Über Verträge, die das Papier nicht wert sind
Eigentlich wollte ich ja Nichts zum aktuellen Trainer-Transfer-Karussell schreiben. Warum auch? Schalke hat sich schließlich vor Wochen bereits den aktuell größten Hecht im Teich geangelt und der VfL Wolfsburg letztendlich ja auch nicht die jämmerlichste Kaulquappe als Ersatz erhalten. Danach wurden dann zwar die Trainerstühle in Bielefeld, Mönchengladbach, Hamburg, Köln und Frankfurt frei – aber das hat mich aus Schalker Sicht nicht gekratzt. Doch heute stolperte ich über ein Zitat von Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser. Hintergrund ist, dass er den in Leverkusen in leichte Ungnade gefallenen Trainer Bruno Labbadia angesichts der aktuellen Trainerknappheit nicht so mirnichts, dirnichts nach Hamburg gehen lassen möchte. Holzhäuser sagt:
Herr Labbadia hat noch ein Jahr Vertrag bei uns und ich bitte, dies zu respektieren. Ich kann ihn zwar nicht zwingen, aber ich kann verhindern, dass er woanders arbeitet. Dieses Job-Hopping muss aufhören.
Wird Holzhäuser seinen starken Worten Taten folgen lassen? Zu wünschen wäre es ihm und dem Fußball. Mit leichtem Magenziehen betrachte ich schon seit Jahren eine Entwicklung, die das aktuelle Vertragsgebahren karrikiert. Hier sitzen die Vereine längst nicht mehr nur am kürzeren Hebel, sie haben noch nicht einmal mehr ein Stümmelchen in der Hand. Grund dafür ist ein offensichtliches aber leider unausweichliches Ungleichgewicht in der Machtlage bei der Verpflichtung eines Spielers oder Trainers.
Ein frisch verpflichteter Spieler bzw. Trainer sichert sich mit seiner Unterschrift das Anrecht auf x Jahre stattliche Gehaltszahlungen. Im Gegenzug muss er lediglich körperliche Präsenz zeigen, auf keinen Fall aber zwingend Leistung bringen. Frag‘ doch mal nach bei Carlos Großmüller – um nur ein Beispiel aus Schalke heranzuziehen.
Ist ein Spieler (oder Trainer) besser als erwartet, dauert es nicht lange, bis er trotz eines bestehenden Vertragsverhältnisses mit einem Wechsel kokettiert. Der Fall Ba aus Hoffenheim ist da nur eines von vielen ganz alltäglichen Beispielen. Kein Verein kann es sich wirklich leisten, einen Spieler, der zu 100% weg will, zu halten. Da nimmt man doch lieber die Ablösesumme mit, als sich ein paar Jahre lang lustloses Gekicke anzutun. Ist ein Akteur hingegen schlechter als erwartet, droht ihm nichts. Er muss lediglich an ein bis zwei täglichen Veranstaltungen seiner Betriebssportgruppe teilnehmen und kann ansonsten die Beine hochlegen und sich die Spiele seiner Mannschaft gemütlich im TV ansehen. Das Gehalt fließt dennoch monatlich auf sein Konto, so lange er sich nicht beim Tafelsilber-klauen in der Geschäftsstelle erwischen lässt.
Von Mirko Slomka wurde berichtet, dass er dereinst nach seiner Beurlaubung auf Schalke die Zahlung sämtlichen Monatsgehälter bis zum Ende der ursprünglichen Vertragslaufzeit eingefordert und gleichzeitig um die sofortige Freigabe gebeten habe. Ehrlich gesagt kann ich mir das nicht vorstellen. So dummdreist ist niemand. Sollte es aber stimmen, zeigt es, wie verschoben die Realitäten bei den Vereinsbeschäftigten derzeit sind.
