Schalke lebt!

26. Okt. 2009 | 6 Kommentare

Ich will gar keinen Hehl daraus machen, dass mich das gestrige Spiel des FC Schalke 04 gegen den Hamburger SV begeistert hat. Es kam dabei einfach zu viel Positives zusammen, als dass ich jetzt das Haar in der Suppe hervorkramen wollte. Natürlich, drei Gegentore und zum Teil in dieser Saison noch nicht gesehene Abwehr-Abstimmungsprobleme böten durchaus Anlass zur Kritik. Aber soll man einen jungen Carlos Zambrano tatsächlich dafür rügen, dass er nicht über die Schnelligkeit verfügt, einem pfeilschnellen Eljero Elia auf dem Flügel zu folgen und auch (noch) nicht über das Auge, eine derartige Situation durch ein etwas besseres Stellungsspiel direkt im Keim zu ersticken. Darf man Manuel Neuer den Vorwurf machen, dass er einen durchaus haltbar anmutenden Freistoß-Kracher von Trochowski nicht – wie sonst – großartig pariert, sondern ausnahmsweise einmal durchrutschen lässt? Und muss man eine Mannschaft geißeln, die nach einer fantastischen Aufholjagd auf Sieg spielt und dabei in den vermeintlich entscheidenden Konter läuft? Ich denke nicht. Zumindest nicht, wenn die Mannschaft derart leidenschaftlich kämpft, wie Schalke gestern. 0:2 zurückgelegen, aufgeholt, dann wieder der Rückschlag in Form des 2:3 und schließlich doch noch der Ausgleich in letzter Minute, dem Sekunden später sogar der Siegtreffer durch Asamoah hätte folgen können – es war ein wirklich großer Fußballabend in der Arena gestern. Das war ein Schalke, wie es mich emotional schon lange nicht mehr mitgerissen hat. Soll der olle Frank Rost vor den Sky-Reportern doch nölen, die Schalker Erwartungshaltung sei wohl im Keller angekommen, wenn die Fans ein 3:3 in einem Heimspiel wie einen Sieg feiern. Er hat lange genug auf Schalke gespielt, um zu wissen, dass es derartige Spiele wie gestern ganz, ganz selten gibt. Schalke – und das ist die wichtigste Erkenntnis von gestern – lebt! Auf dem Feld und auch auf den Rängen.

Dabei hatte der Fußballnachmittag gar nicht nach dem Geschmack der 60.000 Fans in der Arena begonnen. In einer druckvollen Anfangsphase präsentierten sich beide Teams zunächst hellwach, dann nimmt sich Schalke nach etwa 20 Minuten eine kleine Auszeit und gestattet es dem HSV, die Kontrolle über das Spiel an sich zu reißen. Immer wieder deutet der Gast an, dass er sein Glück in schnellen Kontern über den wirklich beeindruckend flotten Elia suchen will und in der 26. Minute klappt es dann: ein schneller Flankenlauf des Niederländers, ein nur halbherzig nachsetzender Zambrano, der mustergültige Pass von der Grundlinie in den Strafraum, das saubere Abstauben des lauernden Markus Berg: das Hamburger 1:0 war wirklich ein sehenswerter Angriff, da gibt es nichts zu deuteln.

Schalke suchte die direkte Gegenantwort. Nur Sekunden nach dem Rückstand tauchen Kuranyi, Farfan und Altintop frei vor Rost auf, der ballführende Kuranyi versucht es selbst und „übersieht“ seine besser postierten Mannschaftskollegen. Rost pariert die 1:1-Situation, wie er es bereits in der Anfangsphase bei einem ähnlichen Angriff im Duell gegen Farfan getan hatte. Schade – die 100%ige Möglichkeit zum Ausgleich wurde fahrlässig weggeworfen. Überhaupt machte Kuranyi in der ersten Halbzeit eine denkbar unglückliche Figur und war für viele der erste Kandidat für eine Auswechslung in der Halbzeit. Dass Felix Magath zu den wenigen gehörte, die dies anders sahen, sollte sich später noch als großer Glücksfall erweisen.

