Und dann explodierte der Block
Ich habe in meinem Leben so viele Fußballspiele in den unterschiedlichsten Ligen und Stadien gesehen, dass ich nicht einmal ansatzweise einen Tipp abgeben könnte, wie viele es tatsächlich waren. Ich habe einige tolle Spiele gesehen und einige große Siege und Titel der Schalker. Das Spiel am Samstag in Berlin war sicherlich kein großes Spiel, dennoch weiß ich: Wegen Erlebnissen wie diesen bin ich Fußball-Fan und werde es auch noch verdammt lange bleiben. Im Nachhinein ist es ganz egal, dass die Leistung der Königsblauen über weite Phasen unterirdisch war, dass man beim Tabellenletzten zeitweise drohte unterzugehen. Denn als Heiko Westermann in der 87. Minute den Ball über die Linie drosch, explodierte der Gästeblock in einer Art und Weise, wie ich es sehr lange nicht mehr erlebt habe. Das ist Fußball! Man sieht 86 Minuten lang mittelmäßigen Bundesliga-Fußball und dann ist es der Bruchteil einer Sekunde, der Alles ändert. Ein Bruchteil einer Sekunde, der eine bislang schon außerordentlich erfolgreiche Saison krönt und die Hoffnung auf das gewisse Etwas weiterleben lässt. Für diesen Bruchteil einer Sekunde muss man den Fußball einfach lieben. Zumindest wenn man Fan des FC Schalke ist. Als Herthaner sieht man das wahrscheinlich anders.
Zum Spiel: Was zunächst recht hübsch begann – beide Mannschaften erarbeiteten sich bei prachtvollem Wetter bereits in der Anfangsphase die ersten Chancen – wurde mit fortlaufender Spieldauer immer träger. Gerade als das Spiel drohte gänzlich im fußballerischen Nichts zu versinken, sorgte Schiedsrichter Drees für den Aufreger des Tages. Herthas von Bergen hatte nach einer halben Stunde eher ungeschickt denn gewollt Kevin Kuranyi im Strafraum zu Fall gebracht, den fälligen Elfmeter gab es nicht. Wer weiß, was sich für ein Spiel entwickelt hätte, wenn es nach 30 Minuten 1:0 für Schalke gestanden hätte? Ich wage den Tipp: Schlechter wäre die Partie sicherlich nicht geworden.
So aber blieb es beim 0:0, mit dem es auch in die Kabinen ging. Zurück aus der Halbzeit kontrollierte Schalke das Match weiter, bis die Kunde von Galdbachs 1:0 gegen Bayern die Runde. Eigentlich eine Steilvorlage für die Mannschaft – doch genau das Gegenteil trat ein. Schalke verkrampfte. Selbst einfachste Bälle gelangen nicht mehr. Die wenigen Chancen, die man sich in dieser Phase erarbeitete, wurden fahrlässig vergeben. Jefferson Farfán hatte gleich mehrfach den Abschluss auf dem Fuß, entschied sich dann aber immer wieder für das Abspiel, verfehlte potenzielle Abnehmer dabei aber zumeist meilenweit. An Hao Junmin konnte man am Besten sehen, dass die Nachricht aus Mönchengladbach eher eine Last denn eine Lust war. Der Chinese hatte in den ersten 45 Minuten viele gute Szenen und brachte sich toll ins Angrifsspiel ein. Spätestens ab der 60. Minute aber stand er völlig neben sich und war fortan ein ständiger Unsicherheitsfaktor. Stichwort Unsicherheitsfaktor: Als derartiger präsentierte sich auch Heiko Westermann. Dem Mannschaftskapitän war anzusehen, dass er etwas reißen wollte – gelingen wollte ihm jedoch Nichts. Nicht wenige im Gästeblock waren sich einig, dass Westermann der schlechteste Spieler auf dem Feld war.
