Keine ekelige Tour
Manuel Neuer ließ am Samstagnachmittag kaum ein Mikrophon aus, um zu erklären, dass er großes Verständnis für den Unmut der mitgereisten Fans aufbringe. Eine Tour nach Kaiserslautern, das wisse er schließlich aus eigener Erfahrung, sei eine „ekelige Fahrt“. Ich möchte dem Manu da wirklich entschieden widersprechen. Nicht die Fahrt war ekelig. Ekelig war ausschließlich die Leistung der Mannschaft. Es folgt ein kleiner Reisebericht mit Bildern, die sich alle per Mausklick vergrößern lassen.
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Start in Münster um 9.30 Uhr. Erste Kurzpause am Rasthof Lichtendorf kurz vor dort, wo niemand hin will. Eine ramponierte Telefonzelle ist ein willkommener Anlass, endlich mal wieder einen „Do a Lynndie“ zu vollziehen.
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Unser Komfort-Gefährt: Opel Corsa B, Baujahr 1990irgendwas. Manuel Neuer würde das sicherlich als ekelig bezeichnen.
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Knallharte 45 PS bringt der Bolide auf die Piste. 45 Pferdchen, die insgesamt 5 Erwachsene transportieren. Der schlaue Mathematiker hat längst mitgerechnet: Jeder von uns wird von einem Neunspänner gezogen. Ekelig? Nö!
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Der Opel Corsa B darf ohne Zweifel als ein Höhepunkt deutscher Automobilbaukunst bezeichnet werden. Das Fahrzeug verfügt trotz kompaktester Außenmaße über 5 nahezu vollständig angedeuteter Sitzplätze und dem Vernehmen nach sollen sogar fünf Sicherheitsgurte vorhanden sein. Manu, ich weiß ja nicht, wie du sonst reist. Aber was soll daran ekelig sein, endlich mal wieder Körpernähe zu erfahren?
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Pinkelpause im Moseltal. Auf Auswärtsfahrten lernt man Landschaften kennen, von denen man sonst nur im Wetterbericht hört. Zum Beispiel den Hunsrück. Früher hätte ich gesagt: „Hunsrück? Ööööh…“ Jetzt kann ich sagen: „Hunsrück? Mmmh….“
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Ankunft in Kaiserslautern, der Perle der Pfalz. Verträumte Plattenbautsiedlungen reihen sich in diesem Kleinod der Spät-Renaissance zu einem engen, atmosphärischen Geflecht und definieren das Stadtbild in einer nie erwarteten Weise.
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Nein, keine Chance – ausverkauft.
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Unser Corsa-Wart Benne vor Frau Walter ihr Mann sein Stadion.
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Block 18.4, Reihe 70. Anders gesagt: Ganz, ganz, ganz oben. Zunächst wollten wir mit dem Aufzug fahren, stellten dann jedoch fest, dass in diesem Fans feststeckten, einer davon mit Platzangst und Panikattacken. Nach einer Viertelstunde wurden die Eingeschlossenen befreit. Zugegeben, das war für die Betroffenen vielleicht wirklich ekelig.
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Einlasskontrollen, die ein deutliches Schikane-Potenzial beinhalteten, vergleichbar mit den Kontrollen im Hamburg. Ich habe erst kurz überlegt, dem Befummler meine Telefonnummer zu geben, habe es dann aber gelassen.
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Frei von jeder Ironie: Ich finde den Hauptsponsor des 1. FCK super! Ich denke, es sollten sich noch viel mehr mittelständische Unternehmen im Fußball engagieren. Mit dem supranationelem Gazprom auf meiner Plauze habe ich manchmal echt Beklommenheitsgefühle. Lieber wäre mir „Klosterfrau Melissengeist“, „Hirschtalgcreme“ oder „Penaten“.
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In Kaiserslautern gibt es Karlsberg. Ob mit oder ohne Foffo war uns egal. Es war sowieso viel zu kalt für Bier und außerdem lagen zwischen uns und dem Getränkestand vier Stockwerke und ein blockierter Fahrstuhl. Da begnügt man sich mit einem Anstandsschluck.
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Ja, es gab sie: Schalke-Fans, die der Mannschaft applaudiert haben! Allerdings nur beim Einlaufen der Teams.
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Ober-Oberrang-Stadionpanorama.
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Der Vorteil der allerletzten Reihe: Ein traumhafter Blick über das malerische Pfalzkleinod Kaiserslautern.
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Die feinen Herren Ultras dürfen als einzige direkt vor dem Block parken. Alle anderen mussten laufen. Aber dafür wurden die Ultra-Busse von der Polizei kurz nach dem Anpfiff echt ekelig zugeparkt.
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Ein Bild mit Seltenheitswert: 8 von 11 Schalkern laufen! Wow!!!
