Europapokal oder Ruin?
Felix Magath hat mal wieder einen rausgehauen, diesmal im Stern. Und wieder ging es dabei am Rande auch um die leidige „Kleine Gruppe / Satzungsänderungs-Kiste“. Ganz ehrlich: Das Thema geht mir mittlerweile am verlängerten Rückgrat vorbei. Soll der Trainager doch weiterhin öffentlich schmollen, wenn er es denn will. Und auch die „Kleine Gruppe“ darf ruhig weiterhin mit zum Teil wahnwitzigen Argumentationsketten Lobbyarbeit betreiben. Ist mir wumpe.
Natürlich geht es im Stern hauptsächlich um das liebe Geld. Kurze Wasserstandsmeldung: Aktuell ist Schalke, so Magath, mal wieder ziemlich pleite. Obwohl nicht mehr ganz so pleite, wie vor eineinhalb Jahren, als er sich von Wolfsburg aus mit einem Zwischenstopp über Tönnies‘ Waldhütte gen Gelsenkirchen aufmachte. Nur hat er das damals bewusst nicht gesagt, was er (also Magath) nun nachträglich als Fehler ansieht. Deshalb sagt er es jetzt und weist auf seine Sanierungserfolge hin, auch wenn sie letztendlich wohl nur dazu geführt haben, dass der Verein immer noch pleite ist. Wasserstandsmeldung Ende.
Alles in allem also nichts Neues. Und deshalb verwundert es kaum, dass auch die vom Stern abschreibende Presse in alte Muster verfällt: „Europacup oder Ruin“ lautet kurz gesagt die Parole, die heute einmal mehr ausgegeben wird. Sollte es demnach in diesem Jahr nichts werden mit Platz 5, können sich die Kinder in Dortmund auf einen weiteren schulfreien Feiertag freuen. So lese ich es aus den aus der Konserve geholten und fix aufgewärmten Storys heraus, die heute WAZ, BILD und Co. füllen.
Der Europacup als Allheilmittel? Ganz ehrlich: Ich verstehe diese Argumentation nicht! Seit Jahren wird immer wieder darauf hingewiesen, dass eine Teilnahme an der Europa-League letztendlich ein Zuschussgeschäft sei. Noch im März 2010 schrieb Frank Hellmann auf sportschau.de zur Vergütung in der Europa-League:
Im Achtelfinale gibt es als Fixsumme 270.000 Euro, im Viertelfinale 360.000 Euro. Erst wer im Finale steht, kann ein bisschen Kasse machen – drei Millionen für den Sieger, zwei Millionen für den Finalisten. In den Zahlungen der UEFA sind Prämien, Fernseherlöse und Bandenwerbung berücksichtigt – da erscheinen 270.000 Euro im Vergleich zu den drei Millionen, die jeder Champions-League-Achtelfinalist sicher hat, als sehr gering an.
Könnte mir also bitte, bitte jemand erklären, warum es für Schalke existenziell wichtig sein soll, in einem Wettbewerb mitzuspielen, in dem die Verdienstmöglichkeiten offensichtlich irgendwo zwischen „Freundschaftsspiel auf dem platten Land“ und „1. DFB-Pokal Hauptrunde“ liegen? Ich will hier gar nicht auf das Worst-Case-Szenario vorbereiten oder den Ernst der Lage kleinschreiben. Auch möchte ich nicht den sportlichen Wert der Europa-League infrage stellen. Mir geht es tatsächlich nur um das Verständnis. Könnte es am Ende vielleicht sein, dass der Europacup – also auch die Europa-League – in erster Linie eine riesengroße Beruhigungspille für Fans, Vereine und Medien ist?
Was würde sich an Schalkes finanzieller Situation konkret ändern, wenn man über die Liga oder den Pokal tatsächlich noch den Sprung in die Europa-League schaffen sollte?
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5 Kommentare zu “Europapokal oder Ruin?”
