Ein Spiel mit Dritteln
Fußball wird in zwei Halbzeiten gespielt. Jede ist 45 Minuten lang – plus jeweils ein wenig Bonuszeit. Am Samstag präsentierte Schalke beim 3:1-Sieg gegen Hoffenheim jedoch ein Spiel in drei Dritteln. Und wie es sich für ein Drittel von 90 Minuten gehört, war jedes von ihnen fast exakt 30 Minuten lang. Schalke legt los wie die Feuerwehr und belohnt sich mit der Führung (Teil 1); Schalke lässt sich völlig ohne Not von der TSG Hoffenheim die Spielkontrolle entreißen und kassiert den Ausgleich (Teil 2); Schalke berappelt sich wieder und fährt mit voller Wucht einen verdienten Sieg ein (Teil 3). Das war – grob zusammengefasst – die beinahe schon drehbuchartige Dramaturgie des 11. Spieltages.
Wer nach diesem durchweg unterhaltsamen Spiel zweier offensiv agierender Mannschaften aus Schalker Sicht unbedingt etwas kritisieren will, der wird den Hebel im Mittelteil ansetzen müssen. Denn als Schalke sich nach einer druckvollen Startphase die Führung erarbeitet hatte, ließ man plötzlich die Zügel schleifen. Man gestattete es Hoffenheim ins Spiel zu kommen und lauerte bereits früh nur noch auf den einen Konter, der die Vorentscheidung bringen könnte. Plötzlich wurde das Mittelfeld eben nicht mehr mit schnellen, direkten, trickreichen Spielzügen überbrückt, sondern mit langen Bällen, die eine viel zu einfache Beute der Gäste-Abwehr wurden. „Hoffenheim agiert, wie eine Heimmannschaft agieren muss“ hackte ich nach gut einer Stunde Spielzeit verärgert in mein Smartphone. Kaum hatte ich diesen Tweet abgesetzt, zappelte der Ball auch schon im Schalker Netz. „Ibisevic schlägt aus dem Nichts zu“ schreibt der „kicker“ und hat damit nur dann recht, wenn „Nichts“ mit „vorhersehbar und folgerichtig“ übersetzt werden kann.
Vor und nach Teil 2 präsentierte sich Schalke so, wie man es sehen will: mit unglaublich viel Spielwitz und Offensivfreude. Vor allem Julian Draxler und Lewis Holtby machten Spaß. Der eine als flinker Flügelflitzer und persönlicher Zuarbeiter von Klaas-Jan Huntelaar, der andere als geniale Schnittstelle zwischen Abwehr und Angriff. Hoffenheim konzentrierte sich oftmals zu sehr darauf, Jefferson Farfán aus dem Spiel zu nehmen und realisierte bis zum Schlusspfiff nicht, dass auch die linke Schalker Angriffsseite in der Lage ist, exzellenten Fußball zu spielen.
Handspiel oder nicht, Elfmeter oder nicht – zwei von drei Schalker Toren gingen zumindest diskussionswürdige Szenen voraus. Das Spiel auf diese Szenen zu reduzieren wäre jedoch grober Unfug. Ohne einen Tom Starke in Glanzform hätte Hoffenheim am Samstag fünf oder sechs Tore kassiert. Auf der Gegenseite erlebte Lars Unnerstall einen erfreulich unspektakulären Tag, fing das, was zu fangen war, und war beim Gegentreffer absolut machtlos. Seine Leistung war erneut „voll befriedigend“, allerdings muss sich Unnerstall zum Teil auch ankreiden lassen, dass das Spiel im zweiten Akt plötzlich kippte. Denn mit seinen weiten Abschlägen, die allesamt auf dem Prinzip Hoffnung gründeten und fast immer direkt bei einem Hoffenheimer landeten, ermöglichte er es dem Gast, einen Angriff nach dem anderen einzuleiten. Daran muss er definitiv arbeiten.
Schalkes Abwehr stabilisiert sich, was nicht zuletzt auch an Jermaine Jones liegt. Das ist eine Nachricht der letzten Spiele. Dass eine stabile Abwehr nicht gleichbedeutend mit statischem Betonfußball ist, konnte man am Samstag in zwei von drei Spieldritteln erleben. Und wenn ich schon einmal beim Thema „Drittel“ bin: Nach elf Spieltagen ist ein Drittel der Saison gespielt. Schalke steht auf dem zweiten Tabellenrang. Eine Momentaufnahme, natürlich. Aber schön ist sie trotzdem.
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7 Kommentare zu “Ein Spiel mit Dritteln”
Besser kann man das Spiel nicht zusammenfassen, Matthias. Dazu möchte ich mich in aller Form vor Huub Stevens verbeugen. Ich war zu Beginn etwas misstrauisch, muss ich kleinlaut gestehen. Aber er hat ganz uneitel den vorhandenen Stab als Mitarbeiter akzeptiert – Hut ab. Dann entwickelt er das Spiel unserer Jungs mit seiner Erfahrung sichtbar weiter – großer Respekt. Und schließlich besitzt er auch noch die Bescheidenheit, nach sechs Siegen in sieben Spielen zu sagen, er wolle nur die von Ralf Rangnick begonnene Arbeit fortführen – unglaublich! Huub Stevens, dem man seine Liebe zu Schalke richtig ansehen kann, war der größtmögliche Glücksgriff.
