104% pro Albert Streit!
Der Bäcker backt. Der Fußballprofi spielt Fußball. Für ihre Tätigkeiten erhalten beide Geld. Hier enden die Gemeinsamkeiten. Die Unterschiede zwischen dem Beruf des Bäckers und dem des Fußballprofis sind so eklatant, dass es sinnlos ist, nach einenden Eigenschaften zu suchen. Der gerne in der Fankurve getätigte Ausspruch „So eine Leistung sollte ich mal in meinem Job abliefern…“ geht so weit am Thema vorbei, wie eine Mondrakete, die auf dem Mars einschlägt. Vergleiche zwischen „normalen Berufen“ mit dem des Fußballprofis sind ohne Ausnahme populistischer Murks. Das „Fußballprofitum“ ist kein Beruf, sondern eine Tätigkeit in einer Scheinwelt, die sich zu 100% aus der realen Welt finanziert. Die Weltbevölkerung könnte gut ohne Fußballprofis leben, ohne Bäcker wäre es schon schwieriger.
Der markanteste Unterschied ist, dass ein Fußballprofi nicht für die Leistung bezahlt wird, die er aktuell abliefert, sondern für die, die er früher abgeliefert hat. Hat sich der Fußballprofi besonders geschickt angestellt und kurz vor der Unterschrift eines neuen Vertrages eine famose Leistung gezeigt, garantiert ihm das auf Jahre ein stattliches Einkommen – egal was danach von ihm kommt, bzw. nicht kommt.
Der „Fall Albert Streit“ schlug auch deshalb so große Wellen, weil er den Fans, die mit ihren Geldern die Scheinwelt finanzieren, verdeutlichte, dass der normale Leistungs- und Vergütungsgedanke bei Fußballprofis nicht zum Tragen kommt. Streit unterschrieb auf Schalke einen gut dotierten 4 ½-Jahresvertrag, der ihm ein Einkommen von jährlich 2,2 bis 2,5 Millionen Euro garantiert. Es war – aus diversen Gründen – die letzte große Leistung, zu der er sich auf Schalke hinreißen ließ. Seitdem gibt er freimütig zu, den „besten Vertrag seines Lebens“ auszusitzen.
Zwei von drei Lesern werden jetzt aufstöhnen und sagen: „Ja und? Der macht’s genau richtig! Ich würde es ganz genau so machen!“ Aus der Sicht der „realen Welt“ mag das durchaus stimmen. Albert Streit jedoch lebt und arbeitet – ich schrieb es bereits – in einer Scheinwelt.
In dieser Welt gelten andere Regeln. Es sind Regeln, die sich die Bewohner der Scheinwelt stillschweigend selbst auferlegt haben, um von der realen Welt akzeptiert und finanziert zu werden. Hier ist der aktuelle Arbeitgeber grundsätzlich der Allerbeste. Die Kollegen sind grundsätzlich Freunde. Und die Fans sind selbstredend immer der größte Rückhalt. In der Scheinwelt ist – zumindest scheinbar – das Geld reine Nebensache. Stattdessen geht es darum, Einsatzzeiten zu sammeln, also „arbeiten zu dürfen“. Das größte Ziel eines Fußballers ist es, irgendwann das Meisterstück eines Goldschmieds in die Luft zu recken, in Bier zu duschen und sich der Haarpracht zu entledigen. Dieser Aussicht hat er sich mit Herz und Verstand verschrieben.
Albert Streit hat diese Regeln missachtet. Er hat sich keine Freunde gemacht – weder in der Schein-, noch in der realen Welt. In einem Jahr läuft sein Vertrag auf Schalke aus. Er wird dann 32 Jahre alt sein. Unter normalen Gesichtspunkten wird das Ende der Vertragslaufzeit das Ende seines Lebens in der Scheinwelt bedeuten. Ohne Leistungsnachweis aus den letzten vier Jahren dürfte es ihm ähnlich ergehen wie dem Bäcker, dessen Brot ständig verbrennt. Die Arbeitslosigkeit droht. Existenziell wird diese Situation angesichts von knapp 10 Millionen Euro, die er dann auf Schalke verdient haben wird, nicht werden. Für Mitleid existiert kein Raum.