Einen Faktor hast du meiner Meinung nach vergessen: Stars wie Raul und Huntelaar wollen im internationalen Geschäft spielen. Natürlich lieber in der Champions League, aber auch die Europa League ist für sie besser als gar nichts. Wenn Magath Spieler halten und neue Leistungsträger holen will, lässt es sich mit einem Platz im internationalen Wettbewerb leichter verhandeln…
Das finanzielle Interesse für den Verein besteht m. E. nach in den weiteren Heimspielen durch den UEFA-Cup, bzw. besonders durch die Einführung der Euro-League. Auf Schalke ist durch die Dauerkarteninhaber mit Schalke-Total-Option schon eine hohe Grundauslastung der Arena gegeben, dazu kommen noch die Tageskarten. Gerade durch Ersteres ist selbst gegen Vereine vom Kaliber FC Gomel eine gute Kasse zu machen. Das Spiel kann man dazu als Trainingseinheit unter Wettbewerbsbedingungen anrechnen…
Auch wenn heutzutage die Zuschauereinnahmen in den Bilanzen der Clubs eine immer geringere Stellung haben, sehe ich hier für den Verein den Ansatzpunkt. Ob die faulen Schreiberlinge, die mal wieder ihre Schalke-Schlagzeilen-Maschine angeworfen haben, soweit gedacht haben, kann ich allerdings nicht sagen.
@TObstar: Ob Rrraúl und Huntelaarrr ein unbedingtes Interesse haben, sich zwischen Ural, Karpaten und vorderem Orient einem breiten Publikum zu präsentieren bleibt dahin gestellt. Allein auf den Stress bei An- und Abreise kann man für sportlich nicht gerade attraktive Gegner sicher verzichten und auch die Zeit kann man besser fürs Training nutzen.
Ich glaube im Ãœbrigen, dass über die Bundesliga international sogar mehr berichtet wird, als über „Euro“-League-Spiele gegen Rotor Wolgograd oder die Spvvg. Ulan Bator…
Dazu noch eine persönliche Anmerkung in diese Richtung: obwohl ich (via Sky) viel Fußball schaue, kann ich mich nicht entsinnen, auch nur eine Euro-League-Begegnung wirklich aktiv verfolgt zu haben. Weder Bayer, noch Wob oder Schwatz-Gelb. Ich habe es durchaus versucht, fand es aber irgendwie uninteressant. Aber Frankfurt gegen Hannover z. B. habe ich Sonntag komplett geschaut. Komisch, oder?
Diesen Faktor (@TObstar) habe ich nicht vergessen, ich habe ihn bewusst ausgeklammert. Du hast natürlich recht, dass es für das Renomee eines Clubs besser ist, international zu spielen. Aber mir ging es hier ausnahmsweise nur um die Frage der Finanzen.
Der allgemeine Tenor ist doch immer wieder: Ohne internationalen Wettbewerb kann Verein XY einpacken. Glaubt man jedoch den Aussagen aus Leverkusen, Wolfsburg und Co. in dem sportschau.de-Artikel, ist die Europa-League finanziell in etwa so lohnend wie die Teilnahme am Efes-Cup im Trainingslager.
Ich glaube, das Hauptproblem der Sportpresse ist, dass sie Europapokal immer mit „sehr viel Geld“ und „kein Europapokal“ mit „gar kein Geld“ gleichsetzt. Das hat vielleicht früher gestimmt, als uns in den 80er-Jahren flimmerige TV-Bilder von den Europapokal-Spielen deutscher Mannschaften irgendwo im Ostblock erreichten und der Kommentator via rauschender Telefonleitung seinen Job versah. Aber mittlerweile dürfte doch bekannt sein, dass der ehemalige UEFA-Cup, die Europa-League, nicht einmal ansatzweise die Einnahmen bringt, wie die Champions-League. Und trotzdem wird weiter fleißig an der Mär gestrickt, dass mit einer Europapokalteilnahme alles wieder gut ist.
Ganz konkret auf Schalke bezogen: Der Einzug ins CL-Viertelfinale würde de facto mehr Geld einbringen, als drei Europa-League-Teilnahmen in Folge! Das kann man sich anhand der UEFA-Unterlagen ausrechnen. Es wird dennoch niemals irgendwo ein Artikel erscheinen „Schalke steht im CL-Viertelfinale – jetzt ist die Europa-League keine Pflicht mehr!“
Kurzum: Die Verknüpfung von „Europapokalteilnahme“ und „wirtschaftlicher Existenz“ ist für mich nicht statthaft. Entweder die Presse nennt das Kind beim Namen – Champions-League! – oder sie schreibt über den sportlichen Misserfolg, der zum Verfehlen von Platz 5 geführt hat. Aber zu behaupten „Club XY ist nicht in der Europa-League und genau deshalb jetzt in schwersten finanziellen Schwierigkeiten“ ist gelinde gesagt brandgefährlicher Bullshit.
