Schön gewinnt keine Spiele?
Sebastian Deiser war nie mein Fall. Ich habe ihn als hochtalentierten Fußballer geschätzt, doch die ganze Euphorie um ihn erschien mir damals schon übertrieben. Außerdem spielte er bei der Hertha in Berlin, ein Verein, der mir fast so egal ist, wie der sprichwörtlich umfallende Sack Reis in China. Mit der einen Einschränkung, dass mir der chinesische Küchenjunge, dem der Sack umgefallen ist, schon ein wenig leid tut. Später war Sebastian Deisler dann ständig verletzt und wenn er spielte – ich erinnere mich da an ein Match mit den Bayern auf Schalke – konnte er selbst ziemlich fies und linkisch austeilen. Vor ein paar Jahren verschwand er von der Bildfläche und brachte schließlich den Mut auf, sich in der extrem leistungsbezogenen Bundesliga, in der der Darwinismus täglich gelebt wird, als Mensch mit psychischen Problemen zu outen. Das ringt selbst mir Respekt ab, eben weil für viele eine Depression eher ein Zipperlein denn eine ernstzunehmende Krankheit ist. „Watt? Der is‘ nur depressiv? Kerle, Kerle, ha’m wa ein Glück datta sich nich‘ an sein Fuß verletzt hat!“ Dass ich jedoch einmal in die Siuation kommen könnte, in der ich auf eine Aussage von Deisler, der sich nach einigen zurückgezogenen Jahren derzeit als Autor seiner Biografie wieder in der Öffentlichkeit präsentiert, lauthals „WORD!“ schreie, hätte ich jedoch bei allem Respekt vor seinem mutigen Schritt niemals gedacht. Aus einem Interview mit der“ Zeit“:
ZEIT: Als Herthas Ausrüster Nike Sie bat, in weißen Schuhen zu spielen, haben Sie abgelehnt.
Deisler: Ich hatte damals das Gefühl, schon genug vor den Karren gespannt zu sein. Ich bin kein Entertainer. Und mir gefiel damals schon nicht, wie Nike den Fußball präsentiert hat. Fußball ist für mich keine finstere Schlacht, kein Krieg. Fußball ist doch etwas, das Freude bringen soll, oder?
Ãœbrigens: Auch der Rest des Interviews ist gerade in der bundesligalosen Zeit durchaus lesenswert.
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5 Kommentare zu “Schön gewinnt keine Spiele?”
Ein ähnliches Interview führte er übrigens schon vor zwei Jahren mit dem Tagesspiegel.;)
Bei Jauch (SternTV) war er gestern Abend auch… Für mich scheint es als wolle er ein bisschen PR für sein Buch machen ^^….
Ja klar, natürlich will er das. Ich gehe auch nicht mit jeder seiner Aussagen zu 100% konform. Insbesondere die Aussagen, in denen er das Bundesligageschäft als Ursache für seine Erkrankung und sein Scheitern als direkte Folge derselben darstellt, könnte man auch genauso andersherum interpretieren: er ist nicht gescheitert, weil er durch die Bundesliga krank wurde, sondern weil er krank war, ist er in der Bundesliga unter die Räder gekommen.
@matthias
Aber das sagt er doch explizit, er ist kein Typ für den Profifußball.
Ein interessanter Punkt ist ja, dass er den Knackpunkt der Geschichte in seiner (End-)Zeit bei Hertha sieht. Hat also der uninteressanteste Club Deutschlands den begabtesten Spieler seit Beckenbauer zerstört? Ein schrecklicher Gedanke 😉