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Schwupps … 90 Minuten vorgespult. Die Helden machen sich auf dem Weg in die Schalker Kurve, während die Nichtsnutze aus Kaiserslautern im Hintergrund den verschworenen Haufen mimen. Lächerlich!
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Euphorisiert erklimmen die Ultras die Zäune und freuen sich mit den Spielern, die nach einer großartigen Leistung ausgepumpt aber glücklich die Ovationen der Fans entgegennehmen.
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Becher-Rückgabe. Da viele Schalker Fans aus den unterschiedlichsten Gründen (Geburtstag vonne Omma, Licht im Auto angelassen, Dringender Termin im Nagelstudio etc.) schon vor dem Abpfiff das Stadion verlassen und dabei ihre Bierbecher zurückgelassen hatten, konnte sich unser Mitfahrer Marek eine kleine goldene Nase verdienen: 32 Euro Pfandausbeute! Manu, ganz ehrlich, das ist doch nicht ekelig! Da müssen du und deine Mannschaftskameraden bestimmt fast ’ne halbe Minute für arbeiten.
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Die Stadionwurst in Kaiserslautern war übrigens wirklich gut!
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Noch einmal ein Stadion-Panorama, diesmal nach dem Spiel aus einem der tiefer gelegenen Blöcke.
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Die Gladiatoren laufen aus. Erstaunlich, mit wie viel Elan sie nach der übermenschlichen Leistung noch ihre Runden ziehen konnten.
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Ein letzter Blick zurück, dann ging es mit dem quietschgrünen Corsa wieder nach Hause. Zwischenstopp im US-Feinschmeckertempel im Hunsrück und gegen 23.30 Uhr erreichten wir Münster. Wenn alles so läuft, wie ich mir das denke, ist meine Wirbelsäulenverkrümmung in drei bis vier Tagen auch wieder verschwunden.
Hey Manu, das war keine ekelige Tour. Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Ekelig war etwas ganz anderes.
Abgelegt unter Schalke
13 Kommentare zu “Keine ekelige Tour”
Ganz witzig geschrieben alles.
Aber „Beklommenheitsgefühle“? 😀
Wunderschöner Artikel. Amüsant und kurzweilig. Finde es immer interessant wie Gästefans Kaiserslautern und den Betze empfinden.
„Ankunft in Kaiserslautern, der Perle der Pfalz. Verträumte Plattenbautsiedlungen reihen sich in diesem Kleinod der Spät-Renaissance zu einem engen, atmosphärischen Geflecht und definieren das Stadtbild in einer nie erwarteten Weise.“
Wo hasten den Satz abgeschrieben? 🙂 Hab kurz überlegt was Du gesehen hast!
Hab vor einen Gegenbesuch beim Rückspiel zu machen.
Macht Euch keinen Kopp, die Saison in die Tonne treten und nächste Saison macht Euch der Magath zum Meister. Wetten?
Gruß aus der Perle der Pfalz !
Um jetzt nicht als schlechter Gast dazustehen, möchte ich kurz meinen bissigen Kommentar erklären.
Ich war bislang noch nie in Kaiserslautern, geschweige denn in der Pfalz. Das sind Ecken von Deutschland, die einfach abseits meiner ausgetretenen Pfade liegen. Man macht sich aber vorher so seine Gedanken, was einen erwartet. Und bei Kaiserslautern dachte ich bislang immer an ein malerisches Fachwerkstädtchen mit urigen Weißweinschenken und alten Frauen, die Saumagenbrötchen auf der Straße verkaufen.
So, und dann kommen wir in Kaiserslautern an, und das erste was wir sehen ist die Grabsteinausstellung eines Steinmetzes, dann noch eine Grabsteinausstellung eines anderen Steinmetzes, dann ein Bestattungsinstitut und schließlich – Ãœberraschung – die Grabsteinausstellung eines dritten Steinmetzes. „OK“, habe ich mir gedacht, „auch in Lautern scheinen die Leute irgendwann zu sterben. Erkenntnisgewinn!“
Dann fährt man weiter zu den frisch geschotterten und der Mondoberfläche erstaunlich gut nachempfundenen Park&Ride-Plätzen und passiert dabei eine US-Kaserne nach der anderen. „OK“, denke ich mir, „jetzt weiß ich auch, warum die Leute hier ständig sterben. Erkenntnisgewinn!“
Auf der Mondbrache erklimmt man einen Pendelbus und der fährt einen dann wirklich in eine Plattenbausiedlung, wie es sie in der Trabantenstadt vor Greifswald kaum schöner geben könnte. Der Höhepunkt ist da sicherlich die Tankstelle direkt am Stadion, wohlig eingelassen in einen Hochhauskomplex. Als wäre das nicht genug, befindet sich auf dem Dach der Tankstelle (!) ein griechisches Restaurant. Da fragt man sich unweigerlich: „Hat der Architekt eine Wette verloren?“
Kurzum: Kaiserslautern war wirklich völlig anders, als ich es mir vorher vorgestellt hatte. Wer Fachwerk erwartet und Platte erhält, der schreibt dann auch mal einen bissigen Kommentar. Ist aber wirklich nicht böse gemeint und angesichts der „Androhung“ deines Besuches zum Rückspiel möchte ich den Bochumer Frank Goosen zitieren: „Woanders ist auch scheiße!“
Wow, sehr amüsant geschrieben und 100% nachvollziehbar. Freue mich direkt auf die nächste Auswärtsfahrt. Naja, bis aufs Spiel an sich. Das wird vielleicht eher ekelig.
