Felix Magath spielt auswärts
In Tagen wie diesen bläst Schalkes Trainager Felix Magath der Wind heftig ins Gesicht. Einige Kritikpunkte sind sicherlich berechtigt, andere – und da nehme ich mich gar nicht heraus – sind polemischer Mist, der auf dem Feld der Emotionen gewachsen ist. Sich umfassend in einem journalistischem Umfeld äußern zu können, ist Felix Magath derzeit kaum möglich. Die deutschen Sportmedien – allen voran die WAZ und Sport1 – haben ihre Meinung längst in Beton gegossen und genießen in vollen Zügen ihre Position der Stärke. Selbst wenn Magath sich zum sonnigen 3. Oktober geäußert hätte, würden sich sofort drei Gegenredner finden, die ihm Realitätsverlust und Allmachtsphantasien unterstellen und wahrscheinlich auch lückenlos nachweisen könnten. Eine Alternative wäre, über die offizielle Vereinswebseite den Weg in die Öffentlichkeit zu suchen. Doch ganz ehrlich: Was die Schalke-Prawda in heiklen Zeiten schreibt, nimmt ohnehin niemand ernst. Das war übrigens schon lange vor Felix Magath so. In dieser medienmäßig aussichtslosen Situation zeigt sich der Medienprofi Magath. Er wählte gestern abend den Gang ins österreichische Privatfernsehen. Für „Servus TV„, einem Sender, der selbst mir als Österreich-Kenner bislang wirklich vollkommen unbekannt war, stellte er sich im Rahmen der Sendung „Sport und Talk aus dem Hangar-7“ zusammen mit Salzburg-Coach Huub Stevens und Rapid Wiens Ãœbungsleiter Peter Pacult den Fragen des vor ein paar Jahren abservierten Doppelpass-Erfinders Rudi Brückner.
Die Sendung erinnerte vom gesamten Aufbau her dann auch stark an den „Doppelpass“, jedoch mit dem Unterschied, dass Udo Lattek und Jörg Wontorra nicht anwesend waren und somit vollständige Sätze möglich wurden. Der Aufhänger der Sendung war, dass sich drei Erfolgstrainer stellten, denen aktuell nicht gerade die Sonne aus dem Allerwertesten scheint. In einer 10er-Liga, in der Rapid und Salzburg den Titel unter sich ausmachen müssten, steht Stevens‘ Team derzeit auf dem siebten Platz. Rapid gurkt auf Rang 6 herum. Und wo Schalke steht, wissen wir alle.
Ich fand die Sendung gut. Eigentlich mag ich ja das „Doppelpass-Prinzip“ eines ausführlicheren Talks mit „Expertenbeteiligung“, nur kann ich mir das Original selbst seit Jahren aufgrund der Gäste und des Moderators nur noch mit Bauchschmerzen antun.Ich fand es gut, dass Felix Magath die Möglichkeit erhielt, seine Sicht der Dinge zu schildern, ohne ständig von Möchtegern-Comedians unterbochen zu werden. Man merkte, dass „Servus TV“ es sich (noch) nicht leisten kann, prominente Talk-Gäste mit billigen Tricks und Einspielern vorzuführen.
Ich sah die Sendung via Internet-Stream. Und weil ich gerade nichts Besseres zu tun hatte, habe ich irgendwann damit begonnen, „mitzupinnen“. Die folgenden Zeilen sind der Versuch, Magaths Aussagen in der Sendung zusammenzufassen. Ich denke, es gehört zur sportlichen Fairness, sich bei aller berechtigten Kritik an der derzeitigen Situation auch die Argumente desjenigen anzuhören, der aus eingangs genannten Gründen kaum eine Möglichkeit hat, sich umfassend zu äußern. Selbst wenn man seine Meinung vielleicht nicht teilt. Bevor es losgeht weise ich darauf hin, dass es sich nicht um ein Transkript der gesamten Sendung handelt, sondern um eine Zusammenfassung der wichtigsten Passagen. Die verwendete wörtliche Rede bedeutet nicht, dass Felix Magath es „so, genau so, und nicht anders“ gesagt hat, sondern entstand aus einem live mitgetippten Gedächtnisprotokoll.
