Der, der als Stürmer eine Generation prägte
Im Rahmen einer kleinen Serie veröffentliche ich Auszüge aus einer rund 36 Jahre alten Kladde einer damals jugendlichen Anhängerin und nehme dies zum Anlass, selbst ein wenig in Erinnerungen zu schwelgen. Jeder Leser dieser Seite ist eingeladen, es mir gleichzutun.
Jede Fangeneration hat ihre Stürmer. Für meine Frau, die ein paar Jahre jünger als ich ist und auch erst im gehobenen Jugendalter zum S04 stieß (allerdings bereits lange bevor sie mich kennenlernte), wird Kevin Kuranyi immer einen besonderen Platz einnehmen, auch wenn sie Ebbe Sand – eine andere stilbildende Stürmerikone auf Schalke – natürlich ebenfalls noch spielen gesehen hat. Wäre sie ein paar Jahre älter, würde ihr Herz wahrscheinlich bei der Nennung des dynamischen Duos Max und Mulder höher hüpfen. Der UEFA-Cup-Triumph ohne diese beiden? Undenkbar! Auch wenn ausgerechnet jene Spielzeit für „M&M“ den Anfang vom Ende ihrer Karriere auf Schalke bedeutete. Youri Mulder kam nie wieder richtig auf die Beine, Martin Max genügte schon bald nach der magischen Nacht von San Siro nicht mehr den Ansprüchen, die er mit seinen Toren im Europapokal und in der Liga selbst hochgeschraubt hatte.
„Mein Stürmer“ hatte nicht die Möglichkeit auf Schalke eine Ära zu begründen. Dafür währte seine aktive Karriere im königsblauen Dress zu kurz und war zu sehr vom Verletzungspech gekennzeichnet. Dennoch markiert sein Erscheinen auf Schalke einen Wendepunkt in der Vereinsgeschichte. Ich rede von Peter Sendscheid, der die Zweitligaspielzeiten 1989/90 und 1990/91 mit insgesamt 28 Treffen entscheidend prägte und großen Anteil am Aufstieg im Mai 1991 hatte.
Sollte ich den Spielertypus Sendscheid beschreiben, würde ich „moderner Stürmer“ sagen und damit meinen, dass er eben keiner war, der blindlings seinen Körper in Flanken knallte. Sendscheid pflegte stattdessen die feine Klinge, scheute sich nicht vor dem Dribbling und erzielte seine Tore eher in spielerischer Manier denn als Abstauber. Dennoch wusste er, wo sein Platz auf dem Feld war, rieb sich nicht im Mittelfeld auf und sparte sich so die Kraft für den einen schnellen Antritt, der ein Spiel entscheiden kann. Natürlich war das Spiel damals – ohne Doppel-Sechser, flache Vierer oder Dreier- bis Viererketten, dafür aber mit Libero – noch ein ganz anderes. Ich glaube dennoch, dass ein Typ wie Peter Sendscheid sich auch heute in der Bundesliga durchsetzen könnte. Beweisen kann ich es natürlich nicht.
Peter Sendscheid blieb diese Chance verwehrt. Kurz nach dem Aufstieg verletzte er sich bei einem Hallenturnier, und obwohl es zunächst anders aussah, kam er danach nie wieder richtig auf die Beine. Das Knie spielte nicht mehr mit – Knorpelschaden. Am 27. August 1994 stand er zum letzten Mal für Schalke auf dem Feld. 1995 stellte er im Alter von nur 29 Jahren den Antrag auf Sportinvalidität.
Viele Interviews hat Peter Sendscheid nach dem Ende seiner Laufbahn nicht mehr gegeben. Das für mich – auch aus der damaligen Zeitperspektive heraus – Bemerkenswerteste erschien im Juni 1995 direkt nach dem Ende seiner Profizeit im „Schalke Unser“.
Und was ist jetzt mit Klaus Fischer? Sorry, aber der war eindeutig vor meiner Zeit und ist deshalb Stürmer einer anderen Generation. Vielleicht hat ja ein anderer – jemand für den Klaus Fischer so wichtig war wie für mich Peter Sendscheid – die Lust, seine Gedanken zum Schalker Jahrhundertstürmer aufzuschreiben. Nur zu!
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Bisher im Rahmen der Reihe veröffentlichte Beiträge:
- Teil 01: Prolog
- Teil 02: Der Hexenkessel aus dem Ruhrgebiet
- Teil 03: Der ewige zweite Mann
- Teil 04: Der Wald stirbt – Die Tanne steht!
- Teil 05: Bayernliga statt Tabakwaren
- Teil 06: Nicht alle waren Helden
- Teil 07: Der, der sich gegen Dortmund nicht einmal umzog
- Teil 08: Der, der niemals da war
- Teil 09: Der erste Beckham
- Teil 10: Der Unterschied zwischen Spielern und Helden
- Teil 11: Eine Stadionwurst mit dem Spargeltarzan
Abgelegt unter Schalke
4 Kommentare zu “Der, der als Stürmer eine Generation prägte”
Treffen den guten Peter ab und an im hiesigen Einkaufszentrum. Wenn Du magst, führe ich gerne ein aktuelles Interview, nur für Dich…
Peter Sendscheid war doch beim Bau der Arena im Marketign tätig und hat die Bausteine verkauft. Ist er nicht mehr für Schalke tätig und wenn nicht, was tut er, außer einkaufen? 😉
Klaus Fischer war DER Stürmer meiner Kindheit/Jugend: als er das Tor gegen die Schweiz 1977 erzielt hat, durfte ich das mit meinen 11 Jahren miterleben. Später wurde dieses Tor zum Tor des Jahrhunderts gewählt.
Ich habe mir von meinem Taschengeld jeden Kicker gekauft, auf dem auf der Titelseite über ihn berichtet wurde und mein Eindruck ist bis heute, dass Klaus Fischer einer derjenigen ist, die auf dem Boden der Tatsachen geblieben sind und versucht haben, ehrliche Arbeit abzuliefern. Den Bestechungsskandal verbuche ich mal unter „Jugendsünde“.
Als Fußballer hatte er als Schalker schon eine schlechtere Lobby als wenn er z.B. Bayernspieler oder Gladbacher gewesen wäre. Er war ein Spieler mit einem unglaublichen Torinstinkt, wie man ihn heute wohl nicht mehr findet – oder ist das Spiel heute einfach zu schnell dafür??
Bis heute ist er mir sympathisch geblieben.
@Matthias: Vielen Dank für deine Beiträge und besonders für diese spezielle Serie!!
Bei mir ist es wie bei Ludger,auch ich war 11 Jahre alt bei diesem denkwürdigen Tor.Ich komme aus S-H und bin wegen Klaus zum Schalker geworden.Die Älteren erinnern sich Gerd Müller schoss die meisten und Klaus Fischer die schönsten Tore und so war es auch.Ein unglaublicher Spieler.
Wobei Klaus glaube ich immer noch der 2. in der ewiegen Torjägerliste der Bl ist.
Ebbe Sand fand ich auch stark,rein vom menschlichen schon.Mal gucken wer die nächste „Ikone“wird.Vielleicht der Hunter ich traue es ihm zu.