… und das zweite Zehnerpäckchen schon nach 11 Spieltagen geschnürt. Nicht auszudenken wenn gegen Kaiserserslautern…
Matthias, mit welchem Provider und welchem Smartphone schaffst du es aus der Arena zu twittern? Bei mir ist sowohl mit O2 als auch mit E-Plus bereits mit durchschreiten der Eingänge definitiv Schluss mit Datenleitung.
Es freut mich, dass meine „Zehnerpäckchen-Spielerei“ Spuren hinterlassen hat. In der Tat war am Samstag um 17.17 Uhr mein erster Gedanke: „Zweites Päckchen nach elf Spieltagen geschnürt!“
Zur Stadion-Twitterei: Ich besitze ein „HTC Desire Z“ und eine Simyo-Mobilfunkkarte (E-Netz).
Obwohl ich mit diesem Discount-Provider als Handy-Vielsurfer und gleichzeitig Wenigtelefonierer sehr zufrieden bin (meine monatlichen Kosten belaufen sich auf etwa 12,00 Euro, wovon allein 9,90 Euro für die 1GB-Datenflat draufgehen), habe ich ich meine liebe Mühe, im Stadion ein Datennetz zu erhalten. Wenn es klappt, dann meistens nur für ein paar Sekunden. Text-Tweets gehen mal raus, mal nicht. Bild-Tweets kann man eigentlich generell vergessen. Bei 30 Versuchen klappt es einmal. Die ständige Suche nach einem Datennetz ist für das Handy derart beschwerlich, dass der Akku nach dem Spiel eigentlich schon „oppe“ ist, weshalb meine Frau netterweise meinen portablen USB Ersatzakku in ihrer Handtasche trägt.
Generell ist der Handy-Datenempfang auf Schalke übel. Das höre ich von allen Leuten, die ich befrage. Selbst diejenigen, die sich mit Ihrem T-Mobile iPhone eigentlich kostenlos in den Telekom-Hotspot der Arena einloggen könnten, sagen mir, dass es sinnlos sei, es zu versuchen.
Bei meinen beiden Einsätzen als ZEIT-Twitter-Reporter bin ich deshalb zweigleisig gefahren. Smartphone für Mixed-Zone und Pressekonferenz (da ist das Stadion schon leer und ich bekomme wieder ein zuverlässiges Netz), Netbook mit Pro7-Surfstick (Vodafone) auf der Pressetribüne. Mit dem UMTS-Surfstick klappt es auch während des Spiels hervorragend. Das hat wohl irgendetwas mit „Netz-Prioritäten“ zu tun, die einem Vodafone-Surfstick ein höheres Gewicht einräumen als einem Vodafone-Mobiltelefon – zumindest habe ich mir das mal so erklären lassen. Wenn ich falsch liege: Bitte um Korrektur!
Jochen schrieb:
Das sehe ich anders. Meines Erachtens entwickelte er das Spiel zurück, zu einem bewährten System, das Schalke seit Jahren kennt. Das funktioniert, weil Schalke vorne Spieler hat, die entsprechende Qualität haben. Das ist gut so, vielleicht eben genau richtig, weil Zukunft im Fußball nicht zählt sondern stets nur das hier und jetzt, das nächste Spiel. Ich will das nicht abwertend verstanden wissen. Aber was die Fußballtaktik an sich angeht ist das jetzige Schalke in der Entwicklung keinen Deut weiter als vor zwei oder drei Jahren.
Oh, danke Matthias für die sehr ausführliche Antwort. Ich frag mich halt immer, wenn jemand vor mir auf das Display seines Phones guckt, ob der onliner ist als ich. Frag ich aber während eines Spiels nicht, da interessiert mich das Geschehen im Geviert immer -auch wenn es mal mau ist- mehr.
Beruhigend finde ich auch, dass du die Themen Netz und Akku so beschreibst, wie ich sie auch erlebe. Das löst meine leisen Zweifel an meiner Hard- und Software doch auf.
@Torsten / Herr Wieland
Ich habe Hoffenheim nicht gesehen, darum muss ich auf das vorletzte Heimspiel zurückgreifen. Das war so schlimm, dass ein Fortschritt unausweichlich war. Nach allen Beschreibungen und Kommentaren zum Spiel gegen Hoffenheim kann ich deine Bewertung allerdings nachvollziehen.
„Meines Erachtens entwickelte er das Spiel zurück, zu einem bewährten System, das Schalke seit Jahren kennt.“
Ich denke auch, dass man jedenfalls nicht davon sprechen kann, dass HS die Linie von RR „fortführt“. Von Offensivpressing ist fast nichts mehr zu sehen. Schalke steht, insb. bei Führung, komplett in der eigenen Hälfte und attackiert erst dort. Ziel ist Balleroberung mit schnellem Umschalten. Quasi Slomka-Fussball. Ob das nun taktisch ein Rückschritt ist, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls ist es anders. Und erfolgreicher bisher…
Sehr gute und treffende Zusammenfassung, wie ich finde… 🙂