Zum Thema „Zusammenstellung des Kaders“
„Der große Umbruch sollte eigentlich schon in der vergangenen Saison erfolgen. Ich war nicht davon ausgegangen, dass wir es am Ende auf Platz 2 und somit bis in die Champions League schaffen könnten. Ich hatte gegen Ende der Vorrunde mit einer Saisonplatzierung um Platz 5 bis 8 gerechnet. Und um genau so eine Mannschaft, die von Platz 5 bis 8 aus aufgebaut werden soll, sinnvoll zu verstärken, habe ich in der vergangenen Saison Personalentscheidungen getroffen, die Wintertransfers getätigt und auch einen großen Teil der Transfers für diesen Sommer vorbereitet.“
Zum Thema „Lewis Holtby“
„Er spielte in der vergangenen Saison in Bochum in einer Mannschaft, die als Team nicht funktioniert hat. Da konnte er sich nicht entfalten, dementsprechend durchwachsen waren auch seine Leistungen. Deshalb habe ich mich vor der Saison mit ihm und seinem Berater zusammengesetzt und gefragt, ob er bei einer Schalker Mannschaft, die sich dann ebenfalls im Umbruch befinden und mitunter nicht sofort funktionieren wird, spielen möchte, oder ob er zu einem eingespielten Team wie Mainz wechseln will. Beide, Holtby und sein Berater, entschieden sich für das Team, das sich gerade nicht im Umbruch befindet. Diesen Gedankengang habe ich nachvollzogen und deshalb die Entscheidung unterstützt. Ich finde, dass es eine gute Entscheidung war, und zwar für Mainz, für Lewis Holtby und somit natürlich auch für den FC Schalke.“
Zum Thema „Spiel in Nürnberg“
„Nachdem die erste Erregung abgeklungen ist, muss ich zugeben, dass ich die Gründe für das schlechte Spiel erkenne. Nach Freiburg, Mönchengladbach und Lissabon – und somit nach drei Spielen, in denen die Spieler bis in die 90. Minute höchstkonzentriert arbeiten mussten -, war die Mannschaft wohl körperlich als auch geistig nicht mehr in der Lage, die volle Leistung über 90 Minuten abzurufen. Ich kann das ein Stück weit nachvollziehen.“
Zum Thema „Manuel Neuer“
„Eines steht außer Frage: Wir müssen Manuel Neuer mit Schalke internationalen Fußball bieten, um ihn zu halten.“
Zum Thema „Die Rolle des Trainers“
„Der Einzige, der eine Mannschaft überhaupt voranbringen kann, ist der Trainer. Deshalb muss man ihn auch in schweren Situationen ruhig arbeiten lassen. Entweder hat man Vertrauen in einen Trainer, dann muss man in stärken, wo es nur geht. Oder man hat kein Vertrauen, dann muss man ihn sofort entlassen.“
Zum Thema „Schalkes Transferaktivitäten“
„Im letzten Jahr der FC Schalke so gut wie keine Transfers getätigt. Der HSV beispielsweise hat zwei Jahre in Folge jeweils mehr als 30 Millionen Euro in seinen Kader investieren können. In diesem Jahr haben wir uns im Schnitt der Bundesliga-Spitzenmannschaften verstärkt. Nimmt man beide Jahre zusammen, hat der FC Schalke gemessen an seinen Ansprüchen nicht überdurchschnittlich viel ausgegeben.“
Zum Thema „Magaths Allmacht“
„Wenn immer wieder behauptet wird, Schalkes aktuelle Situation liege darin begründet, dass ich zu viel Macht habe, muss ich sagen: Der FC Schalke hat mich geholt, weil das Modell der verteilten Verantwortungen nicht mehr funktioniert und den Verein in eine missliche Lage gebracht hat. Ich will nicht der Verein sein. Das kann ich gar nicht leisten. Aber ich arbeite für den Verein und opfere auch mein Privatleben für den Verein. Es ist nicht so, als ob das alles ein großer Spaß wäre. Ich glaube auch nicht, dass ich durch meine Funktionen auf Schalke sicherer bin, als ich es ohne sie wäre. Ich bin abhängig vom sportlichen Erfolg. Bleibt dieser aus, nützt mir auch kein Vorstandsposten.“
Zum Thema „Persönliche Fehler in der aktuellen Phase“
„Ich weiß nie vor einem Spiel, ob ich alles richtig machen werde. Ich kann immer nur nach bestem Wissen und Gewissen und nach meinem Gefühl urteilen. Deshalb lege ich doch auch so großen Wert auf das Training. Bei mir kann sich ein Spieler durch gute Leistungen im Training nach vorne spielen. Als Trainer muss man sich jeden Tag für einen Spieler entscheiden. Und damit entscheidet man sich gleichzeitig immer auch gegen einen anderen.“
Zum Thema „Kommt Schalke überhaupt noch auf die Beine?“
„Ob wir überhaupt noch auf die Beine kommen? Wir haben doch jetzt schon gute Spiele gemacht, zum Beispiel in der Champions League! Da haben wir haben gezeigt, dass wir es können. Nun müssen wir es auch in der Bundesliga umsetzten. Dafür brauchen wir aber die Ergebnisse, die uns weiterhelfen. Und wir brauchen dazu auch Ereignisse, wie einen günstigen Schiedsrichterpfiff oder etwas Ähnliches.“
Die Sendung wird in den kommenden Tagen in die „Mediathek“ von „Servus TV“ eingestellt werden. In der Länderspielpause hat vielleicht der eine oder andere Lust, sich ein Bild davon zu machen, ob ich als Gerichtsschreiber tauge. Dazu gehst du einfach auf die Webseite von „Servus TV„, dann auf die „Mediathek“ und suchst dort nach der Sendung „Sport und Talk aus dem Hangar-7“.