@Bene: Zuschauereinnahmen – klar, das ist natürlich ein Thema und ich glaube, dass die Vereine mittlerweile wieder sehr genau auf die diese Einnahmen schielen, wie auch die ligaweiten Eintrittspreiserhöhungen der letzten Jahre zeigen. Aber selbst wenn man auf drei (bzw. vier, mit der vorgeschalteten Quali-Runde) garantierte Heimspiele in der Europa-League verzichtet, macht man eben in der Sommerpause ein Freundschaftsspiel mehr, bekommt mit etwas Glück in der zweiten DFB-Pokalrunde ein Heimlos gegen einen Zweitligisten und richtet den Schalke-Tag wieder als eigenständige Veranstaltung aus. Zu letzterem kommen dann über 100.000 Leute, die zwar keine Tickets kaufen, dafür aber völlig überteuerten Merchandising-Kram.
Abgesehen von den Zuschauereinnahmen in der Euroleague ist dieser Wettbewerb vor allem für die Sponsoren wichtig.
Diese haben ein erhöhtes Interesse daran, ihr Produkt bzw. ihre Marke international zu präsentieren.
Sponsorenverträge sind heutzutage zu einem erheblichen Teil danach ausgerichtet, ob der Verein an einem europäischen Wettbewerb teilnimmt.
@elise: Da die Europa-Liga ja zentral vermarktet wird (alle Werbebanden werden von den Europa-Liga Sponsoren abgedeckt), denke ich dass lediglich Gazprom (und evtl Adidas) eine Prämie für das Erreichen der Europa Liga zahlen wird. Aber es war ja mal zu lesen, dass der Gazprom-Vertrag extrem erfolgsbasiert ist, deshalb denke dass allein diese Einnahmen nicht zu unterschätzen sind.
Ausserdem übersieht Matthias das Startgeld (1 mio Euro) und Siegprämien (140.000 Euro). (Quelle: http://www.goal.com/de/news/956/europa-league/2010/09/13/2116871/uefa-hebt-die-pr%C3%A4mien-in-der-europa-league-an )
Bei einer sehr groben Rechnung mit der relativ konservativen Annahme, dass Schalke das Achtelfinale erreicht und dann ausscheidet, komme ich auf folgende Einnahmen:
Uefa Prämien (Startgeld, Achtelfinalprämie, 5 Siege): Ca. 2 mio Euro
Prämie Gazprom (komplett geschätzt): ca. 1,5 mio Euro
Zuschauereinnahmen (6 gut gefüllte Heimspiele (Playoff, 3 Gruppenspiele, 16tel-Finale, 8tel-Finale, ist immerhin 1/3 zusätzlich zu einer normalen Saison), 6 * 50.000 * Ø 25 Euro): 7,5 mio Euro
Ausserdem steigt durch eine gute Bundesligaplatzierung Schalkes Anteil am TV-Geldpool der DFL, aber das lasse ich aussen vor.
Macht also zusammen 12 mio Euro. Davon muss man allerdings die Spielerprämien (sowohl für das Erreichen der Europaliga in dieser Saison als auch Auflauf- und Siegprämien in der nächsten Saison) abziehen. Das sind sicherlich (komplett geschätzt) mindestens 5 mio Euro. Ausserdem noch Reisekosten (6 Auswärtsspiele) und Veranstaltungskosten (Ordner etc) von ca. 2 mio Euro.
Es bleiben also maximal 5 mio Euro. Das ist sicherlich nicht vergleichbar mit den 30 mio aus der Championsleague, und Schalke wird würde wegen dem Fehlen dieser 5 mio sicherlich nicht Pleite gehen (Eher schon wegen dem Fehlen der CL-Einnahmen). Ausserdem muss man berücksichtigen dass durch die Mehrbelastung der Spieler evtl die Leistungen in der Bundesliga schlechter werden.
Anderseits kann man sich davon immerhin 1 Jahr Raul leisten, oder zumindest verhindern dass Leistungsträger verkauft werden müssen weil man auf die Einnahmen angewiesen ist.
Hier ist übrigens noch ein sehr guter aktueller und ziemlich ausführlicher Artikel über die Finanzlage (leider auf English):
http://swissramble.blogspot.com/2011/01/grounds-for-concern-at-schalke.html