Hauptsache irgendwas mit 2.0

30. Sep. 2009 | 3 Kommentare

So, das Derby ist jetzt endgültig abgehakt. Ich könnte noch ein paar Sätze zu diesem mittlerweile kindischen Hickhack zwischen Schalke und Dortmund, Neuer und Großkreutz oder Magath und Watzke schreiben, aber warum sollte ich mir die Mühe machen und die Leser dieser Zeilen damit belasten? Ohnehin rauscht der Blätterwald diesbezüglich immer noch beträchtlicher, als es eigentlich erträglich ist. Ãœberhaupt fällt es mir in den letzten Wochen immer schwerer, den morgendlichen medialen Gang durch die diversen Online-Zeitschriften anzutreten, und ich frage mich mit stärker werdendem Bauchschmerz: Was ist eigentlich aus dem Journalismus geworden? Ganz im Ernst! Früher wurde in Foren gepöbelt und gehetzt, in e-Mails wurden mehr oder minder lustige Videos hin- und hergeschickt, in der BILD gab es Titten von in der Frühlingssonne heißgelaufenen Studentinnen (21., macht gerade ein Praktikum in einer Werbeagentur) im Stadtbrunnen zu begaffen und in Blogs versuchte ambitionierte Amateur-Schreiber hintergründig, informativ und manchmal sogar witzig zu sein, was mal besser und mal schlechter gelang. Heute hingegen schafft es jeder Fliegenschiss in die Zeitung, für den man früher noch selbst in den chaotischsten Foren vom Admin geflamet worden wäre. Ein Beispiel gefällig? Da wäre zum Beispiel – und ich meine es hier wirklich nur als „ein“ Beispiel – die „Story“ vom allerneuesten und superhippen, alle Menschen verwirrenden und den Verein angeblich zu einer offiziellen Stellungnahme nötigenden Internetscherz mit einem gefakten Twitter-Account von Felix Magath. Unter der Ãœberschrift „Twitter-Fälschung sorgt für Unklarheit“ schreibt Westline:

Im Internet meldete sich angeblich der S04-Trainer Felix Magath zu Wort. Ãœber Twitter dem Kurznachrichtendienst im Netz […]. Das Problem: […] Der Felix Magath bei Twitter ist nicht der echte Schalker Trainer. Zwar ist die Internetseite auf den ersten Blick professionell aufgemacht – Sponsorenlogos inklusive. Doch Rechtschreibfehler im Begrüßungstext hätten Besucher direkt skeptisch stimmen können.

Soso. Die Internetseite ist also professionell aufgemacht? Kunststück! Die ist ja auch von Twitter, das nach neuesten Schätzungen etwa eine Milliarde US-Dollar wert sein soll. Oder meint die Redaktion etwa das professionelle Foto? Das dürfte – da es sich um ein offizielles Bild handelt – ebenfalls von einem professionellen Fotografen gemacht worden sein. Vielleicht sind es ja auch die professionellen Sponsoren-Logos? Auch hier bin ich mir fast sicher, dass diese nicht von Frau Sinalco, Tante Gazprom, Großcousine Victoria und der Nachbarin von Elke Adidas beim nachmittäglichen Kaffeekränzchen auf den Telefonblock gekritzelt worden sind. Nein, natürlich meint Westline das „Gesamtkunstwerk“ und wahrscheinlich auch die revolutionäre Idee, die dahinter steckt. Das muss man sich aber auch mal vorstellen! Da hat sich tatsächlich ein hochtalentierter Grafiker und Webdesigner darangemacht, in mehrtägiger Expertenarbeit eine Internetseite zu fälschen, auf die man einfach hereinfallen und die für „Unklarheit“ sorgen muss. Gott sei Dank gibt es ja Westline und zum Glück beherrschen die Jungs und Mädels dort die deutsche Rechtschreibung. Wer weiß was passiert wäre, wenn uns Westline nicht auf diese dreiste Fälschung hingewiesen hätte. Schon mal gesehen was passiert, wenn ein WARP-Kern explodiert? So in etwa stelle ich mir das vor!

War das jetzt unfair von mir? Mag sein. Denn auch früher gab es schon „bunte Geschichten“, die nicht unbedingt großen Nachrichtenwert hatten und das Blatt auflockerten. Aber das waren eben auch die Ausnahmen, sozusagen die bunten Tupfer in der seriös recherchierten und fundiert dargestellten Berichterstattung. Heute schaut man anscheinend hingegen einfach nur noch ins Web und sucht … ja was denn eigentlich? Egal, hauptsache irgendwas mit 2.0! Da lobe ich mir ja fast schon die BILD. Die ist wenigstens ihren Möpsen treu geblieben.

Abgelegt unter Fußball allgemein,Schalke

3 Kommentare zu “Hauptsache irgendwas mit 2.0”

  1. tumulderam 30. September 2009 um 16:16 1

    Schön finde ich ja den unterschwelligen und unnötigen Hinweis darauf, wo die Lüge statt fand. Nämlich in diesem Internet, und das auf einer Newsplattform, die schon seit bestimmt 10 Jahren von diesem Internetdingens lebt.;)

  2. matthiaßam 2. Oktober 2009 um 22:32 2

    „Hauptsache irgendetwas mit 2:0“
    Matthias, woher hast Du das gewusst?
    EIN LEBEN LANG!!!

  3. Der gefakte Felix Magatham 9. Oktober 2009 um 23:40 3

    Ich fand es persönlich auch kurios, dass meine Twitter-Fläschung so viel Aufsehen erregt hat.
    Aber andererseits gehts doch wie auch bei der Bild nicht unbedingt um die Wahrheit sondern um die Unterhaltung, vorallem beim Thema Fussball.
    Dieser lebt doch von Gerüchten und Hörensagen.
    Da ist Twitter eigentlich die perfekte Plattform.
    Doch frage ich mich wo Westline einen Rechtschreibfehler gefunden haben soll.
    Außerdem ist so eine „professionelle Internetseite“ in 7min fertig, da man lediglich den Hintergrund bearbeiten muss.
    Foto aus Google, Sponsorenlogos von der Schalke-Website, fertig.

    Aber Hauptsache ist doch: Es gibt Gesprächsstoff und niemand ist zu Schaden gekommen.
    Im Grunde gewinnt hier jeder.

    Grüße, Felix „The Fake“ Magath