Heiko Westermanns Abschied

19. Jul. 2010 | 4 Kommentare

Seit Monaten schon wurde Heiko Westermann (im stetigen Wechsel mit Benedikt Höwedes) entweder mit dem Hamburger SV oder mit dem VfL Wolfsburg in Verbindung gebracht. Zumeist jedoch auf “transfermarkt.de-Niveau”, sprich: ohne größere Substanz. Das hat sich heute in einer Blitzaktion geändert. Sollte er sich auf dem Weg nach Hamburg, auf dem sich Westermann gerade befindet, nicht beide Beine brechen, wird er am Dienstag oder Mittwoch als Neuzugang der Hanseaten vorgestellt. Angeblich soll Schalke für den ursprünglich bis 2014 gebundenen Abwehrspieler eine Ablöse in Höhe von 7,5 Millionen Euro erhalten. Ob es jetzt in der Tat so viel ist, oder doch ein paar Hunderttausender weniger, sei einfach dahingestellt. Es bleibt dennoch eine fürstliche Summe und damit der erste nennenswerte Transfererlös seit dem Wechsel von Fabian Ernst in die Türkei zum Start der vorvergangenen Rückrunde.

Schalke muss sparen. “Sparen” bedeutet einerseits, ganz klassisch die Ausgaben zu reduzieren. In der Politik und im Sport besitzt “sparen” aber auch die Bedeutung von “Einnahmen generieren”. Genau das haben die Königsblauen im letzten Jahr durch Ligaplatz Zwei, den Einzug in die Champions-League, der Teilnahme am DFB-Pokal-Halbfinale und nicht zuletzt durch saftige Eintrittspreiserhöhungen zur kommenden Saison zwar getan, jedoch deutete sich zuletzt nach einer ziemlich langwierigen Knötterrunde von Felix Magath an, dass die erwarteten 20 Millionen Euro Mehreinnahmen direkt wieder reinvestiert werden sollen. Von “sparen” kann da also keine Rede sein.

Gespart hat Schalke in den letzten Wochen allerdings beim Gehalt. Mit Kevin Kuranyi ging der verlässlichste Torelieferant der letzten Jahre von Bord, aber eben auch der Top-Verdiener. Dass jetzt ausgerechnet mit Madrids Raul ein Kandidat in der Pipeline steht, der sicherlich nicht für einen warmen Händedruck spielen wird, steht zunächst auf einem anderen Blatt. Verabschiedet wurde auch Gerald Asamoah, der subventioniert nach St. Pauli abgegeben wurde. Die Ersparnis in diesem Fall soll bei ca. 1,5 Millionen Euro im Jahr liegen – kein Pappenstiel. Und dann ist da natürlich auch noch Marcelo Bordon, der in den Orient verschenkt wurde und nun seinen Gehaltsscheck in Katar bezieht. Deutlich geringer dürfte der Spareffekt beim an St. Pauli abgegebenen Carlos Zambrano ausgefallen sein, oder bei Jan Moravek, der wie Zambrano auf Leihbasis wechselte, allerdings zum anderen Aufsteiger nach Kaiserslautern. Kuranyi, Bordon und Asamoah schlagen also als echte Batzen in die Sparbilanz ein, der Rest ist eher zu vernachlässigen. So gesehen ist es sinnvoll und konsequent, dass mit Westermann nun auch ein vierter Großverdiener abgegeben wurde, und diesmal sogar gegen ein stattliches Entgelt.

Doch auch wenn man die finanzielle Seite einmal außen vor lässt, ist der Wechsel für mich von einer gewissen Sinnhaftigkeit umgeben. Sportlich gesehen gehörte Heiko Westermann leider zu den Verlierern der letzten beiden Jahre. Von der Sicherheit, mit der er insbesondere in seinem ersten Jahr auf Schalke auftrat und die ihn als Shootingstar in die Nationalmannschaft beförderte, war zuletzt nicht mehr ganz so viel zu sehen. Das mag vielleicht auch daran gelegen haben, weil er unter Magath überall spielte, nur nicht auf seiner bevorzugten Position des Innenverteidigers. Jedoch war es doch einst gerade die Flexibilität, die Westermann stark machte.