Die vergebene Chance zum postwendenden Ausgleich lähmte die Schalker Angriffsbemühungen in der Folgezeit. Auch Schiedsrichter Manuel Gräfe sorgte dafür, dass bis zum Seitenwechsel nur noch wenig Spielfluss aufkommen wollte, indem er in den „Nickelig-Modus“ umschaltete und fortan jede Berührung im Mittelfeld nutze, um das Spiel für einen Freistoß zu unterbrechen. So war es denn auch eine Standardsituation, die den letzten Akzent der ersten 45 Minuten setzte. Aus fast 30 Metern trat Trochowski zum Freistoß an und donnerte den Ball in den Winkel. Wie bereits gesagt: Hier sah Manuel Neuer nicht wirklich glücklich aus. Dafür hatte er kurz zuvor einen Schuss Trochowskis aus knapp 15 Metern noch grandios pariert.

So stand es zur Halbzeit 2:0 für die Gäste und die Hoffnung war weitestgehend dahin. Dennoch – und das ist auch eine positive Eigenart dieses „neuen Schalke“ – gab es zur Pause keinen einzigen Pfiff im Stadionrund. Und obwohl die Vergangenheit mir in langjähriger Kleinarbeit gelehrt hat, dass ein 0:2-Pausenrückstand gleich bedeutend mit einer sicheren Niederlage ist, ging ich doch noch mit einem Fitzelchen Hoffnung in den zweiten Spielabschnitt. Diese Hoffnung hätte in den ersten Minuten des zweiten Spielabschnitts freilich schnell dahin sein können, wenn Pitroipa seine Riesenchance zum 3:0 genutzt hätte. Durchatmen! Aber nicht zu lange, denn im Gegenzug sendet Schalke ein Lebenszeichen. Eine weite Flanke von Rafinha, ein Kopfball von Kuranyi und der Ball klatscht an Rost vorbei vom Pfosten ins Netz. Das 2:1 aus heiterem Himmel wirkte wie eine Initialzündung. Denn plötzlich lief es bei Schalke wieder – und auch bei Kuranyi. Er ist es, der nach knapp 60 Minuten einen Abwehrpatzer von Rozehnal nutzt und sich frei vor Rost wiederfindet. Kuranyi legt sich den Ball vor, will abziehen, doch dann rauscht Rozehnal mit einem langen Bei von hinten heran und fällt den Schalker Stürmer einen Meter vor dem Strafraum. Schiedsrichter Gräfe zögert keine Sekunde und entscheidet auf Notbremse. Ab der 60. Minute führte der HSV zwar noch, musste fortan jedoch in Unterzahl agieren.

Zum fälligen Freistoß trat Marcelo Bordon und machte das, was er kann: draufhalten! Ungebremst saust der Ball an der Mauer vorbei, Rost kommt mit der Handkante noch an den Schuss und wehrt ihn an die Latte ab, muss dann aber zusehen, wie Lukas Schmitz per Kopf zum 2:2 abstauben kann. Jetzt stand die Hütte Kopf!

Felix Magath wollte die nun greifbare Euphorie nutzen und setzte auf Offensive. Nachdem Schalke auch in den Minuten nach dem Ausgleich spielbestimmend blieb und einige gute Möglichkeiten ungenutzt ließ, wechselte er Levan Kenia für den Torschützen Schmitz ein. Doch beinahe wäre dieser Wechsel – wie bereits beim Spiel gegen Wolfsburg – voll nach hinten losgegangen. Denn Kenia war kaum auf dem Platz, als ein einziger Konter der Hamburger und ein sehenswertes Solo von Ze Roberto Markus Berg frei vor Neuer in Position brachte. Mitten in die Schalker Druckphase setzte der HSV das 3:2 – ein gefühlter Weltuntergang!

Doch Schalke gab sich nicht auf. Mit der Brechstange bearbeitete die Elf in den letzten Minuten das Hamburger Tor und wurde schließlich belohnt. Eine weite Flanke von Westermann ist gefühlt etwa drei Minuten in der Luft, Rost eilt etwas geistesabwesend wirkend durch seinen Fünfmeterraum, Kuranyi steigt unbedrängt hoch und köpft ins leere Tor ein. In seinem Rücken hätte mit Asamoah übrigens ein weiterer Abnehmer gelauert. Weiß der Teufel, was sich Hamburgs Abwehr in dieser 89. Minute dachte – mir ist es aber egal. Und beinahe wäre es noch besser gekommen, denn in der Nachspielzeit ist es auf einmal der eingewechselte Asamoah, der völlig frei vor Rost aus knapp sechs Metern zum Kopfball kommt. Asamoah hätte sich die Ecke aussuchen können, entschied sich jedoch für die Mitte und fand dort genau die fangbereiten Arme des Keepers. Sei’s drum: Auch das 3:3 fühlte sich nach diesem Spielverlauf wie ein Sieg an.

