitet hat. Aber ich weiß auch, dass ich diesen von Grund auf verdorbenen Haufen einfach nicht mehr sehen möchte.
Morgen früh mache ich mich auf in Richtung Berlin. Wenn schon die Mannschaft nicht bereit ist, sich anständig aus der Saison zu verabschieden, so möchte ich mich doch wenigstens anständig von der Mannschaft verabschieden. Ich denke, das hat sie trotz allem verdient. Genau so, wie Schalke eine neue Mannschaft verdient hat.
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8 Kommentare zu “So Long, and Thanks For All the Fish”
Da kann ich in allen Punkten nur zustimmen.
Ich vermisse eine Aussage zu unserem angeschlagenen Obst und unserem verliehenen Obst.
Können oder wollen wir es uns in der Zukunft leisten auf Obst zu bauen das nur selten verfügbar ist?
Können oder wollen wir es uns in der Zukunft leisten auf Obst zu setzen, bei dem uns nicht ganz klar ist ob es schmeckt oder doch verdorben ist?
Können oder wollen wir es uns in der Zukunft leisten auf Obst zu setzen, bei dem uns nicht ganz klar ist ob es reif oder unreif ist?
Zumindest was den faulen Apfel Ze Roberto II angeht, habe ich gute Nachrichten: Er wird von Flamengo Rio de Janeiro an Cruzeiro Belo Horizonte weiterverliehen. Der Deal dürfte in den nächsten Tagen auch auf der Schalker Webseite bekannt gegeben werden.
(Quelle: Mail eines Freunde aus Brasilien)
Sehr guter Beitrag,stimme Dir in allem zu.Besonders in Sachen Farfan.Auch ich hatte große Erwartungen in ihn gesetzt aber ich glaube es langt einfach nicht für ihn.
Nun soll der HSV an KK interesse haben.Ein fauler Apfel weniger?
Lt. Sportbild sollte dann Dzeko zu uns kommen.
Wers glaubt…
Das mit dem fisch und kopf und so, beim Fußball sehen wir nur was die Mannschaft leistet, nicht leisten kann, anscheinend kann der Felix eine komplette mannschaft aufbauen, behalten sollte er nur Neuer und raffi , der Rest ist Mist und darf unseren Hausgalt für die gebotene Leistung sher nach unten schrauben.
Der Kevin ist nur noch ein totalschaden, Westermann ist ein blinder , der nur auf dem linken außenposten verteidigen kann, wer hatte da gesagt das er ein Mittelfeldspieler sei, ogott ogott, na ja , kann mit Felix nur besser werden, vom Büskens bin ich etwas entäuscht, hatte gedacht der hat die Profis im Griff, habe mich getäuscht, Glück Auf
Mein Gott,das Deutsche Obst reift halt mit etwas weniger Sonne .
Özil,Böhnisch,die zwei Jungs in Mainz,einer in Gladbach , wir die Fans haben keinen vom Hof gejagt und das klare Bekenntnis zu unserem Verein habe ich außer bei Vertragsverhandlungen bei den meisten vermißt.
Wenn ich jetzt lese wer alles bleiben möchte , mir wird mehr als komisch.
Magath macht Spieler nicht jünger .(vieleicht etwas besser ,aber das reicht bei den meisten auch nicht und der Kopf bleibt der selbe).
Ein schöner Neuanfang und wenn wir auch mal 2 Jahre
in anderen Regionen stehen sollten, aber mit einer Manschaft die Charakter,Willen und Leidenschaft zeigt und Fußball SPIELT.
Das würde ich uns wünschen aber es wird wieder anders kommen ,weil Sponsoren ,Mäzene , Gönner und wie sie sich auch immer nennen das Spiel bestimmen.
Eins steht fest, es war eine verschenkte Saison und was für eine. GLÜCK AUF !!.
…und danke für den Fisch!
Die einzelnen Spieler mit Obst zu vergleichen ist gewagt, aber dennoch genial. Der olle Appel steckt die Banane an, die gammelige Orange die frischen Kirschen. Und wenn der Schimmel schon im Korb schlummert, ist alles früh oder später nur noch für die Biotonne.
