Neues von Zé Roberto II
Es war nur eine kurze Meldung, die ich am Wochenende eher beiläufig aufschnappte: Zé Roberto II, Schalkes in die Heimat ausgeliehener weil in Ungnade gefallener Star-Einkauf des Winters 2007/2008, schaffte mit dem brasilianischen Traditionsverein Flamengo Rio de Janeiro das kleine Fußballwunder und holte die erste nationale Meisterschaft seit 17 Jahren. Am letzten Spieltag der „Campeonato Brasileiro“ gewann „Fla“ mit 2:1 gegen Gremio Porto Alegre und konnte so den 2-Punkte-Vorsprung gegen die Verfolger Internacional und den Vorjahresmeister FC Sao Paulo über die Ziellinie retten. Nach der Hinrunde hatte Flamengo noch abgeschlagen auf dem zehnten Rang der 20-Liga gelegen, satte 10 Punkte hinter Tabellenführer Palmeiras. Doch dann folgte eine fulminante zweite Serie, die letztendlich in der unerwarteten Meisterschaft mündete. Wie gesagt: Zunächst war es nur eine kurze Meldung, die mich nicht sonderlich interessierte.
Doch dann erreichte mich eine – ebenfalls nicht viel längere – Mail meines langjährigen Internet-Freundes Horst Ochmann, einem glühenden und stets optimistischen Schalke-Fan, der seit nunmehr fünf Jahrzehnten Brasilien seine Heimat nennt. Horst schrieb, er gehe nicht davon aus, dass Flamengo Zé Roberto II – offiziell ja nur bis zum Jahresende ausgeliehen – nun wieder ziehen lassen werde, da er die Stütze der Meistermannschaft gewesen sei und sich sogar Hoffnungen auf eine WM-Teilnahme machen könne. Das ließ mich aufmerken. Hatte Horst da tatsächlich von „unserem“ Zé Roberto – dem Zero Berto – geschrieben? Das letzte, was ich von dem Vogel mitbekommen hatte, war, dass er in Brasilien auch schon längst wieder in Ungnade gefallen war und von Flamengo abgeschoben werden sollte. Und jetzt soll er die treibende Kraft hinter der Meisterschaft gewesen sein? Ich fragte nach und erhielt eine ausführliche und aufschlussreiche Antwort aus erster Hand, für die ich dem viel beschäftigten Horst sehr danke und die ich an dieser Stelle einfach mal ungefiltert weiterreichen möchte.
Als Zé Roberto Ende 2008 von Schalke zu Flamengo kam, machte er eine sehr gute Saisonvorbereitung. Als die brasilianische Meisterschaft im März begann, war er für die Stammformation gesetzt. Doch gleich danach wurde er wackelig. Seine Form fiel total ab, auch weil er wieder über die Stränge schlug – dieser Lebemann. Enttäuscht wollte Flamengo ihn wieder abschieben, und, im Mai, kam sogar ein Vertrag zustande, wonach Zé Roberto zu Cruzeiro Belo Horizonte wechseln sollte. Das Geschäft kam nicht zustande. Es scheiterte an Zé Robertos Gehaltsansprüchen.
Doch dann kam der Umbruch und Zé Roberto bewies sich als der Spielgestalter bei Flamengo, der einen großen Anteil am Erringen der Meisterschaft für sich verbuchen kann. Es ist noch nicht lange her, da dümpelte Flamengo im oberen Mittelfeld herum und niemand sah irgendwelche Chancen für eine Teilnahme an der ‚Libertadores‘ (dem südamerikanischen Gegenstück zur Champions-League der UEFA). Doch Flamengo machte ein steiles Finish und überrundete sechs bis sieben Groß-Vereine, die vor dem Team lagen.
Dieser Erfolg beruht im Wesentlichen auf dem Einsatz und der Spielkunst von Zé Roberto. Ich sah ihn ein paar Mal und war angetan von seiner Energie, Umsicht und Entschlossenheit in Mittelfeld und Sturm, wo er Adriano (dem Torschützenkönig der gerade beendeten Saison) die „richtigen“ Bälle auf den Fuß spielte.
Das hat die Meinung der Flamengo-Clubführung grundsätzlich geändert – etwa im September/Oktober. Und als der Schalke-Abgesandte im späten November zu Verhandlungen nach Rio kam, stand der Verbleib von Zé Roberto bei Flamengo bereits fest. Finanziell wurde das so geregelt: Der Preis für Zé Roberto II wird auf zwei Millionen Euro gesetzt; davon abgezogen werden 175.000 Euro, die Schalke für das Ausleihgeschäft (Ende 2008/Anfang 2009) kassierte. Für den Restbetrag ist Schalke bereit Ratenzahlungen zu gewähren. Da Flamengo nun in der ‚Libertadores‘ ist, kann ich mir vorstellen, dass das Geld da ist, um Schalke bezahlen zu können. Unter anderen Verhältnissen wäre das Geld nicht da gewesen.
Bis hier, praktisch, die Tatsachen. Ich gebe nun meinen Senf dazu ab, hinsichtlich des hypothetischen Vorteils, Zé Roberto als Element in einer Schalker Mannschaft zu haben.
Nimm‘ zum Beispiel, das Spiel von gestern. Zé Robertos unberechenbare Spielzüge hätten ein erstes Tor schon nach maximal 20 Minuten gebracht. Ich erinnere da an seinen einzigen Einsatz in einem Bundesliga-Spiel, als er in der Minute seiner Einwechslung sein Tor machte. Er ist ein „verbesserter“ Lincoln: Weitaus objektiver, emsiger und energischer.