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11 Kommentare zu “Felix Magath spielt auswärts”
Und für den Sonntag nach dem „Gipfeltreffen“ gegen Stuttgart ist Felix im Ãœbrigen für Wontis Weizenhölle im Deutschen Stangentanz Fernsehen angekündigt… da kannst du dann mal schauen, ob du auch mit Magenschmerzen transkribieren kannst!
Sauber. Danke für die Mühe und die Infos.
Übrigens nicht das erste Mal, dass FM bei Servus TV auftauchte. Hatte ihn vor einigen Wochen auch schon mal dort gesehen. Ist dir übrigens das Logo des Senders bekannt vorgekommen? Ein Schelm, wer (remember Sommerpausentheater) Böses dabei denkt:
Servus TV ist ein österreichischer Privatfernsehsender mit Sitz in Wals-Himmelreich in Salzburg. Er befindet sich zu 100 Prozent im Besitz der Red Bull Media House GmbH.
(http://de.wikipedia.org/wiki/Servus_TV)
Prima Service. Danke
Vielen Dank für die Informationen!
Den Hintergrund der momentanen Misere aus Magaths Mund zu erfahren – und so wie du’s berichtest, wirkt das Ganze doch recht abgeklärt und hat keineswegs den „mit dem Rücken zur Wand“ – Charakter – ist für mich schon wieder etwas(!) Balsam für die Seele. Perspektivisch kann ich mir immer noch vorstellen international abzuschliessen, selbst wenn wir bis Weihnachten in der 2.Hälfte herumdümpeln.
@Boy from Mars: Danke für die Info. Ich wollte gestern abend eigentlich auch noch kurz „gegengoogeln“, was es mit „Servus TV“ auf sich hat, entschied mich dann aber für’s Bett. Nein, das Senderlogo war mir nicht diesbezüglich aufgefallen. Aber ja, ich hatte auch schon so einen unterschwelligen Verdacht, weil ich die österreichische TV-Landschaft eigentlich ganz gut kenne und mich wunderte, wie ein Sender so von Null auf Hundert durchstarten kann. Und da es in Österreich eigentlich nur einen privatwirtschaftlichen Investor gibt, der sich so einen Spaß leisten kann und will…
Danke!
Super Service! Danke!
Sehe gerade, das Video ist leider noch nicht in der Mediathek zu finden. Da muss ich mich wohl noch ein wenig gedulden…
Super Arbeit und schön aufbereitet. Kann mich Achim nur anschließen, dass diese sich gar nicht so aufgeregt anhörenden Antworten doch EIN WENIG beruhigen, auch wenn mir eigentlich ob der momentanen Tabellensituation der Arsch auf Grundeis gehen will.
P.S.: Mal was ganz anderes an den Blog-Autor: Wäre eigentlich auch eine Benachrichtigung über neue Kommentare per eMail möglich, oder ist das schwer oder gar nicht machbar?
Vielen Dank für den Klasse Artikel!
Hallo Matthias,
Danke, dass bei Dir wenigstens unser Trainer in „Deutschland“ richtig zu Wort kommt. Ich weiss, warum ich neben dem Fussballblätterwald, der Schalke-Homepage nicht ohne deine Seite auskomme.
Weiter so.