Eine Reifeprüfung
Seit gestern ist die erste Entscheidung der Saison gefallen: Schalke wird nicht ohne Punktverlust Deutscher Meister. Das ist wirklich ganz, ganz bitter und ich habe kurz mit dem Gedanken gespielt, meine Dauerkarte zu verbrennen – aber da müssen wir jetzt einfach durch. In Hoffenheim reichte es gestern nur zu einem mageren Punkt. 0:0 endete ein nicht immer hochklassiges aber zumindest sehr rassiges Spiel. Doch zurück zum Anfang: Wer nach dem Remis in Hoffenheim tatsächlich mäkelt, Schalke habe in Sinsheim zwei Punkte liegen lassen, dem darf man bereits am dritten Spieltag Realitätsverlust attestieren. Denn ganz im Gegenteil kann ich mit dem Resultat und dem Zähler sehr gut leben – und zu weiten Teilen selbst mit dem Spiel. Auch wenn Schalke gestern in der Tat nicht sonderlich gut spielte, hat die Mannschaft doch ihre erste Reifeprüfung bestanden, teilweise sogar mit Bravour.
Bei aller Freude über die sehr schönen Auftritte in Nürnberg und vor allem gegen Bochum war es doch nur eine Frage der Zeit, bis der junge Schalker Kader erste kleinere Ausfallerscheinungen zeigt. Gestern war es an Carlos Zambrano, auch mal die Niederungen des Profidaseins zu erleben. In den ersten 45 Minuten wurde der 20jährige Peruaner ein ums andere mal von Ibisevic und vor allem von Obasi übertölpelt und wusste nach dem x-ten verlorenen Zweikampfdribbling kaum noch, wie er sich die Knoten aus den Beinen ziehen kann. Doch es spricht für Schalke, dass die Mannschaft gestern individuelle Fehler als Team wieder ausbügelte. Wenn Zambrano die Stürmer nicht stoppen konnte, dann war eben Heiko Westermann da. Und wenn Westermann einen Gegenspieler passieren lassen musste, gingen Marcelo Bordon oder wahlweise auch Rafinha dazwischen. Jeder für sich hatte gestern sicherlich nicht seinen Sahnetag – doch als Gemeinschaft hat die Mannschaft in der Defensive funktioniert. Und um es nicht unerwähnt zu lassen: In der zweiten Halbzeit hatte sich auch Zambrano wieder gefangen.
Die Defensive begann gestern direkt hinter den Stürmern. Während Kevin Kuranyi und Jefferson Farfán sicherlich mit der Maßgabe auf das Feld geschickt wurden, etwas im Angriff zu bewegen, wählte Magath ansonsten eine gründlich defensive Variante. Der griechische Neuzugang Pliatsikas feierte sein Debut in der Startelf und wurde forsch von der Sky-Grafikabteilung als “Zehner” in der taktischen Aufstellung gelistet. Tatsächlich aber spielte er einen Zerstörer und Manndecker der ganz alten Schule – und das wirklich gut! Insbesondere in der ersten Halbzeit kam Hoffenheim kaum dazu, im Mittelfeld ein schnelles Spiel aufzuziehen und die Kugel rasch in den Angriff zu bugsieren. Das war auch ein Verdienst von Pliatsikas. Hervorheben muss man aber vor allem den brasilianischen Neuzugang Minero. Mit überragendem Stellungsspiel und großem Einsatz zog der “alte Sack zum Nulltarif” den Hoffenheimer Kreativen ein ums andere mal den Zahn. Beachtlich, wirklich beachtlich! Nicht minder beachtenswert war auch die Leistung von Christoph Moritz, der sich auch in seinem dritten Ligaspiel perfekt in die Mannschaft einfügte.
Bei aller Freude über die bestandene Schalker Defensiv-Reifeprüfung darf natürlich nicht unerwähnt bleiben, dass im Sturm gestern tote Hose herrschte. Derart tote Hose, dass selbst Felix Magath reagieren musste und seine bis dato erfolgreiche Defensivtaktik durch die Hereinnahme von Levan Kenia für den gelb vorbelasteten Pliatsikas in der zweiten Halbzeit etwas aufzulockern versuchte. Ein Wechsel, der leider wirkungslos verpuffte, weil Hoffenheim in der zweiten Halbzeit den Druck noch einmal erhöhte und Schalke nun nicht einmal mehr zu Entlastungsangriffen kam. So wurde es nach dem Seitenwechsel eine einzige Abwehrschlacht, in der ganz oft der gestern sehr souveräne Manuel Neuer und manchmal auch der gestern recht gnädige liebe Gott helfen musste. Nach 90 Minuten war es somit ein glücklicher Punktgewinn – ein komplett unverdienter war es jedoch nicht.
Drei Spiele liegen hinter Schalke in dieser noch jungen Saison. Zwei guten Auftritten folgte gestern der erste kleine Dämpfer. Dass die Mannschaft aber selbst an schlechten Tagen in der Lage ist, einen Punkt gegen starke Hoffenheimer mitzunehmen, ist eine Tatsache, die mich zuversichtlich stimmt. Diese Zuversicht lasse ich mir auch nicht von Knötterköppen rauben, die fabulieren, Schalke habe “nur” einen Punkt geholt.
Mehr zum Spiel schreibt der kicker. Bewegte Bilder gibt es ab Montag im Videoarchiv von bundesliga.de.
Abgelegt unter Schalke
4 Kommentare zu “Eine Reifeprüfung”
…dem ist nichts hinzuzufügen.
glück auf
Ich habe das Spiel eigentlich auch positiv gesehen, und zwar für Schalke. Auch wenn die Hoffenheimer Abschlüße nicht unbedingt zwingend waren – soviel Schalker Glück habe ich da gar nicht gesehen, abgesehen vom Hosenzieher. Insgesamt war ich recht begeistert angesichts unserer neuen 6, ich denke Jones wird es nicht ganz so leicht haben auf seine Position zurückzukehren, wenn Minero so routiniert weiter spielt. Vielleicht wird sich Jones zumindest bis zum Ende der Saison öfters mal mit der rechten Mittelfeld Seite anfreunden müssen.;)
Felix Magath hat auf und neben dem Platz neue Strukturen geschaffen. Die Mannschaft ist mit ihm offensichtlich auf einem guten Weg. Am dritten Spieltag nun die erste Standortbestimmung der Saison gegen ein spielerisches Spitzenteam der Liga. Und ich bin wirklich zuversichtlich, denn unter Müller/Rutten hätte Schalke ein derart geführtes Spiel lang verloren. Von Spiel zu Spiel, von Punkt zu Punkt und im letzten Heimspiel gegen Bremen wird ein internationaler Platz gesichert. Glück auf!
in sinsheim hat man nie im leben 2 punkte liegen lassen, eher sollte man sagen schalke hat einen punkt geschenkt bekommen. den hoffenheim war klar die bessere mannschaft