Auf Schalke ist schlecht Rollstuhlfahren
Gestern Abend sendete der WDR in seiner vorbildlichen Magazin-Sendung „sport inside“ einen Bericht über die Situation von Rollstuhl fahrenden Fans in der Bundesliga. Leider kann man den Bericht nicht in der WDR-Mediathek abrufen und auch bei Youtube ist er bislang noch nicht aufgetaucht. Aber die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ hat bereits gestern Mittag einen Vorbericht zur Ausstrahlung veröffentlicht, der in weiten Teilen ein Transkript des Beitrages ist. Aufhänger des „sport inside“-Berichtes war die Situation auf Schalke. In der Arena stehen demnach nur 98 Plätze für Rollstuhlfahrer zur Verfügung. In der gesamten Bundesliga sind es rund 2.800, was zwar ebenfalls sehr wenig ist, gleichzeitig aber bedeutet, dass Schalke unterdurchschnittlich wenige Plätze zur Verfügung stellt. Die Versammlungsstättenverordnung schreibe ein Kontingent von „mindestens 1 %“ der Gesamtkapazität als Plätze für Rollstuhlfahrer vor. Heißt: Auf Schalke müssten mehr als 600 Plätze für Menschen im Rollstuhl vorhanden sein – und noch einmal exakt so viele für die Begleitpersonen. Die FAZ zitiert den WDR-Bericht:
Die Verstöße sind eklatant, Gelsenkirchen ist dabei repräsentativ für die Liga: Hier gehen nur 0,15 Prozent der Karten an Rollstuhlfahrer. (…) Auf Nachfrage räumt ein Mitarbeiter im NRW-Innenministerium, zuständig für Sportstättenbau, die Versäumnisse ein.
Der WDR konfrontierte in seinem Bericht Schalkes Geschäftsführer Peter Peters mit Vorwürfen aus Reihen der Behindertenverbände. Demnach nähme ein Platz für einen Rollstuhlfahrer mitsamt Begleitperson (beide zahlen zusammen einen Sozialpreis von 13 Euro) ungefähr den Raum ein, der mit drei bis vier regulären Tribünenplätzen (Stückpreis: ca. 50 Euro) vermarktet werden könne. Peters kontert diesen Vorwurf der Geschäftemacherei mit den Worten:
Am Geld ist hier nichts gescheitert. Wir haben vertretbare Größenordnungen. Optimale können wir nicht leisten, weil wir in allen Kartenkategorien eine deutliche Übernachfrage haben.
Ãœbrigens hat die DFL den Bundesligisten laut „sport inside“ verboten, dass Rollstuhlfahrer-Plätze im Innenraum eines Stadion angeboten werden. Dieses Verbot diene zum Schutz der Fans, die in den zurückliegenden Jahrzehnten auf den Tartanbahnen der „alten“ Stadien im wahrsten Sinne des Wortes im Regen saßen. Einfache Lösungen á la „zusätzliche Rollstuhl-Tribünenrampen in den vier Mundlöchern der Arena“ kann es somit nicht geben. Des Weiteren glaube ich ohnehin, dass die Mundlöcher als Rettungswege freigehalten werden müssen und somit generell als Alternativ-Plätze nicht in Frage kommen.
Doch was kann man dann tun? Wenn die Berechnung stimmt, dass ein Rollstuhlfahrer mitsamt Begleitperson den Raum von etwa vier „regulären“ Plätzen benötigt, müsste Schalke seine Zuschauerkapazität zukünftig um mehr als 1200 senken. Eintrittskarten sind auf Schalke ohnehin schon ein knappes Gut, worauf auch Peter Peters hinweist:
Wem sollen wir etwas wegnehmen?
Ganz ehrlich: Ich weiß es auch nicht! Eine dumme und durchweg ärgerliche Situation bleibt es dennoch. Der „Lösungsvorschlag“ des WDR ist angesichts dessen aber um so abenteuerlicher:
Womöglich könnte alles so einfach sein. Mag sein, dass in einer Arena wie auf Schalke nicht dauerhaft 600 Rolliplätze benötigt werden. Doch wie bereits bei Europapokalspielen aus Stehrängen rasch Sitzplätze werden, könnten sich durch bauliche Änderungen bei Mehrbedarf normale Sitze in Behindertenplätze wandeln.
Sorry WDR, aber was genau ist daran „so einfach“?
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2 Kommentare zu “Auf Schalke ist schlecht Rollstuhlfahren”
Wie wäre es damit, wenn man den Behinderten auf einen – mehr oder weniger – normalen Platz setzt und seinen Rolli solange in der Garage parkt? Das mag vielleicht nicht für alle praktikabel sein (spezielle Sitzposition o.ä.), aber für eine Mehrheit imo schon.
Erste kritische Stimmen gab es ja schon vor mehreren Jahren kurz nach der Eröffnung der Arena, sofern ich mich noch richtig erinnern kann. Dem Verein jedoch böse Absichten zu unterstellen ist natürlich wieder einmal typisch beim Kölner Sender. Eine schlichtweg schlechte Planung kommt da dann auch gar nicht erst in Betracht. In einer der diesjährigen 11 Freunde Ausgaben wurde das Thema auch angesprochen, der Service und die Betreuung des FC Schalke für die Rollis ausdrücklich von den Betroffenen gelobt und als außerordentlich gut bezeichnet. War davon etwas im Bericht des WDR zu hören? Ich glaube nicht. Daß es zu wenig Rolli Plätze in der Arena gibt ist dennoch tragisch, und ich wüßte auch keine Lösung, die nicht mit Umbauarbeiten verbunden sind, die sich der Verein in naher Zukunft garantiert nicht leisten kann. Wenn es nach mir ginge, müßte der Langnese Familienblock dran glauben. Die Karten landen ja eh nur bei Ebay, wenn ich das richtig einschätze. Ich habe da einmal einen Freund aus Hamburg untergebracht, der hatte keinen Spaß. Wirklich nicht.