In den letzten Wochen ging das Gerücht, Schalkes Manager Horst Heldt verhandele mit einem potenziellen Abnehmer für Albert Streit. Gemunkelt wird von einem Ausleihgeschäft mit anschließender Kaufoption, für den abnehmenden Verein damit versüßt, dass Schalke während der Ausleihzeit einen Teil des Streit’schen Gehalts übernimmt.
Ich wünsche mir, dass Albert Streit bis zum letzten Tag seines Vertrages ein Angestellter des FC Schalke 04 sein wird. Ich könnte es nicht akzeptieren, wenn mein Verein sich finanziell daran beteiligt, Albert Streit einen über die Jahresfrist hinausgehenden Aufenthalt in der Scheinwelt zu ermöglichen. Ihn auszuleihen und einen Teil des Gehalts zu übernehmen wäre eine berufliche Wiedereingliederungsmaßnahme. Diese Chance hätte er vor zwei Jahren wahrnehmen können. Er hätte sie vor einem Jahr wahrnehmen können, auch in der Winterpause stand ihm diese Option offen. Doch er tat es nicht und verwies auf den „besten Vertrag seines Lebens“. Dass er nun durchaus dazu bereit sein könnte, zu den beschriebenen Konditionen den Verein zu wechseln, hat nichts mit einer Läuterung zu tun, sondern lediglich mit der Erkenntnis, dass auch der beste Vertrag endlich ist.
Klar, Schalke könnte bei einer Ausleihe mit teilweiser Gehaltsübernahme sicherlich eine Million Euro sparen. Angesichts der dann an Streit ausgezahlten rund neun Millionen Euro war seine Verpflichtung dennoch ein wirtschaftlicher Totalschaden. Der FC Schalke ist so oder so der Verlierer. Die einzige Möglichkeit, die der Verein jetzt noch hat, ist Stärke zu zeigen, für die Liga ein Exempel zu statuieren, auf die letzte Million zu pfeifen und so zumindest zu verhindern, dass der Spieler durch einen „Wiedereingliederungsvertrag“ für sein Verhalten belohnt wird.
Es entsprach in den letzten Jahren nicht Albert Streits Lebensplanung, sich den Regeln der Scheinwelt unterzuordnen. Das Fußballspiel und die damit verbundenen Ideale, denen täglich Millionen Nachwuchskicker zustreben, scheinen ihm in dieser Zeit zuwider geworden zu sein. Man sollte diese Lebensplanung akzeptieren und ihm das geben, worauf er seit seinem 28. Lebensjahr hingearbeitet hat.
Aus diesem Grund: 104% pro Albert Streit bis 2012!
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9 Kommentare zu “104% pro Albert Streit!”
Das seh ich ganz anders. Sollte Geld im Millionenbereich eingespart werden können, ist das viel Holz. Wer sagt, sch… auf die Million, hat sich auch ein wenig von der „Scheinwelt“ einlullen lassen.
Zudem sag ich: Albert, aus den Augen, aus dem Sinn! Denn wer kennt ihn nicht aus der Realarbeitswelt, den Kollegen, den man viele Jahre mit durchschleppt, der keine Leistung bringt, der sich – oft erfolgreich – vor Arbeit drückt, die andere mit übernehmen müssen. Und was fällt nicht alles ab von einem Team, wenn der/die dann endlich weg ist.
Egal, wie isoliert Streit bei S04 mitläuft und wie vergleichbar kurz man ihn noch mittragen muss: sollte Heldt eine Lösung finden, um ihn vor Vertragsende loszuwerden – fort mit ihm!
Schließlich sagt es etwas über Heldts Arbeitsauffassung aus: dass es ihm nicht nur darum geht, sich mit populären Einkäufen zu schmücken, sondern auch darum, sich um Altlasten und unliebsame Themen zu kümmern; das gefällt mir.
