Reporting live from America
Jermaine Jones will bekanntlich demnächst für die US-Nationalmannschaft auflaufen. Eine Nachricht, die in Deutschland weniger hohe Wellen schlug, als Jones selbst es vielleicht erwartet hatte. Herr Wieland hat sich zum kurzen medialen Rummel so seine Gedanken gemacht, die ich voll und ganz unterschreiben kann. Ob Jones in den USA mit offenen Armen empfangen wird, muss allerdings die Zeit zeigen. Als ein Zeichen eines neuen US-Fußball-Selbstvertrauens, das sich längst nicht mehr als Entwicklungsland in Sachen Fußfummelei sieht, werte ich einen durchaus kritischen Bericht im „Soccer Blog“ der New York Times, der sich dem neu gewonnenen Landsmann mit einer spürbaren Portion Skepsis nähert. In einfach strukturiertem Englisch versucht Jermaine Jones in dem Artikel die Beweggründe für seine Entscheidung zu erklären – und die NY Times-Blogger haben es gnadenlos heruntergeschrieben:
It is funny because in Germany they do not like different guys like me. I have so much people who don’t like it. When I say something I think is right they say: ‘You can’t say that. Why you say that? You can think it, but don’t say it.
Ich bin jedoch davon überzeugt, dass auch bei der „Times“ die Zeit der kindischen Frotzeleien über Jones‘ Englischkenntnisse bald vorbei sein wird. Spätestens wenn das US-Fußballpublikum erkannt hat, dass sie sich einen richtig guten Kämpfer für das Mittelfeld gesichert haben, wird auch die Presse sich nicht mehr an den grammatikalischen Fähigkeiten des Neu-US-Boys stören. Ich störe mich indes an einer anderen Passage im erwähnten Bericht:
Jones has spent his entire professional career in Germany, with Eintracht Frankfurt, Bayer Leverkusen and Eintracht again before signing a four-year contract with Schalke in 2007. He said he had two years left on his contract, then would like to play in England.
Geht das jetzt etwa schon wieder los? Ich dachte, Jones‘ (zwischenzeitlich nervenden) Wechselliebeleien seien spätestens mit der Vertragsverlängerung bis 2014 vom Tisch. Woher haben die Blogger aus New York diese exklusive Information? Aus dem transskribierten Telefonat mit Jones ja wohl kaum.
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3 Kommentare zu “Reporting live from America”
Ganz weit weg von den großen Gedanken und Interpretationen rund um diese Entscheidung von Jermaine Jones: RICHTIG SO!
Zwar hat er sich bestimmt auch etwas lächerlich gemacht, besonders im Hinblick auf den Versuch, noch bekloppteres Englisch zu reden als unser Lothar. Aber wenn man bei der nächsten WM mitspielen möchte, dann sollte man schon hinsichtlich der zu erwartenen NICHT-Qualifikation den Verband wechseln. Macht man ja auch bei einer offenen Wunde, wenn der Verband anfängt zu stinken. Und es stinkt mir schon lange sehr gewaltig rund um unseren Bundesjogi. Jones erst Hoffnung machen, dann aber durch Nominierung anderer Spieler ihn zu demotivieren, das ist nur eine Schwäche des überschätzten Herrn. Ich will es ja hier nicht beschwören, aber die Qualifikation ist in Gefahr. Das wäre dann das erste Mal, das ist es aber immer irgendwann.
Kann Jones denn jetzt wenigstens noch nutella-Boy bleiben?
Habt Ihr den Artikel im NYT-Blog überhaupt richtig gelesen? Da steht, daß JJ erst gar nicht ans Telefon wollte, eben weil er sich seiner nicht überragenden Englisch-Kenntnisse bewußt ist. Ein Umstand, der ihn schon mal deutlich von Lodda M. unterscheiden dürfte.
Er scheint sich dann einen Ruck gegeben zu haben und hat sich dem Journalisten am Telefon gestellt. In „holprigem, aber passablem Englisch“. Ich kann keine „kindischen Frotzeleien“ seitens der „NYT-Blogger“ (sind mehrere Autoren für den Beitrag verantwortlich?) erkennen.
