Der Wald stirbt – Die Tanne steht!
Im Rahmen einer kleinen Serie veröffentliche ich Auszüge aus einer rund 36 Jahre alten Kladde einer damals jugendlichen Anhängerin und nehme dies zum Anlass, selbst ein wenig in Erinnerungen zu schwelgen. Jeder Leser dieser Seite ist eingeladen, es mir gleichzutun.
Unsere junge Chronistin konnte nicht wissen, was sie da schreibt, als sie Anfang der 1970er-Jahre unter ihren spärlichen Angaben zu Klaus Fichtel lapidar „Klaus spielt den Libero bei Schalke“ notierte. Klaus Fichtel spielte nicht den Libero, er war der Libero auf Schalke. 1965 absolvierte er sein erstes Match für die Königsblauen, 1988 sein letztes. Dazwischen lagen 23 Jahre Profifußball für Schalke und Bremen, diverse Rücktritte vom aktiven Sport, ausgetragene und abgesagte Abschiedsspiele sowie einige Comebacks. Nicht alle Comebacks waren freiwillig. Als er 1984 aus Bremen nach vierjährigem Gastspiel zurückkehrte, sollte er eigentlich die (Co-)Trainerkarriere einschlagen. Doch irgendwie war in diesen Jahren in Gelsenkirchen ständig Not am Mann und so wurde aus dem Co-Trainer Fichtel wieder Tanne, der Abwehrrecke. Im Abstiegsjahr 1988 absolvierte er noch 11 Bundesliga-Partien. Die letzte am 21. Mai im Alter von 43 Jahren, sechs Monaten und zwei Tagen. Das ist bis heute Rekord für einen Feldspieler in der Bundesliga. Bei der 1:4-Heimniederlage gegen Werder Bremen marschierte Klaus Fichtel noch einmal über die volle Spielzeit.
Zwei Wochen zuvor hatte Schalke durch ein 0:0 gegen Eintracht Frankfurt den Abstieg faktisch perfekt gemacht. Es war das letzte Spiel, in dem ich Klaus Fichtel im Parkstadion spielen sah und es war ein trostloser Kick vor fast leerem Haus. Ein Spiel, in dem Harald „Toni“ Schumacher im Schalker Tor mehr als einmal in höchster Not retten musste. Trotzdem hätte es beinahe noch zu einem Sieg gereicht, doch Uwe Tschiskale (oder war es Claus Dieter Wollitz?) hämmerte den Ball in der Schlussphase aus vier Metern Torentfernung frei stehend an den Frankfurter Pfosten. Ich weiß nicht mehr, wer die Chance vergab, doch an die Tipp-Kick-Schusshaltung und den Klang des Balles am Pfosten werde ich mich wohl noch ein Fanleben lang erinnern müssen.
Der unverwüstliche Klaus Fichtel, den die Fans einst im Parkstadion mit dem Transparent „Der Wald stirbt – Die Tanne steht!“ ehrten, ist Schalke bis heute verbunden, u.a. als Spielerscout. Aus der Trainerkarriere ist nichts geworden. Vielleicht ja auch, weil er Angst davor hatte, unvermittelt wieder in den Spielerkader zu rutschen.
Das „Schalke Unser“ widmete ihm in Ausgabe 66 eine längere Strecke in der Serie „Schalker Originale“. 2007 gab Tanne dem Magazin „11Freunde“ ein längeres Interview im Rahmen der „Geschichtsstunde“.
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2 Kommentare zu “Der Wald stirbt – Die Tanne steht!”
…und heute hat „Tanne“ Geburtstag – deshalb „um die Ecke“ die besten Wünsche!
Man ist das schön in den Erinnerungen zu schwelgen. Nicht wegen dem Abstieg natürlich! 😉