Normalform und etwas mehr zeigte in dieser trostlosen Phase nur Manuel Neuer. Ihm allein war es zu verdanken, dass Schalke nicht unterging. Gegen Raffael und Gekas rettete er nach gut 70 Minuten sensationell, beim Schuss von Cicero, der in der 67. Minute Herthas stärkste Phase eröffnete, hatte Neuer Glück, dass Bordon den Ball noch von der Linie kratzen konnte.
Erst als die Anzeigetafel den Münchner Ausgleich in Gladbach anzeigte, wurde Schalke wieder etwas sicherer. Man löste sich vom kurzen aber heftigen Hertha-Angriffsdruck und steuerte zumindest auf ein sicheres Unentschieden zu. Ein Unentschieden wäre letztendlich das gerechte Ergebnis gewesen. Dass Fußball nicht gerecht ist, muss ich hier allerdings nicht weiter erörtern. Und deshalb durfte Westermann, ausgerechnet Westermann, in der 87. Minute abstauben, als Drobny einen Kopfball von Farfán nach vorne abprallen ließ. Die Flanke zum Kopfball hatte übrigens Sanchez geliefert, der in der Schlussphase – für meinen Geschmack viel zu spät aber letztendlich dann doch noch rechtzeitig – für Hao gekommen war.
Die Champions-League Teilnahme ist durch den Sieg in Berlin nun rechnerisch gesichert. Zwei Spieltage vor dem Saisonende hat Schalke viel, viel, ganz viel mehr erreicht, als selbst die größten Optimisten es für möglich gehalten hätten. Es ist schlichtweg unglaublich, was dieses Team, das in der vergangenen Saison noch auf ganzer Linie versagt hatte und lediglich mit Spielern aus der dritten und vierten Reihe „verstärkt“ wurde, in der Saison 2009/2010 geleistet hat. Schalke hat Nichts mehr zu verlieren. Alles was kommt, ist reine Zugabe. In den nächsten zwei Spielen können wir uns locker zurücklehnen und einfach genießen. Ich zumindest werde es so machen. Mehr zum Spiel schreibt der „kicker„.
Soviel zum Sportlichen. Abseits der 90 Minuten verbrachte ich zusammen mit 17 weiteren Mitgliedern unseres Fanclubs Monasteria aus Münster ein verlängertes Wochenende in der Haupstadt. Nachfolgend ein paar Impressionen des Tripps.
Mit dem IC von Münster nach Berlin. Man kann über die Bahn meckern wie man will, aber letztendlich ist die Anreise mit dem Zug doch die entspannteste Möglichkeit für Auswärtstripps.
Ankunft am Berliner Hauptbahnhof.
Freitagmittag in Friedrichshain. Die Zeit bis zum Check-In im Hostel konnten wir sinnvoll füllen.
Samstag, zwei Stunden vor dem Spiel. Die Terrasse am Olympiastadion war wie immer der zentrale Anlaufpunkt für alle Schalker.
Wir haben bezahlt, wir haben gesiegt, wir können jetzt gehen. Mach’s gut, Hertha.
Sonntag. Nach einer kurzen Nacht, die sich größtenteils in einer Sportsbar in Friedrichshain abspielte, entschlossen wir uns dazu, eine dreistündige Spreerundfahrt zu absolvieren.
Da kiekste, wa! Der Genscher mit einem ganz hässlichen Fanschal.
Ein Haus mit einer Wiese davor.
Wow! Pink Floyd spielt mal wieder „The Wall“ am Brandenburger Tor! Doch zu früh gefreut – ist doch kein fliegendes Schwein. Schade.
Ich habe echt gesucht, aber weder Gelsenkirchen noch Schalke oder die Grenzstraße sind auf dieser angeblichen Weltzeituhr zu finden. Das wäre ein Reklamationsgrund gewesen. Kein Wunder, dass die real existierenden Sozialisten ihren Laden letztendlich verbimmeln mussten. Stümper!
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Ein Kommentar zu “Und dann explodierte der Block”
Danke für die tollen Eindrücke. Sieht nach einem genialen Wochenende aus, nicht nur was die Punkteausbeute betrifft….