Die nächste Tour findet in knapp zwei Wochen nach Mainz statt… ich bin übrigens gerne bereit, einen Teil der Mannschaft von GE nach Mainz in meinem Corsa zu fahren. Und wenn einer sagt, der Wagen oder die Tour wäre ekelig, binde ich ihn unterwegs an einer Raststätte an eine Laterne an…
Ok, Du bist am sehr großen Waldfriedhof in die Stadt reingekommen und an einem von 3 Hochhäusern in Lautern ausgestiegen 🙂
Fachwerk kriegste massenhaft außerhalb der Stadtgrenzen.
Wenn Du mal Zeit hast, fahre in die Vorderpfalz, (Bad Dürkheim und die kleinen Dörfer da)
Wunderschön und genau so wie Du es erwartet hast 🙂
ein sehr schöner Bericht (und auch die Fotos allererste Sahne!) – ich muss allerdings als einst temporärer Pfalzbewohner entschieden darauf hinweisen, dass Kaiserslautern kein „Pfalzkleinod“ sondern eher ein „Pfalzgroßod“ ist. Auch wenn mir am Samstag ein paar Ommas im Bus zur Innenstadt versichern wollten, „in Lautre is nix groß, do is alles klää“, KL ist weit und breit die größte Ansiedlung, Kleinode findet man also eher in Trippstadt, Frankenstein oder dem mächtigen Katzweiler. So, das musste ma gesacht sein!
Du hast das wirklich schön geschrieben, hast aber von Lautern und der Stadt auch wirklich nur die schlimmsten Sachen gesehen.
Du hättest runter in die Stadt gemusst, dort gibt es auch Fachwerk etc.
Du warst auf dem Betzenberg und dort an den Hochhäusern ist es auch eher brennpunktartig mittlerweile.
Ich wünsch allen Schalkern eine super Saison, auf das wir in der Liga bleiben und uns nächste Saison wieder uffm Betze sehen.
Denkt dran:Wir Traditionsvereine müssen uns an zwei Tagen jeweils 90 Minuten bekämpfen mit allen Bandagen, den Rest des Jahres müssen wir zusammenhalten gegen Plastikvereine alla Hoffenheim und Wolfsburg.
Ich kann Betzebub nur zustimmen. Bad Dürkheim und die anderen Dörfer sind echt gut. Und tollen Wein haben die da.
Sogar eine ganze Weinstrasse.
Nach der ganzen Leere vom Samstag echt ein aufbauender Bericht.
Wenn ich, angenommen ich besuche eine andere Stadt,
und mich begrüßen 3 Friedhofssteinmauerein, ein Friedhofsgärtner und solche Dinge; da fährt man mit dem Opel schnellstens Richtung ZURÜCK! Da habe ich doch VORAHNUNGEN!!!
Schön hier zu lesen, dass auch Fans von Lautern sich äußern, einen Tipp zum echten Kaiserslautern-Besuch abgeben und uns Mut zusprechen. Danke!
Aber nun mal etwas anderes:
Ich habe vor wenigen Jahren einen Spanisch-Kurs belegt. Ein Freund von mir versprach sich davon, ein neues Girl kennen zu lernen. So gingen wir zur VHS und die Lehrerin sagte: Noch nie waren hier mehr männliche als webliche Schüler. Als sich nach wenigen Abenden zwei weitere Kerle in die Sprachschulgruppe mischten war klar, das wird nix. Ich bin danach noch nicht einmal mahr aus Freundschaft zu diesem Kurs gegangen, hatte Schalke genau an diesem Abend 6:0 in Frankfurt verloren.
Es war im Pokal, okay, aber es war auch sehr bitter!
Glück auf und meine besten Grüße an alle Fans vom Bezze
matthiaß
Hallo Matthias,
es wäre interessant zu wissen, wie Dein Bericht ausgefallen wäre, hättest Du gewust, daß der Park + Ride Platz – direkt an der Autobahn – unsere ehemalige Mülldeponie ist.
Also doch ekelig!!!!
Prima Bericht, sehr kurzweilig!
Prima Bericht! Wobei ich Deinen Kommentar fast noch witziger als den Bericht selber finde! 😉
P.S.: Kommentar meinerseits erst heute, da ich in der zurückliegenden Woche nicht bereit war mich mit der gezeigten „Leistung“ unserer Jungs auseinanderzusetzen… 😉