Fassungslose Erklärungsversuche

19. Aug. 2011 | 10 Kommentare

Helsinki war Schalkes sportlicher Offenbarungseid, in der Außenwirkung ähnlich einzuschätzen wie dereinst Enschede oder Nancy. Ob das 0:2 genau das richtige Ergebnis war, oder ob nicht doch ein 1:2 oder ein 0:3 verdienter gewesen wäre, ist eine nutzlose Diskussion. Allein die Tatsache, dass sich Schalke beim finnischen Meister derart abkochen ließ, dass man nur phasenweise agieren konnte und nicht reagieren musste, stimmt bedenklich. Es bleibt die Frage, wie es dazu kommen konnte. Nimmt man einmal Faktoren wie „mangelnde Einstellung“, „fehlende Spieler“ und „Scheiße am Schlappen“ heraus, muss man feststellen: Schalke war einfach schlechter als Helsinki und fand zu keinem Zeitpunkt ein Mittel gegen das finnische Abwehrbollwerk. Ganz im Gegenteil führte nahezu jeder verzweifelte Angriffsversuch der Königsblauen dazu, dass die eigene Abwehr blankzog und gegnerischen Kontern Tür und Tor öffnete.

Das ist nicht erst seit gestern so. Auch gegen Stuttgart war dieses Phänomen zu beobachten und selbst gegen Köln. Dass nun auch ein international – sorry HJK – eher dritt- als zweitklassiger Gegner diese strukturelle Schwäche im Schalker Spiel erkannte und ausnutzen konnte, lässt bei mir sämtliche Alarmglocken läuten. Schalke tat sich in den letzten 20 Jahren immer schwer gegen defensiv eingestellte Gegner. Ich erinnere mich an Spiele gegen 1860 München oder Hansa Rostock, die im alten Parkstadion in schöner Regelmäßigkeit mit einfachsten Mitteln einen Punkt mitnahmen. Einen Punkt – mehr aber auch nicht. Denn die alten Schalker Mannschaften lebten und spielten defensiv bedachter als das jetzige Team. Der Grundsatz „Die Null muss stehen!“, den Huub Stevens einst dem gesamten Verein einimpfte, wirkte über eineinhalb Jahrzehnte nach und wurde von Spielern wie de Kock, Hajto, Waldoch, Krstajic oder Bordon gelebt und an die nachfolgende Generation weitergegeben. Die Akteure der aktuellen Schalker Abwehrreihe, die mit Ausnahme von Benedikt Höwedes den Namen Huub Stevens noch nicht einmal aus Erzählungen kennen werden, sehen ihre Rolle mehr in der Spieleröffnung denn in der Toreverhinderung. Das ist legitim. Das ist moderner Fußball. Aber das kann auch – siehe gestern – ganz böse ins Auge gehen.

Noch ist nicht aller Tage Abend. Zur Halbzeit steht es 2:0 für den Gegner. In einer Woche kann Schalke vieles von dem reparieren, was die Mannschaft gestern in den Sand gesetzt hat. Vielleicht gelingt ein schneller Treffer, der auch gestern möglich war. Vielleicht löst sich dann die Brust und Schalkes hoch veranlagte Mittelfeldakteure zeigen das, was sie können. Vielleicht fliegen dann die Flanken nicht allesamt über die Köpfe der Stürmer hinweg ins Toraus. Vielleicht ist man dann auch einmal einen Schritt schneller als der Gegner. Es ist eine Frage des „vielleicht“. Auf einem „vielleicht“ baue ich jedoch ungerne eine Mannschaft auf. Ein „sicherlich“ wäre mir lieber. Ganz besonders in Bezug auf unsere Abwehr und am liebsten schon übermorgen in Mainz.

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Bild: Finnisches Fernsehen YLE (Screenshot), geknipst von Rainer aus Böblingen.

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10 Kommentare zu “Fassungslose Erklärungsversuche”

  1. Old Schalkeam 19. August 2011 um 12:49 1

    Das war ein absoluter Offenbarungseid und ein Vorgeschmack auf diese Runde.
    Vielleicht sollte man Jones,Streit,Uschida und andere abgeben,dann könnte man das Gehalt von Raul locker bezahlen!

  2. HanseKnappeam 19. August 2011 um 13:10 2

    Am meisten verwirrt hat mich das mangelnde Devensivverhalten. Matip (ich mag den Jungen) ist total überfordert mit der alleinigen 6, oder gab es eine zweite ? Bei nahezu jedem Angriff haben sich ein bis drei Verteidiger eingeschaltet, prinzipiell nicht schlecht nur sollten doch nach den ersten paar Kontern ein klein wenig Umdenken einsetzen. Müsste nicht auch von der Bank eine Reaktion kommen ? So rennt man offenen Auges in eine Niederlage die sicher lich einfach zu vermeiden war. Ich will gar keine neue Personaldiskussion aufmachen aber ich bin mir sicher, mit Jones oder/und Kluge wäre der Defensivverbund deutlich stabiler und weniger kreativ geht ja leider sowieso nicht mehr. Mir fällt nach diesem Spiel eher auch einer unserer anderen Ex-Trainer ein. Der war auch Holländer und hieß nicht Stevens. Alles in allem ganz schön erschreckend. Ich hoffe wir kriegen hier schnellstmöglich die Kurve !!! Glück auf…

  3. Carlito69am 19. August 2011 um 13:34 3

    „Ganz im Gegenteil führte nahezu jeder verzweifelte Angriffsversuch der Königsblauen dazu, dass die eigene Abwehr blankzog und gegnerischen Kontern Tür und Tor öffnete.“

    Ja, das macht auch mir am meisten Angst. Wie soll das nur gegen offensivstarke Gegner enden?!?

