Schalke und die Rückkehr der Standards
In der vergangenen Saison erzielte Schalke gefühlte zwei Drittel aller Tore nach Standardsituationen. In dieser Spielzeit schien es zunächst, als seien Tore „aus dem ruhenden Ball“ heraus urplötzlich verpönt. Erst in Köln gelang Jefferson Farfán nach einem Eckball das erste derartige Tor. Es war zu diesem Zeitpunkt immerhin Schalkes sechster Saisontreffer, dem nur noch ein weiterer vergleichbarer folgen sollte: der zwischenzeitliche 1:1-Ausgleich von Benedikt Höwedes im Spiel gegen Wolfsburg. Am Freitag hat Schalke seine Standard-Erfolgsbilanz gehörig aufpoliert. 2:0 hieß es nach größtenteils sehr höhepunktarmen 90 Minuten gegen die Eintracht. Zweimal traf Schalke nach einer Spielunterbrechung. Zunächst Gerald Asamoah nach 66 Minuten und einer Freistoß-Flanke von Lukas Schmitz, anschließend in der 92. Spielminute Jefferson Farfán vom Elfmeterpunkt. Wohl dem, der sich mitten im Umbruch der Spielsysteme in einer schwachen Partie, die klar auf ein torloses Remis hinsteuert, auf seine alten Stärken besinnen kann. Und in dieses Fazit schließe ich Gerald Asamoah ausdrücklich mit ein.
Nein, Gerald Asamoah ist sicherlich nicht Schalkes Zukunft. Der dienstälteste Schalker, der sich 1999 dem Verein anschloss und am Samstag seinen 31. Geburtstag feierte, gehört allerdings keinesfalls zum alten Eisen. Zwei bis drei Jahre Bundesliga auf gehobenem Niveau sind im zweifelslos noch zuzutrauen, insbesondere wenn er sich weiterhin in derart guter körperlicher Verfassung präsentiert, in die ihn das Magathsche Trainingspensum ganz offensichtlich versetzt hat. Dennoch wird seit Monaten gemutmaßt, dass sein Abschied aus Gelsenkirchen unmittelbar bevorsteht. Zunächst schien ja auch sportlich vieles dafür zu sprechen, denn Asamoah hinkte in der Saisonvorbereitung und zum Saisonstart der mannschaftsinternen Konkurrenz deutlich hinterher. Doch urplötzlich tauchte er beim Spiel in Köln im Kader auf, spielte engagiert, bereitete das 1:0 vor und fand sich danach immer häufiger auf dem Spielfeld wieder. Am Freitag war er der Matchwinner, der einem toten Spiel Leben einhauchte.
Tot war das Spiel, weil die Eintracht, die bislang mit Offensivfußball überrascht hatte, auf Schalke so ziemlich alles vermissen ließ, was man ihr zuvor zutrauen durfte und musste. Frankfurt agierte übervorsichtig, legte ausschließlich Wert auf die Spielkontrolle und machte noch nicht einmal den Eindruck, „den einen Konter“ zu suchen. Ein harmloses Torschüsschen von Amanatidis kurz vor der Halbzeit war auch schon alles, was die Gäste im gesamten Spiel zustande bringen wollten. Schalke hingegen tut sich gegen derartig tief und kontrolliert stehende Gegner seit Jahren extrem schwer und auch am Freitag war das Latein der Spieler sehr schnell erschöpft. Levan Kenia, der in den zurückliegenden Spielen häufiger sein Potenzial als Spielmacher aufblitzen ließ, blieb komplett blass, seine Nebenleute Schmitz und Moritz waren ebenfalls zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um wirklich für spielerische Elemente sorgen zu können. Wer will und kann es den Dreien aber auch verdenken? Ich jedenfalls nicht.
Also machte Felix Magath das einzig Richtige. Er erkannte, dass aus dem Spiel heraus nichts gelingen wird, und wechselte den glücklosen Kenia für Asamoah aus. Von nun an sollte es durch Kampf und Wühlen gelingen – und es gelang. Nur acht Minuten nach seiner Einwechslung ist es Asamoah, der nach der strammen Freistoß-Flanke von Schmitz für das erlösende 1:0 sorgt. Ein Tor aus dem Nichts, der Jubel war gerade deshalb aber um so größer.
Danach wurde es für Schalke einfacher. Frankfurt war nun gezwungen, sich aus dem eigenen Schneckenhaus herauszutrauen. Das öffnete Räume für Schalker Konter. In der Nachspielzeit – Frankfurts Schwegler hatte kurz zuvor die Gelb-Rote-Karte gesehen – machen die Blauen den Sack dann zu. Der für den schwachen Kuranyi eingewechselte Ivan Rakitic stopft den Ball auf Farfán durch, der versucht sich frei vor dem zur Halbzeit für den angeschlagenen Nikolov eingewechselten Eintracht-Keeper Zimmermann durchzudribbeln und wird klar vom Schlussmann gefällt. Den fälligen Elfmeter verwandelt der Gefoulte sicher.
Man hat in dieser Saison sicherlich schon bessere Spiele der Schalker gesehen. Vielleicht war der Freitagskick gegen Frankfurt sogar in weiten Teilen ein kleiner Rückfall in unselige Rutten-Zeiten. Doch anders als damals spielte diesmal eine Mannschaft, der die Fans schlechte Spiele gerne verzeihen. Das hat nicht nur mit dem neuen Jugendstil zu tun, sondern auch damit, dass Magath das Leistungsprinzip wirklich kultiviert hat: Wer im Training Leistung zeigt, der spielt. So einfach kann das sein. Am Freitag profitierte dadurch der für viele längst auf der „Abschiebe-Liste“ stehende Gerald Asamoah. Letztendlich aber profitiert davon vor allem Schalke.
Mehr zum Spiel schreibt der „kicker„. Bewegte Bilder gibt es ab morgen früh im Videoarchiv auf www.bundesliga.de. So, und dann lassen wir uns mal überraschen, was die Schalker Finanzkrise in den nächsten Tagen bringen wird. Zwei Wochen bis zum nächsten Spiel sind lang genug, damit auch die letzte Regionalzeitung irgendwo in Deutschland aus dem FTD-Bericht der letzten Woche eine eigene Exklusiv-Reportage mit brandheißen Infos stricken kann.
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Ein Kommentar zu “Schalke und die Rückkehr der Standards”
Ich finde den Post sehr treffend, vorallem der kleine Seitenhieb auf die mediale Welt ganz am Ende. Gut, dass wenigstens wir Schalker uns nicht von dieser Lügerei und Panikmache anstecken lassen. Solange der Felix sagt, dass wir keine akute Not haben, bleib ich da – unabhängig vom Geschreibsel der Hetzer – ganz entspannt.
Glück auf!