Die Übernahme der Kapitänsbinde wirkte sich zuletzt zusätzlich geradezu lähmend auf ihn aus. Das sahen längst auch neutrale Beobachter so, die offen über einen Wechsel der Kapitänsbinde spekulierten. Kurzum: In der letzten Saison war Heiko Westermann objektiv gesehen nach Rafinha, Bordon und Höwedes der schlechteste Stamm-Abwehrspieler.

Nach aktuellem Stand von heute besteht die Schalker Abwehr der kommenden Saison aus Höwedes, Metzelder, Rafinha, Hoogland, Papadopoulos und Uchida. Außerdem stehen mit Matip und Moritz noch zwei Youngster aus dem letzten Jahr bereit, die ebenfalls in der Defensive eingesetzt werden können. Acht Spieler für vier Positionen – das müsste unter normalen Umständen eigentlich reichen. Vielleicht wird Schalke in der kommenden Saison nicht mehr die zweitbeste Abwehr der Liga stellen, aber eine Schießbude werden die Blauen nach menschlichem Ermessen auch nicht abgeben.

Nichts desto trotz bleibt natürlich eine Frage, nämlich die, ob der Abgang von Heiko Westermann bei all’ diesen Überlegungen nicht doch eine sportliche Schwächung darstellt? Ja sicher! Westermann war trotz seiner Defizite der letzten 12 bis 18 Monate immerhin nicht ganz zu Unrecht Nationalspieler. Aber es ist nun einmal auch eine Schwächung, die man für 7,5 Millionen Euro in der aktuellen Schalker Finanzlage einfach hinnehmen muss.

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4 Kommentare zu “Heiko Westermanns Abschied”

  1. hellwacham 20. Juli 2010 um 14:53 1

    In dem von dir auf Twitter zitierten Interview fordert Magath Vertrauen ein und begründet dies mit den Erfolgen der vergangenen Saison. Ich täte dies gern, vertrauen. Mir fiele es leichter, gäbe Magath eine plausible Erklärung. Dafür, einen defensiv universell einsetzbaren -auch als linker Außenverteidiger- Westermann, den er vor einem Jahr zum Kapitän gekürt hat, gegen einen vermutlich etwa gleich teuren Fucile, einschließlich der üblichen Eingewöhnungs-, Sprach- und sonstiger Probleme zu tauschen. Insofern stimme ich auch deinem Fazit nicht zu. Es wäre hinnehmbar, wäre angemessener Ersatz vorhanden oder deutlich preiswerter einzukaufen. Selbst wenn sich das Fucile-Gerücht nicht bestätigen sollte, einen guten LV hat Westermann häufig genug abgegeben und vor der endgültigen Antwort auf die ewige Pander-Frage besteht gerade dort enormer Handlungsbedarf.

  2. Christianam 21. Juli 2010 um 22:29 2

    Tut mir leid Hellwach aber hier kann ich dir nicht Recht geben.
    Westermann hat letzte Saison eher gruselig gespielt, das Spiel in
    Berlin werde ich nicht vergessen. Ja er hat dort den einzigen und
    wichtigen Treffer markiert, aber was er in der Abwehr für Schnitzer
    vorher hinlegte – ich stand schweißnass bei Charly’s an der Theke.
    Lassen wir Pander außen vor, so gibt es einige Alternativen.
    Lukas Schmitz hat diese Position einige Male gespielt und nicht
    schlecht und Matip wäre auch eine technisch starke Alternative.
    Beides Spieler die nach oben hin noch viel Luft haben.
    Ich neige dazu dir eher Recht zu geben,das Fucile uns nicht helfen
    kann.
    Ich denke wir können das Westermann Loch mit Bordmitteln stopfen.
    7 Mille ist verdammt viel Geld für HW. Da hätte ich auch niemals
    Nein gesagt.

  3. hellwacham 23. Juli 2010 um 09:37 3

    Bitte kein Mitleid, Christian 😉

    In dem Fall hätte ich sogar SEHR GERNE Unrecht.

  4. hellwacham 23. Juli 2010 um 09:38 4

    PS: Matthias, die Smileys sind immer noch schwarz-gelb.