Die Hoffnung stirbt zuerst
Da denkt man, der Tiefpunkt der Saison sei überstanden und nun könne es den Naturgesetzen nach einfach nicht mehr schlechter werden, schon beweist einem der FC Schalke 04 das genaue Gegenteil. Beim gestrigen 1:2 in Nürnberg machten die Spieler als Individuen, die Mannschaft als Konglomerat und der Trainer als letzte, höchste, unfehlbarste Instanz wirklich alles (!) falsch. Wäre Fußball ein Multiple-Choice-Test, hätte der bemitleidenswerte Korrektor spätestens nach der Hälfte der Fragen seine Antwortenschablone entnervt weggeworfen. Denn dass ein Prüfling bei simpelsten „Ja und Nein“-Fragen immer genau die falsche Antwort wählt, ist schon rein statistisch gesehen unmöglich. Im Fußball aber scheint es zu gehen, wie Felix Magath und seine Mannen gestern bewiesen. So gesehen nimmt Schalke zumindest einen Erkenntnisgewinn aus Franken mit, nämlich den, dass man die eigenen unterirdischen Leistungen immer noch locker unterbieten kann. Ich bin gespannt darauf, wie lange das noch geht, ohne dass man zu Hilfsmitteln wie Augenbinden oder zusammengeknoteten Schnürsenkeln greifen muss. Ich befürchte allerdings, dass Schalke es auch so noch lange schafft.
„Die Hoffnung stirbt zuletzt“ heißt es gemeinhin in Phasen wie diesen. Im konkreten Fall muss ich dieses Sprichwort leider ins Gegenteil verkehren. Meine Hoffnung ist gestorben. Zwar weiß ich, dass Schalke eigentlich einen guten Trainer hat, und eigentlich eine gute Mannschaft, und eigentlich auch gute Einzelspieler, deren Qualität außer Frage steht – doch das alles lässt mich nicht mehr zu der Überzeugung kommen, dass sich der FC Schalke 04 aus der derzeitigen Situation irgendwie nachhaltig befreien wird. Zu viel ist in dieser jungen Saison schon passiert, als dass man von „Unglück“, „Zufall“, „dumm gelaufen“ oder „Scheiße am Fuß“ sprechen kann.
Fangen wir mit der Startaufstellung von gestern an: Noch unter der Woche äußerte ich im privaten Kreis Bedenken, dass Papadopoulos gegen Benfica fast schon zu stark gespielt und den gesperrten Benedikt Höwedes fast zu gut vertreten habe. Ich hatte die Sorge, dass Magath trotz der eindeutigen Erfahrung gegen Mönchengladbach wieder der Irrsinns-Idee verfallen könne, Höwedes auf rechts zu stellen. Im Bekanntenkreis erntete ich für diese Befürchtung nur mildes Lächeln. So dumm könne der Trainager doch nicht sein, Schalkes besten Mann in der Abwehr zum zweiten Mal in Folge in einem Bundesligaspiel auf der „falschen“ Position kaltzustellen. Und was war? Er hat es wieder getan! Höwedes musste auf die rechte Außenbahn und konnte dort nichts, aber auch wirklich gar nichts zu einem einigermaßen geordneten Spiel der Schalker beitragen.
Machen wir weiter bei den Auswechslungen. Nach einer von beiden Seiten ungeheuerlich schlechten ersten Halbzeit etwas an der Startformation drehen zu wollen, ist aller Ehren wert. Doch die Maßnahme, den zwar schwachen aber immerhin offensiv veranlagten Jurado durch den amtlichen Fußballverhinderer Peer Kluge zu ersetzen, ist – Sorry – grober Unfug! Und natürlich trat das ein, was man mit einem derartigen Wechsel bezweckt: Aus dem Mittelfeld kamen in der zweiten Halbzeit nun gar keine Impulse mehr. Sollte Magath dies bei seinem Wechsel im Sinn gehabt haben, kann man nur sagen: Hut ab, es hat funktioniert!