Und im Rahmen dieses Telefonats hat er dann wohl auch gesagt, daß er nach England möchte – zumindest legt die Lektüre des Artikels dies nahe, in freier Übersetzung: „Er sagte, er sei noch für zwei Jahre bei S04 unter Vertrag, dann würde er gerne in England spielen.“ Wenn nicht aus dem Telefonat, woher soll diese Info sonst stammen? Hat sich der oder haben sich die NYT-Blogger das ausgedacht? Halte ich für unwahrscheinlich.
Was typisch ist für eine ganze Reihe von Kommentaren zu dieser Causa: Man stellt ihn tendentiell in die Ecke eines „Vaterlandsverräters“. (Nicht in diesem Blog.) Puh. Er will Nationalmannschaft spielen. Durch eine Regeländerung geht plötzlich eine Tür für ihn auf, die vorher verschlossen war. Er will diese Gelegenheit nutzen. So what?
Außerdem beklagt JJ eine latente Abneigung ihm gegenüber, allein aufgrund seines Aussehens, das sich vielleicht in der Tat ein wenig vom Durchschnitt unterscheidet (bloß nicht aus der Masse hervortreten!!), die man, jawohl, als Rassismus-Vorwurf an die Mehrheitsgesellschaft verstehen kann. Das ist harter Tobak. Aber hat JJ damit so Unrecht?
matthiaß merkte an:
Gute Frage. Und ich meine das nicht einmal mit diesem dämlichen und allgegenwärtigen Nutella-Boy-Bashing-Unterton. Für Nutella hat Jones bundesweit geworben und es dürfte so ziemlich sein dickster persönlicher Sponsorenvertrag gewesen sein. Darauf verzichtet er jetzt freiwillig. Hut ab!
Johannes schrieb:
Ich schon. Ein gedrucktes Interview ist niemals ein Transskript eines Gesprächs. Vielmehr gehört es zum journalistisch guten Ton, dass man das gesprochene Wort ein Stückweit glättet. Stell‘ dir mal ein gedrucktes Lukas Podolski-Interview vor, das 1:1 aus dem gesprochenen Wort übernommen wurde… Wenn also eine Zeitung (oder ein anderes Print-Medium) ein Interview ungeglättet übernimmt, überdies auch noch mit einem Gesprächspartner, für den die gesprochene Sprache nicht die Alltagssprache ist, dann steckt dahinter schon ein ganzes Stückweit Kalkül. Der Unterton des NYT-Blogger-Berichts ist „Da ist einer, den kennen wir nicht, der spricht ganz passabel aber holperig unsere Sprache und hat jetzt neulich entdeckt, dass sein Vater ein Amerikaner ist.“ Da ist die 1:1-Übernahme aus dem gesprochenen Wort ein offensichtliches Stilmittel.
Ich gehe davon aus, dass Jones weiß, dass er nicht nur noch zwei Jahre (bis 2011), sondern noch fünf Jahre (bis 2014) einen Vertrag auf Schalke hat. Es ist also wahrscheinlicher, dass diese Passage nicht auf dem Telefon-Interview fußt, sondern auf eigenen Recherche-Ergebnissen des Autoren. Und da Jones in den letzten Jahren sehr oft gesagt hat, dass er irgendwann mal in England spielen will (sich zuletzt allerdings sehr klar zum S04 bekannt hat), ist es gut möglich, dass eine Google-Suche zum Thema „Jermaine Jones“ irgendeinen Artikel ausspuckt, der vor der Vertragsverlängerung online gestellt wurde.
Mir ist der Wirbel um die Absage von Jones an den DFB ehrlich gesagt total egal. Ich sehe gerne Schalker im Nationaltrikot, aber wenn sie für ein anderes Land spielen, kann ich daran auch nichts schlimmes finden. Ich bin selbst ein Halb/Halb-Mensch und kann mir meine Nationaliät ebenfalls je nach Ausgangslage aussuchen. Kommt ein Skirennen im Fernsehen, bin ich Österreicher. Treten Beine vor Bälle, bin ich Deutscher. Ergo sehe ich keinesfalls einen „Vaterlandsverrat“ in Jones Entscheidung – das hängt die Sache viel zu hoch.
Ich bin allerdings nicht so ganz glücklich damit, dass Jones jetzt demnächst bei Länderspiel-Terminen einmal um die halbe Welt jettet. Ich hoffe, diese zusätzlichen Strapazen haben keinen Einfluss auf seine Leistungsfähigkeit auf Schalke.