Ich möchte Felix Magath ja glauben. Ich will das Gefühl haben, dass er wirklich Fortschritte sieht und die aktuelle Punkteausbeute in der Tat nur eine unglückliche Momentaufnahme ist. Ich würde so gerne von der großen Aufholjagd in der Rückrunde träumen, mit der Schalke das Feld von hinten aufrollen und mit Pauken und Trompeten in die Spitzengruppe der Liga einmarschieren wird. Allein – ich kann es nicht mehr. Die Realität sieht so aus: Schalke steht völlig folgerichtig auf dem drittletzten Rang.
Natürlich hat Felix Magath Recht, wenn er nach dem Spiel feststellt, dass Stuttgart stärker war, als es der Tabellenplatz andeutet. Doch was soll das im Umkehrschluss heißen? Dürfen wir ab sofort nur noch dann mit einem Heimsieg liebäugeln, wenn ein Tabellenletzter vorbeikommt, der wirklich so schlecht ist, wie es die Tabelle sagt? Sind wir auf Schalke dort angekommen, wo allein die (Nicht-)Stärke des Gegners den Ausgang des eigenen Spiels diktiert? Sind wir jetzt auch höchstoffiziell nicht mehr in der Lage, ein Spiel aus eigener Stärke heraus zu gestalten und zu – Vorsicht, es folgt ein ungewohntes Wort – gewinnen? Wenn es selbst gegen eine verunsicherte Mannschaft, die zudem noch ohne Abwehr anreiste, nur zu 20 überdurchschnittlichen Minuten reicht, darf man dann endlich von einer Krise reden?
Schalke lässt derzeit einfach viel zu viele Fragen offen, als dass ich es mir erlauben würde, von Höherem zu träumen. Fortschritte sind bestenfalls in homöopatischen Dosen erkennbar. Aber auch nur, wenn man ganz genau hinschaut. Christoph Metzelder beispielsweise liefert mittlerweile zuverlässigen Bundesligadurchschnitt ab. Er ist natürlich weit davon entfernt, zusammen mit Benedikt Höwedes ein Innenverteidigungs-Bollwerk zu bilden, aber er ist zumindest nicht mehr der Unsicherheitsfaktor, der er an den ersten Spieltagen war. Dafür zeigen jetzt andere, dass sie es noch schlechter können. Atsuto Uchida auf der Außenverteidigerposition ist ein stetiger Unruheherd für das eigene Tor und bringt in der Offensive wenig bis gar nichts. Dass Felix Magath heute im „Doppelpass“ sogar Christian Pander als mögliche Alternative für die Zukunft ansprach zeigt, dass selbst ihm keine realistischen Lösungsansätze mehr einfallen. Uchida wird also bis auf weiteres spielen und sich steigern müssen. In einer funktionierenden Mannschaft hätte er dazu sicherlich eine Chance. Ob es auf Schalke klappt, muss – Stand heute – angezweifelt werden.
Hinten löcherig wie der Mund einer alten Squaw, vorne bei weitem nicht so treffsicher, wie es notwenig ist – so präsentiert sich Schalke in dieser tristen Spielzeit. Einen hochveranlagten Spieler wie Raul möchte man manchmal einfach nur an den Schultern packen und kräftig durchschütteln. Früher war es Jiri Nemec, der durch seine konsequente Verweigerung eines Torabschlusses das Stadion im Alleingang in die Verzweiflung trieb. Heute schickt sich Raul an, diesbezüglich ein würdiger Nachfolger des Meisters zu werden. Gegen Stuttgart entschied er sich zu häufig für den fein angedachten aber schlecht ausgeführten Pass auf seinen Sturmpartner Huntelaar. Etwas mehr Eigensinn wäre wünschenswert gewesen. Ansonsten kann man Raul keinen Vorwurf machen. Regelmäßig gehört er zu den laufstärksten Akteuren auf dem Platz, doch irgendwann wird ein Stürmer eben auch an seinen Toren gemessen. Und was das angeht, ist Rauls Arbeitsbilanz auf Schalke mangelhaft. Traurig, aber wahr.
In der derzeitigen Situation hilft Schalke nur eines: Siege, Siege, Siege. Am Mittwoch geht es in der Champions-League gegen die unbekannte Größe Tel Aviv weiter, dann fährt man in der Liga und im Pokal nach Frankfurt. Für mich geht es längst nicht mehr darum, die Kurve zu kriegen. Ich zähle derzeit ausschließlich die Punkte bis zum Klassenerhalt. 5 von geschätzt notwendigen 37 Zählern hat Schalke erst. Es könnte wirklich besser aussehen. Mehr zum Spiel gegen Stuttgart schreibt der „kicker“.