Nach der überflüssigen weil saudummen Gelb-Roten Karte gegen Jermaine Jones, der erneut ein absoluter Fremdkörper im Team war und seine miesen Leistungen der letzten Wochen derart heftig unterbot, dass er der Magathschen Logik folgend nach Ablauf seiner Sperre den Stammplatz für die nächsten 26 Spiele sicher haben dürfte, griff der Trainager erneut in die Trickkiste und zauberte Ivan Rakitic aus derselben. Rakitic war es im weiteren Spielverlauf, der das Spiel beinahe im Alleingang abschenkte. Zunächst vergibt er frei stehend vor dem – nach dem Zusammenprall mit Jones angeschlagenen – Nürnberger Schlussmann Schäfer das sichere 1:0, danach gelingt es ihm geschickt und mit größter Routine, aus jedem Zweikampf als zweiter Sieger hervorzugehen. Schließlich entscheidet er sich in der 84. Minute beim Stande von 1:1 dazu, den tief stehenden Nürnbergern einfach einmal einen Eckball zu schenken. Dazu benötigte es lediglich einen unbedrängten 70-Meter-Rückpass ins eigene Toraus. Fast hätte Manuel Neuer diesen Geistesblitz der „Rakete“ noch verhindert, doch dummerweise scheiterte er beim Versuch, den Ball ins Seitenaus zu klären. Und so konnte Nürnberg, das zu diesem Zeitpunkt gegen in Unterzahl spielende Schalker nur noch verteidigte, in aller Seelenruhe zunächst den ersten Eckball ans Aluminium nageln und den darauf folgenden zweiten Eckball verwandeln. Dass Rakitic bei beiden Eckbällen sehr indisponiert wirkte und jegliches Abwehrverhalten konsequent verweigerte, muss eigentlich nicht mehr gesondert erwähnt werden.
Nürnberg war kurz nach dem Platzverweis mit 1:0 durch Frantz in Führung gegangen und hatte dabei leichtes Spiel, durch die zum x-ten Mal umgebaute Schalker Abwehr zu spazieren. Schalkes zwischenzeitlicher Ausgleich durch Huntelaar nach Flanke von Farfán quittierte der Trainer erbost und prompt mit der Auswechslung des Flankengebers, hatte der sich doch erdreistet, in der zweiten Halbzeit einen Zweikampf zu gewinnen. Strafe muss sein!
Anstatt des erhofften Befreiungsschlags wurde es also erneut ein kräftiger Tritt in den Hintern. Was allerdings noch viel schwerer wiegt als das Ergebnis und das miese Spiel, ist die traumwandlerische Sicherheit, mit der sich Schalke in derartige Situationen begibt. Der Abstiegsplatz, auf dem sich das Team derzeit befindet, ist der verdiente Lohn sämtlicher Unzulänglichkeiten, die sich der FC Schalke derzeit gönnt. In dieser Verfassung wird das Team bis zum letzten Spieltag ausschließlich gegen den Abstieg kämpfen. Wobei ich nach gestern sagen muss: Hoffentlich erhält die Mannschaft überhaupt die Gelegenheit, bis zum Ende gegen den Abstieg kämpfen zu dürfen und nimmt sich nicht schon drei bis vier Spieltage vor dem Saisonfinale selbst aus dem Rennen. Ich schrieb es bereits: Die Hoffnung stirbt zuerst.
Mehr zum Spiel schreibt der kicker. Selten habe ich mich so auf eine Länderspielpause gefreut, wie auf diese. Endlich zwei Wochen Ruhe vor Schalke.
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7 Kommentare zu “Die Hoffnung stirbt zuerst”
Der tauscht die ganze Mannschaft aus und der, der mir seit Jahren auf den sack geht der bleibt weiter. Ich rede von dem, dessen Eckbälle wahlweise am 5m eck nicht verlängert werden oder im Seitenaus landen…
Aus Jones müsste eigentlich noch mehr kommen. Er wirkt wie übermotiviert nach dem Verletzungsjahr, bei dem wir ohne ihn (dafür mit vielen anderen) unglaublich erfolgreich waren…
ich habe mich nicht einmal mehr geärgert, das will was heißen.
ausserdem, der trainer macht keine fehler. 🙁
Ich teile deine Wut und triefende Häme, die aus deinem Bericht fließt, denn ich bin selbst absolut fassungslos und kann es immer noch gar nicht glauben, was mit Schalke passiert.
Ein kämpferischer Sieg in der Championsleague, der zu Hoffnungen berechtigte, schien der erste Schritt aus dem Tal der Tränen gewesen zu sein. Alles wäre vergessen und vergeben, wenn es denn jetzt aufwärts gegangen wäre und dann dieser Auftritt!
Das Spiel (?) war wirklich Grotte! Was mich am meisten genervt hat, war die Einstellung der Spieler, die scheinbar dieses Zusammentreffen auf dem Rasen als nettes Kaffeekränzchen im Seniorenstift missdeutet haben und sich daher in keiner Weise engagiert haben (Ausnahmen bestätigen die Regel) und wenn doch, dann hat es auf meist eklatante Weise nicht funktioniert. Soviel (scheinbar) spielerisches Unvermögen verbunden mit dem Unwillen Kalorien zu verschwenden habe ich schon lange nicht mehr gesehen!
Meine Restfamilie hegt ja leider Sympathie für den anderen Verein ….. irgendwie fange ich an sie zu beneiden….