  4. Di Ospeoam 19. August 2011 um 14:14 4

    @HanseKnappe: also beim Besten Willen aber Matip hat sich von allen Defensivakteuren gestern noch am ehesten gewehrt. Der musste ja sogar die Bälle in die Spitze spielen und am gegnerischen Strafraum mit seinen langen Beinen dazwischen gehen weil im Mittelfeld Holtby und Draxler Totalausfälle waren. Die linke Seite mit Draxler und Uschi hat defensiv wie offensiv keine einzige vernünftige Aktion zustandegebracht, Höger und Moravek haben es zumindest noch vesucht.
    Ein Kluge oder Jones hätten bei der Unterstützung der MItspieler auch nichts machen können, das hat man bei Jones ja schon in Stuttgart gesehen… Meiner Meinung nach funktioniert das System einfach (noch) nicht und dann muss man es im Pflichtspiel auch einfach mal ändern und nicht auf Teufel komm raus daran festhalten … naja Mund abputzen und weitermachen

  5. Henningam 19. August 2011 um 21:08 5

    Wie lange soll es denn so im Durchschnitt dauern bis eine Mannschaft ein „System“ verstanden hat? Was macht denn ein System bzw das von RR so schwierig, dass man es nach 2 Monaten Vorbereitung gegen unterklassigste Gegener nicht umsetzen kann? Wo waren überhaupt die Ansätze des Systems? Ich höre immer nur „Pressing“. Sehen kann ich davon aber fast nichts. Jedenfalls nicht so, dass man das „System“ nennen könnte. Auch gegen Köln nicht, obwohl wir da zugegebenermaßen ein paar Balleroberungen hatten. Aber das haben ja auch alle Teams.

    Was ich eigentlich sagen wollte: ich habe Verständnis für einen Neuaufbau. Für neue Spieler, ein neues „System“. Aber ich sehe von diesem System im Grunde nichts! Kurz: Wüsste ich es nicht, und ich sollte schätzen, ich wäre mir nichts sicher, dass ich darauf käme, unser Spiel als aktives Pressing zu beschreiben!!!

  6. Rudinhoam 19. August 2011 um 23:02 6

    Henning schrieb: „Aber ich sehe von diesem System im Grunde nichts!“

    Ich meine:
    Doch, konnte man sehen. Beherztes Attackieren des Gegners beim Spielaufbau, der zu Fehlern verleitet wird.
    Bestes Beispiel von gestern war Joel Matip. Leider nicht als Forechecker, sondern als Opfer.

  7. holzboy 04am 20. August 2011 um 11:44 7

    Hoch veranlagt !
    Soll ich mal schreiben wer auf Schalke alles hoch veranlagt war.Ich glaube er geht die Tastatur in Ar…h . Ausgeliehen halbswegs Leistung gebracht , kaum zurück und aus die Maus und OLD SCHALKE Hr. Heldt wurde noch gerne Spieler an den Mann bringen,nur es will sie keiner (außer NEUREICHE Russische Vereine). Jurado (10 Milli. zu teuer),Huntelaar (6 Milli. zu teuer),Jones Gehalt (Albert ist auch noch da).Deswegen die Kohle von der C.L. im letzten Jahr ist weg ,nur man darf nicht sagen.Auf die Reaktion Sonntag bin ich gespannt (bin im Stadion). Die Spieler sagen immer Schalke hat Geile Fans(stimmt).Der Verein braucht aber auch Geile Spieler!.

    Glück auf!

  8. HanseKnappeam 20. August 2011 um 12:19 8

    @Di Ospeo

    Ich bin da ganz bei dir und habe mich vielleicht schlecht ausgedrückt. Ich möcht Matip ja nichts ankreiden sondern meinte nur das ein etwas defensiverer Nebenmann ihm deutlich mehr helfen würde als ein Hurra-Fußballer. Dazu kommt ja auch noch das er durch mangelnde Bewegung der Vorderleute häufig zu riskanten Pässen gezwungen wurde die ohne der nötigen Absicherung häufig mit Donnerhall zurück kamen.
    Ich glaube halt ein „Kampfschwein“ hat da gefehlt !

    Hoffnungsvolle (auf baldige Besserung) Grüße von der Ostsee…

  9. Uerdingeram 20. August 2011 um 16:58 9

    Das System vom Trainer war schon in Ansätzen erkennbar. Allerdings fragte ich mich eher, wo ist die Spielintelligenz der Spieler hin. Als Profi muss ich doch in der Lage sein das System eines Trainers, und wenn er es mir einen Tag vorher erklärt, umzusetzen. Als junger Profi-einsteiger ist es vielleicht noch schwer. Was ich von einem Profi mindestens verlange, ist soviel Spielintelligenz, dass, wenn alle im gegnerischen 16er stehen , hinten jemand fehlt.

    So eine Leistung gegen Dortmund oder andere spielstarke Mannschaften und es rappelt gewaltig im eigenen Kasten. Ich bin mal gespannt, was es morgen gibt. ich befürchte das Schlimmste und lasse mich gerne eines Besseren belehren.

    Glück auf.

    PS: Dem letzten Satz von Holzboy schließe ich mich an.

  10. Henningam 21. August 2011 um 13:51 10

    Jetzt ist es sicher:

    http://www.schalke04.de/aktuell/news/einzelansicht/artikel/raul-bleibe-definitiv-auf-schalke-und-werde-vertrag-erfuellen.html