Hört sich erstmal nachvollziehbar an. Ich denke aber, wenn wir ihn bis 2012 aussizten lassen, und er danach noch spielen möchte, dann heuert er irgendwo für 6 MoNate für kleines Geld an und holt sich dann ggf. den Anschlussvertrag. Interessenten wird es auch dann geben, es scheint sie ja auch jetzt zu geben (was an und für sich der Skandal ist).
Nicht (nur) der FC Schalke muss hart bleiben, sondern vor allem die anderen Vereine. Keiner von denen darf so einem „Profi“ noch eine Beschäftigung anbieten!
Eine intelligente Analyse und in entscheidenden Teilen gelungene Polemik mit moralischer Grundhaltung. Wie heißt es so schön: ich schließe mich vollinhaltlich an …
Danke Matthias, Danke Henning,
zu deiner Meinung Matthias kann man nur die Hoffnung von Henning hinzufügen. Ich hoffe, dass kein Verein noch auf die Idee kommt, diesem „Nichts“ noch einen Vertrag anzubieten, egal ob wo der Verein nächstes Jahr in der Liga steht (Stichwort:
Abstiegskampf). Schalke muss hart bleiben, die Bundesligavereine sollten hart bleiben. Wir haben in den letzten Jahren viel Geld für Gehälter verbrannt. Da kommt es auf die eine Millionen auch nicht mehr drauf an. In der nächsten Saison muss ich auch zur Arena ohne die Bogresta kommen, weil alles zu teuer ist.
Auf eine bessere Saison.
Hallo Matthias ich verstehe deine Wut, aber wir können mit der Personalie Albert Streit kein Exempel statuieren.
Wenn wir auch nur 500.000 € einsparen , dann ist diese Option zu wählen. Es gibt sehrviele Leute(wahrscheinlcih auch einen Bäcker) mit wenig Geld, welche für Ihre Verhältnisse einen grossen Betrag von 1.904 € in eine Schalke Anleihe gesteckt haben, da der Verein das wichtigstes für sie ist. Daher ist Horst Heldt dazu verpflichtet die Kosten zu senken.
Das Argument ob 9 Mil oder 10 Mil kein Unterschied machen, kann ich nicht nachvollziehen. Die Vergangenheit kann nicht geändert werden, aber ab heute kann gespart und gut gewirtschaftet werden.
Des Weiteren halte ich die Personalie Albert Streit für unwichtig im deutschen Fussball. Ein Exempel kann zurzeit nur unser „guter alter“ Felix erzeugen, indem ein Diego den Rest seiner Laufzeit in der 4. Liga spielt….Golfsburg kann sich dies auch leisten im Vergleich zu uns…
Fragt sich nur, ob allein Fussballer in einer Scheinwelt leben oder viele Fans auch.
Egal. Beim Torhüterangestellten haben viele hier emotional argumentiert. In Bezug auf Herrn Streit allerdings wird die Wirtschaftlichkeit in den Vordergrund gerückt.
Aus meiner Sicht ist ein Weggang sowohl von MN als auch von AS wirtschaftlich sinnvoll.
Beste Grüße
Diese „Scheinwelt“ wird es Herrn Streit ermöglichen, noch weiter Geld zu scheffeln. Etwas weniger zwar, ein paar Klassen weiter unten sicher, aber unsereins wird soviel Geld nie kriegen, wie er bei einem „ambitionierten“ Amateurverein erhalten kann. Ein potenter Geldgeber, der seinen Dorfverein in die Bundesliga führen will, findet sich hinter der nächsten Hausecke… Und nach der „Karriere“ schlupft der Mann bein einem Spielerberater unter, und das süße Leben geht weiter!
@uwe
dann hat er ja augenscheinlich alles richtig gemacht …
Sollte es uns möglich sein bei dieser Personalie Geld einzusparen müssen wir diese auch wahrnehmen. Im Zweifel bezahlen wir ihn doch noch ein ganzes Jahr sein volles Gehalt und er findet im nächsten Sommer dennoch irgendeinen Zweitligisten der ihm für seine letzten 2 Jahre je 200.000 € überweist …
Wenn wir dann bei AS ein wenig einsparen kann Schalke ja vllt auch davon der BOGESTRA das Bus- und Bahnticket bezahlen …