Wut? Vielleicht! Häme? Auf gar keinen Fall! Grenzenlose Enttäuschung beschreibt es wohl am besten. Dass ich keine großen Stücke auf die bislang gezeigten fußballerischen Darbietungen eines Ivan Rakitic halte, habe ich hier mehr als einmal ganz offen kund getan. Als ich am Samstag im Block in der 85. Minute einen unterstützenden „Ivan Rakitic-Schalalala“-Gesang anstimmte (ja, ich war der Spinner), wurde ich von allen anderen angeschaut, als würde ich kleine Kinder fressen. Das führt mich zu der Einschätzung, dass ich nicht der einzige bin, der seine Probleme mit dem Drehwurm hat.
Raktitic war am Samstag nicht der alleinige Schuldige, doch er war einmal mehr an allen spielentscheidenden Szenen beteiligt – in negativer Hinsicht. Ich bin es leid, dass ihm die Handvoll gelungene Aktionen, die er in den letzten drei Jahren auf Schalke hatte (das Tor gegen Dortmund, ui!!! Die Rückrunde 2009/10, in der er in einigen Spielen ausnahmsweise nicht der Schlechteste auf dem Feld war, ui!!!), immer noch auf dem Silberteller hinterhergetragen werden, während man Gefahr läuft, als Spalter dargestellt zu werden, nur weil man darauf hinweist, dass er unter dem Strich größtenteils Grütze spielt.
Reflexartig wird jetzt der Hinweis auf van Kerckhoven, Max und Kuranyi kommen. Nur zu. Ich weise jedoch darauf hin, dass ich bei keinem der vorgenannten jemals im Stadion gepfiffen habe und bis auf meinen aufmunternden Sprechchor am Samstag auch zu Rakitic während der 90 Minuten immer meinen Mund gehalten habe und dies auch weiter tun werde. Nach dem Spiel aber werde ich auch weiterhin (be)schreiben, was ich sehe.
Damit jetzt kein Missverständnis aufkommt: Rakitic ist auch für mich derzeit auch nur ein blockierendes Rädchen in einem komplett verrosteten Uhrwerk. Er alleine ist nicht Schuld an der Lage.
einfach nur enttäuschend, was man da so miterleben muss. wie soll ich meinen 3 söhnen nur den stolz eines schalkers erklären? in 2 wochen kommt es zu spitzenspiel: der 2. gegen den 1. nur leider steht die tabelle verkehrt herum.
Lieber Matthias, ich kann nicht ganz nachvollziehen, dass du meine Gefühlseinschätzung deines Artikels so vehement ablehnst („Wut? Vielleicht! Häme? Auf gar keinen Fall!“)
O.K. du bist der Autor und weisst es natürlich am besten – darum brauchen wir uns auch nicht zu streiten. Ich kann hier auch nur auf das reagieren, was ich in deinem Bericht gelesen habe und da ist nun mal auf engen Raum eine regelrechte Anhäufung von mindestens ironischen Statements zu sehen, die doch in ihrer Gesamtheit nicht mehr die sonst eher in sich gerichtete Enttäuschung transportieren, sondern durchaus ein aggressives Element in sich tragen, in dem ich meinte W & H erkennen zu können.
Beispiele:
„danach gelingt es ihm geschickt und mit größter Routine, aus jedem Zweikampf als zweiter Sieger hervorzugehen“
„entscheidet er sich…. einfach einmal einen Eckball zu schenken“
„Geistesblitz der “Rakete”
„jegliches Abwehrverhalten konsequent verweigerte“
„quittierte der Trainer erbost und prompt mit der Auswechslung des Flankengebers“
„hatte der sich doch erdreistet, in der zweiten Halbzeit einen Zweikampf zu gewinnen. Strafe muss sein!“
„traumwandlerische Sicherheit, mit der sich Schalke in derartige Situationen begibt“
Vielleicht habe ich aber auch zu stark meine eigenen Gefühle auf deinen Bericht projiziert, wobei dabei dann bei mir doch die Wut den größeren Anteil hat.
Scheisse, wenn man sich nicht mehr freuen kann, fängt man an Texte zu analysieren. Nicht für ungut!
Es wird wieder bergauf gehen!
Es geht bergauf und dann wieder bergab,oder einfach so weiter.Nicht einer hat einen Plan ,nicht aufem Platz und schon gar draußen.Viel blabla und nichts ändert sich.Rakitic hier als schuldigen hinzustellen ist zu hart. Diese Manschaft wird im Abstiegskampf nicht bestehen.Wer hat denn halbwegs das gebracht was er kann , nicht einer!.Von der Manschaft hat noch keiner kapiert was Maggi ist.Nach dem Spiel gegen Stuttgart geht das hauen und stechen los,weil auch dieses in die Hose geht.Wir sind zur zeit die schlechtesten in der Liga. Traurig,traurig und schon die ersten Botschaften ,dann spiel ich nächstes Jahr wo anders.Also ich BLEIBE Schalker!.