Die vermeindliche Alternative, Verträge mit Spielern und/oder Trainern analog zu normalen Arbeitnehmer-Verhältnissen zu gestalten, ist natürlich auch keine. Wer hat schon Lust morgens in der Zeitung über den Top-Stürmer seines Vereins zu lesen: „Dieter Schröppke hat bei seinem Verein gekündigt und verliert somit für die kommenden drei Monate seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Er hat sich vom Hausarzt einen gelben Schein geholt, feiert dann noch ein paar Wochen Resturlaub ab und wird anschließend von Lokomotive Socchi angestellt.“
Als Felix Magath in Wolfsburg kündigte, war der Aufschrei – nicht nur beim VfL – groß. Doch sowohl Magath (als auch jetzt Christoph Daum) kündigten im Rahmen ihrer Verträge! Nicht ohne Grund erklärte Clemens Tönnies bei der Vorstellung von Felix Magath, dieser habe einen Vier-Jahres-Vertrag ohne jegliche Ausstiegs- und Entlassungsklausel unterschrieben. Heißt allerdings im Umkehrschluss: Wenn Felix Magath nun einfallen sollte, dass Fußball an sich ein strunzlangweiliges Spiel ist und er demnächst lieber mit zehn tahitianischen Röckchentänzerinnen antreten will, wird er auf jeden Fall – körperliche Präsenz bei den täglichen Betriebssportveranstaltungen vorausgesetzt – in den nächsten vier Jahren sein Gehalt kassieren.
Kurzum: Wolfgang Holzhäuser hat den einzigen Ansatzpunkt am Hebel erkannt, der den Vereinen geblieben ist. Ob er ihn wirklich ziehen wird, wage ich allerdings zu bezweifeln, weil es ein sehr teures und letztendlich sinnloses Unterfangen wäre. Mit anderen Worten: Es ist schon eine beinahe lächerlich-surreale Welt, mit der wir uns als Fußballfans tagtäglich auseinandersetzen müssen, oder?
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2 Kommentare zu “Ãœber Verträge, die das Papier nicht wert sind”
Also ich kann Bruno Labbadia schon verstehen. Es ist ja nicht gerade so, daß er ein geliebter Held von Mannschaft und Vorstand in Leverkusen war. Warum hätte er sich noch länger auf den heißen Stuhl in Leverkusen setzen sollen, wenn ihm doch anscheinend ein Angebot aus Hamburg unterbreitet wurde? Das Porzellan wurde nicht von ihm zerbrochen, sondern vom Vorstand selbst. Wenn sich Holzhäuser jetzt hinstellt und beteuert, Leverkusen hätte mit Labbadia gerne weitergearbeitet, ist das in meinen Augen nichts anderes als Bigotterie. Wieso hat man sich nicht vorher, als erste Kritik an Labbadia aufkam, hinter den Trainer gestellt. Es ist doch offensichtlich, daß Leverkusens Kader nicht über eine gesamte Saison konstant spielen kann. Michael Skibbe hat sich letztes Jahr noch als Sündenbock vor den Karren spannen lassen, Labbadia eben nicht. Mir gefällt das. Das Gegenteil solches Selbstbewußtseins war für mich letzte Saison Jürgen Klinsmann. Egal ob Klinsmann jetzt ein guter oder schlechter Trainer ist (ein naiver in jedem Fall), mit einer Mannschaft, die letztes Jahr mit sehr viel Glück das UEFA-Cup Halbfinale erreichte kann man in der Champions League keine Bäume ausreißen. An seiner Stelle wäre ich in München spätestens nach der Vertragsverlängerung mit van Bommel zurückgetreten. Das war doch für ihn der Wink mit dem Zaunpfahl.
Magath und Daum sind da bestimmt andere Fälle, da sie durch ihre Erfolge eine ganz anderes Standing in der Branche haben und nicht ohne etwas hinterlassen den Verein wechseln. Ebenso der Rücktritt Friedhelm Funkels. Ich würde nicht unbedingt von Job-Hopping sprechen, sondern von selbstbewußten Trainern, die selbst wissen wie gut sie sind.
Holzhäuser hat Labbadia aus Fürth geholt, obwohl dessen Vertrag dort nicht auslief. Bayer hat dafür bezahlt, ob mit eine Ãœberweisung oder „nur“ dem Zugeständnis einer bevorzugten Zusammenarbeit, ist nicht ganz klar.
Jetzt hat Holzhäuser die Tröte geblasen, und wenige Stunden später war klar, dass es nur um des trötens willen war – wohl weil er angepisst war, dass der HSV die Meldung zu früh rausblies.
Das plötzliche Gutmenschentum in Leverkusen ist widerlich.