Schalke lebt. Daran ändert auch die fortwährende Berichterstattung über die Finanzsituation nichts. Im Gegenteil ist es wirklich beeindruckend, wie cool die Mannschaft mit der Situation umgeht. Aus einem Trümmerhaufen hat Felix Magath in nicht einmal vier Monaten eine Mannschaft geformt, der man wieder gerne beim Fußballspielen zuschaut. Danke!

Mehr zum Spiel schreibt der kicker. Bewegte Bilder der Partie gibt es auf www.bundesliga.de. Und wer scharf darauf ist, den aktuellen Fantastilliarden-Minuskontostand von Schalke einzusehen, schaut einfach mal auf Google-News vorbei. Ich werde es mir ersparen.

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6 Kommentare zu “Schalke lebt!”

  1. matthiaßam 26. Oktober 2009 um 22:53 1

    Die zweite Halbzeit war der Wahnsinn. Beim Rundblick durch die Ränge habe ich gedacht, dass wirklich niemand gegangen ist. Die Hütte war noch voll. Schade für die Leute, die nach dem 2:3 aufgebrochen sind. Und wenn das 4:3 gefallen wäre…, …wäre die ganze Arena ins All abgehoben. Mit der Schulter wäre er drin gewesen. Wäre!
    GLÜCK AUF!

  2. Chrisam 27. Oktober 2009 um 02:06 2

    Hallo,
    STVO ist Dir sicherlich ein begriff, aber einfach zu sagen: Öhm ich gehe nicht zu einer Verhandlung, weil ich zu schnelll war … ist eine andere Sache! Sorry der FS sollte Dir für mindestens 5 Jahre entzogen werden! mit über 30 KMh ist das Urteil nur ein …. was wäre wenn Kinder aufgrund Deiner Fahrweise zu schaden (Tode) gekommen werden??? Sorry diesmal ist nichts passiert, aber beim nächsten mal?

  3. Matthiasam 27. Oktober 2009 um 02:11 3

    Mist, du hast mich entlarvt. Ja es stimmt. „Schalkefan.de“ bzw. „Matthias in der Weide“ sind nur ein Pseudonym von Felix Magath. Jetzt ist es raus.

  4. Beneam 27. Oktober 2009 um 12:04 4

    Einer schöner Off-Topic-Kommentar, in der zweiten Person singular, ich sehe hier gar das wunderbare Stilmittel einer Apostrophe (hierbei wird gerne eine abwesende Person, z.B. ein (Fußball-)Gott angesprochen)! Wenn ich mich jetzt allerdings vertue, passt der Einwurf jedoch besser in die Bild…

    Aber ich halte es für nicht überraschend, dass „schalkefan.de“ bzw. „Matthias in der Weide“ tatsächlich Felix Magath ist; dass haben wir uns doch alle schon mal gedacht. Die Ähnlichkeit ist ja verblüffend. Dass diese Charade aber schon bestand, als Felix noch WOB-Trainer war, ist allerdings um so bemerkenswerter (fand doch das unfassbare automobile Verbrechen zu einer Zeit statt, als Felix noch gar nicht beim legendären S04 angeheuert hatte).

    PS: Ich hoffe, die drei Punkte werden zeitnah dem S04 in der Tabelle gutgeschrieben…

    PPS: Homer Simpson schreibt sogar Leserbriefe an Filme (Lieber Die Hard…)

  5. tumulderam 27. Oktober 2009 um 14:04 5

    Hallo Felix,

    mach dir nix draus. Ich bin sogar schon mal 67 km/h zu schnell gefahren. Passiert halt mal, wenn man nicht aufpaßt. Bei mir hat die Strafe finanziell ganz schön reingehauen, und die letzten 2 Wochen der 2 Monate ohne Führerschein waren zäh wie Kaugummi. Solange die Mannschaft aber von Spieltag zu Spieltag wächst, ist das doch alles völlig schnurz. Frag mal bei Schnusi oder Tönnies nach, ob sie dir ne Connection zu unserem alten Rene in Holland besorgen können. Habe gehört, der springt gerne mal als Fahrer ein.

  6. Jochenam 27. Oktober 2009 um 18:39 6

    Ich bin auch immer noch hin und weg. Das war streckenweise Champions-League-Niveau! Bei Felix wird die Mannschaft von Spiel zu Spiel deutlich sichtbar besser. Da kann man sich nur auf die Rückrunde freuen und alle anderen müssen sich warm anziehen.