Douglas Adams, hier derjenige, welcher sich für den Fisch bedankt, hat uns allen etwas vorraus: er verstarb 8 Tage vor dem Saisonfinale 2001. Dieses Saisonfinale wird aus S04-Sicht so spannend wie eine Talk-oder Kochshow von Moderatoren, dessen zweiter Buchstabe im Nachnamen beispielsweise ein „E“ ist. Ab mit denen (über sat1) zu 9live! Hat jemand schon gemerkt, dass man beim dsf die doofe Frage für das Gewinnspiel einfach weglässt?
Ich hoffe, dass in der nächten Saison alles mit etwas mehr Geist abläuft. Und wenn allen anderen die ganze Suppe BL nicht schmecken sollte, dann kommt Maggi auf den Tisch und alles wird gut.
GLÃœCK AUF!
@Klaus
Ich glaube nicht, dass es eine verschenkte Saison war. Vielmehr mussten wir mal so richtig auf die Nase fallen, damit sich grundlegend was ändert. Ohne diese verkorkste Saison gäbe es ab Juli keinen Felix Magath auf Schalke. Felix ist ein Sturkopf und der bestmögliche Trainer, der zu haben war (Guus Hiddink ist ja schon anderweitig beschäftigt…). Ich bin mir sicher, dass er das dicke Fell hat, um sein Konzept konsequent durchzudrücken – und dann wird der Erfolg kommen. Wahrscheinlich nicht im nächsten Jahr, aber vielleicht dann… (siehe WOB).
Und dafür, und zwar nur dafür, hat sich diese gruselige Saison mehr als genug gelohnt. Viel schlimmer wäre es gewesen, wenn wir kontinuierlich an den internationalen Plätzen dran gewesen wären und vielleicht im Endspurt uns ein wenig die Luft ausgegangen wäre. Der Leidensdruck was zu ändern wäre nicht groß genug gewesen. Dann hätten wir am Ende gesagt, schade aber in der nächsten Saison wird bestimmt alles besser. Vermutlicherweise wäre die nächste Saison nicht besser geworden und wir hätten vielleicht unseren Rumpelfußball lieben gelernt, während andere Mannschaften (WOB, Bayer oder 1899) einen tollen und modernen Fußball spielen, mit Spielern, die viele noch vor der Saison nicht mal kannten. Ich habe diese Saison viele Spiele im Stadion und die anderen im Fernsehen gesehen, habe mir die Haare gerauft und geflucht, aber das war es in letzter Konsequenz wert.
Die erwartete Aufbruchstimmung ist da, es jetzt wird sich was ändern, da bin ich mir sicher, und das war schon lange überfällig. GLÜCK AUF!
Das größte faule Ei hat uns Rudi Assauer ins Nest gelegt. Erlebte Schalke unter der Assi- Regie die Ära einer Blütezeit, so gab es unter Manager Müller eine Aneinanderreihung größter Missverständnisse, einschließlich die des holländischen Provinztrainers. Die stete Rückentwicklung der Mannschaft führte zuletzt ins absolute Chaos nach innen und außen.
Als Schönredner und Blender in eigener Sache hat Müller bis zur letzten Sekunde für seine eigene Person und Schatulle gekämpft ohne Rücksicht auf den Niedergang der Mannschaft – mehr Schwabe als Schalker!
Im Ergebnis ist die Mannschaft nun krank und kaputt. Gegen den VfB wurde dies wieder einmal dokumentiert. Es fehlte die Abstimmung der Spieler untereinander und die mannschaftliche Geschlossenheit. Auch gibt es offensichtlich keine klare innere hierarchische Struktur, die im Mannschaftssport notwendig ist, um auch in schwierigen Situationen bestehen zu können.
Und was sagte unser neuer Trainer schon vor drei Tagen bei t-online? „Es wird für mich eine sehr schwere Aufgabe auf Schalke. Schalke ist wenig professionell geführt.“
Hört, hört … Diese erste kleine Breitseite von ihm richtet sich wohl nicht mehr an die entlassenen Herren im operativen Geschäft sondern vornehmlich an die Verantwortlichen im Vorstand und Aufsichtsrat.
Wie Recht er hat , unser neuer Hoffungsträger und dämpft mit dieser Standortbestimmung zugleich hohe und zu schnelle Erwartungen an seine eigene Person. Glück auf!