Nichts gegen unsere Mannschaft von gestern gegen Hertha. Wenn Schalke mit der so weiter macht – sich, erwartungsgemäß, verbessernd – ist ein dritter Platz für 2009/2010 durchaus möglich. Das ist keine utopische Prognose – ich setze darauf! Aber dann ist Schalke in der Champions-League und mit der jetzigen – obwohl sich verbessernden Mannschaft – hat Schalke im internationalen Wettkampf nicht einmal eine Minimalchance. Für so etwas wie die Champions League braucht man einen ‚Typ‘ Zé Roberto. Aber der bleibt, zunächst, bei Flamengo.
Ist auch gut so. Gelsenkirchen ist nicht Rio. Noch nicht einmal Mailand, wo Adriano bei Inter an Depressionen zu leiden hatte, ist Rio. Adriano musste nach Rio zurück, um seine Seele zu heilen. Gelsenkirchen oder Wolfsburg sind lediglich für die Ausnahmefälle unter den Brasilianern gut: siehe Bordon und Josué. Rafinha, seit kurzem, mit Abstrichen.
Soweit die Mail von Horst, die ich unter anderem deshalb so interessant finde, weil sie ein völlig neues Bild von „Zero Berto“ zeichnet. Für die brasilianische Presse, für Zé Roberto und für die Clubführung von Flamengo scheint sein Verbleib in Brasilien längst beschlossene Sache zu sein. In deutschen Zeitungen liest man nach wie vor, Felix Magath erwarte Zé Roberto zum Start der Rückrunden-Vorbereitung zurück in Deutschland, um sich ein Bild von dem Spieler machen zu können.
Doch selbst wenn Zé Roberto im Januar auf Schalke erscheinen sollte – er wäre nicht der erste Brasilianer, der einfach mal untertaucht – frage ich mich, ob es wirklich sinnvoll ist, ihn zum Bleiben zu „zwingen“? Ich denke nicht!
Wenigstens aber scheint sich finanziell etwas zu bewegen. Wer hätte gedacht, dass ein brasilianischer Meistertitel gut 1,8 Millionen Euro in die klammen Schalker Kassen spülen könnte?
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7 Kommentare zu “Neues von Zé Roberto II”
Die Erklärung hätte ich auch noch angefordert, aber das kann ich mir jetzt sparen 😉
Denke auch, dass er bei uns nicht glücklich werden würde. Bei den Jungs vom Zuckerhut spielt der Kopf eine wesentliche Rolle und da
bin ich Deiner Meinung: Die 2 Mio einsacken und in einen anderen investieren.
Ich glaube das gerne. Ein Mensch ist ein Mensch ist ein Mensch. Das gilt im übrigen nicht nur für Brasilianer.
Mit herzlichem Dank an den „Auslandskorrespondenten“ 🙂
Sehr interessante Infos, vielen Dank !
Freue mich für Ze Roberto! Ich hatte es ihm in Brasilien gegönnt. Deutschland und speziell der Pott sind aber, wie du schon richtig gesagt hast, ganz andere Umstände für einen Brasilianer. Selbst ein Rafinha, der schon seit 6(?) Jahren in Deutschland lebt, tut eine Pause in Brasilien gut.
Ich denke, dass der Verbleib von Ze Robert für Flamengo deshalb so klar scheint, weil sie von unserer „Finanznot“ Wind bekommen haben.
Magath hält Phrasen dagegen, da er vielleicht noch mehr Geld als die 2 Millionen von Flamengo will. Schließlich wurde die Kaufoption für Flamengo auf 4,5 Millionen dotiert und das ist ja wohl ein Unterschied.
Ich würd es ihm gönnen, wenn er da bleibt wo es ihm momentan so gut geht. Schließlich weiss man nicht, auch wenn er von deinem Freund hoch gelobt wird, wie er bei Schalke auftreten würde.
lieben Gruß
Roberto
Vllt. könnte Albert Streit auch in Brasilien aufblühen…
Ich denke, dass der Verbleib von Ze Robert für Flamengo deshalb so klar scheint, weil für Brasilien offensichtlich ein anderes internationales Fußballrecht gilt. Wer dahin (zurück-)“flüchtet“, darf auch da bleiben. Einsprüche verlaufen im Sande oder irgendein Gericht setzt einen im Verhältnis zu Fußball-Ablösesummen lächerlichen Entschädigungsbetrag an, für den dann alle still zu sein haben.
In der heutigen PK hat Felix Magath jedenfalls jegliche Einigung, sogar Verhandlungen deutlich dementiert, siehe hier: http://is.gd/5isE8 (ab 24m30s).
Der Kommentar von Horst blüht natürlich vor Sehnsucht nach einem passenden 10 für Schalke. Aber die These zum Tor innerhalb der ersten 20 Minuten gegen Hertha halte ich für gewagt. Etwas ärgerlich macht mich der Vergleich mit Lincoln, von wegen emsiger und energischer. Lincoln, so langweilig mancher Auftritt auch war, hatte lange Zeit den Ehrgeiz, die Einstellung und das Talent, um es zu einem der besten Mittelfeldspieler der Bundesliga und der türkischen Süper Lig zu bringen. Lincolns Transfer war für Schalke ein echter Glücksgriff.