Mein Schlüsselband (Lieblingsstücke-Stöckchen)
Vor ein paar Tagen stellte Jens in seinem Blog stadioncheck.de sein Lieblings-Fußball-Memorabila vor: ein Schild aus dem alten Rheinstadion. Jens forderte dazu auf, dass auch andere ihre Lieblingsstücke zeigen. Internet-Stöckchen nennt man so etwas wohl. Ich musste ein wenig überlegen, welches Erinnerungsstück mir am meistens ans Herz gewachsen ist, dabei war die Antwort doch ganz einfach. Schließlich begleitet mich mein liebstes Memorabila seit mehr als 13 Jahren auf Schritt und Tritt. Vielleicht war es einfach zu naheliegend, vielleicht gehört es schon viel zu lange zu mir, als dass ich mir tagtäglich über dessen Besonderheit bewusst sein könnte. Es ist – die Ãœberschrift verrät es bereits – mein oben gezeigtes Schlüsselband.
Am 34. Spieltag der Saison 1997/1998 brauchte Schalke im Heimspiel gegen die bereits als Absteiger feststehende Arminia aus Bielefeld unbedingt einen Sieg um den 5. Tabellenplatz zu erreichen, der eine Teilnahme am UEFA-Cup ermöglichte. Vor diesem Spieltag war man Sechster, befand sich jedoch in der komfortablen Situation, dass Werder Bremen und der VfB Stuttgart – auf den Rängen 4 und 5 in direkter Schlagdistanz platziert – aufeinandertrafen. In den beiden Jahren davor war Schalke erstmals seit einer Ewigkeit wieder auf Europatournee gewesen – überaus erfolgreich. 1997 gewann man den Pott, 1998 – nur wenige Wochen vor dem hier beschriebenen Saisonfinale – zwang man im UEFA-Cup-Viertelfinale Inter Mailand erneut in die Verlängerung, unterlag dann aber nach großartigem Kampf. Und nun drohte an jenem 18. Mai 1998 Schalke von Wolke-7 wieder abzustürzen. Die Spannung im ausverkauften Parkstadion war allgegenwärtig.
Diese Spannung schien die Mannschaft zu lähmen. Keine Viertelstunde war vorbei, da führten die Gäste mit 1:0. Nach einer halben Stunde hob der bereits gelb verwarnte Marc Wilmots im Bielefelder Strafraum zu einer unglaublich schlechten Schwalbe ab und sah dafür vom jungen und aufstrebenden Schiedsrichter Dr. Markus Merk die gelb-rote Karte. 1:0 hinten, nach 30 Minuten in Unterzahl, dazu eine völlig konfuse Leistung – zu diesem Zeitpunkt durfte man nicht mehr viel auf Schalke wetten.
Doch dann berührte der Fußballgott den Rasen und sorgte dafür, dass Markus Merk fortan nahezu ausschließlich Pro-Schalke entschied. In der 44. Minute pfiff er den ersten Elfmeter für S04 – Marco van Hoogdalem verwandelte –, nach 77. Minuten deutete er wieder auf den Punkt. Wieder trat von Hoogdalem an, wieder zappelte der Ball im Netz, und weil Bielefeld keinen Grund sah, Schalke noch mehr als bislang schon zu ärgern, endete die Partie mit 2:1 für Königsblau. Bremen verlor in Stuttgart mit 1:0 und rutsche auf den undankbaren sechsten Platz ab. Schalke beendet die Spielzeit als Fünfter.
Sekunden nach dem Abpfiff wurden die Innenraumtore geöffnet und die Fans strömten auf das Spielfeld. Auch ich nutzte die Gelegenheit und spazierte über den Rasen, der bereits scheibchenweise von den Fans herausgerissen und abtransportiert wurde. Wiederum andere hatten in den Tornetzen das Objekt ihrer Begierde gefunden und flemmten mit Feuerzeugen ungeniert ganze Quadratmeter heraus. Ich schlenderte weiter und stellte mich in den Pulk derer, die vor dem Marathontor darauf warteten, dass sich die Mannschaft auf dem „Balkon“ der Ehrentribüne noch einmal zeigt. Es war ein offenes Geheimnis, dass sich Jens Lehmann nach diesem Spiel gen Mailand verabschieden wollte – nur gesagt hatte er es noch nicht. Doch seine Gestik sprach Bände.
Auf dem Weg zurück kam ich wieder an den Tornetz-Nagern vorbei, die mittlerweile ein Taschenmesser aufgetrieben hatten. Im Vorbeigehen registrierte ich, wie jemand aus einem großen Stück herausgetrennten Netz einzelne Segmente löste und an die Umstehenden verteilte. Ich kam gar nicht dazu zu fragen, da hatte ich schon eine Wabe in der Hand. Cool! Ein echtes Stück Tornetz aus dem Parkstadion! Um das gute Stück nicht zu verlieren, befestigte ich es an meinem Schlüsselring. Genau dort ist die Wabe bis heute geblieben und hat mich nicht nur bei ungezählten Spielen im In- und Ausland begleitet, sondern war eigentlich immer mit dabei.
Ich weiß nicht, ob es einen Tatbestand namens „Profitierender einer Sachbeschädigung“ gibt (wahrscheinlich schon), geschweige denn, ob der FC Schalke 04 den Diebstahl des Tornetzes überhaupt zur Anzeige gebracht hat (wahrscheinlich nicht). Nichtsdestotrotz hoffe ich darauf, dass die Geschichte nach 13 Jahren verjährt ist und ich mein Lieblings-Erinnerungsstück behalten darf. Denn – wie gesagt – mittlerweile gehört es längst wie selbstverständlich zu mir.
Mit dieser Geschichte schleudere ich das von Jens geworfene Stöckchen weiter und freue mich auf die Lieblingsstücke anderer Fans. Gerne auch in den Kommentaren hier oder beim Initiator auf stadioncheck.de.
Abgelegt unter Leben analog,Schalke
7 Kommentare zu “Mein Schlüsselband (Lieblingsstücke-Stöckchen)”
Danke für’s Mitmachen! Und dann noch mit so einem tollen Exemplar. Löst sich das Tornetz denn nicht langsam auf?
„Ich weiß nicht, ob es einen Tatbestand namens „Profitierender einer Sachbeschädigung“ gibt (wahrscheinlich schon), geschweige denn, ob der FC Schalke 04 den Diebstahl des Tornetzes überhaupt zur Anzeige gebracht hat (wahrscheinlich nicht).“
Das habe ich mir in meinem Fall auch überlegt. Zumal die Schilder abgetreten wurden obwohl einige Wochen später noch der World Bowl im American Eierlaufen stattfand.
Definitiv nicht! Obwohl es seit 13 Jahren in meiner Hosentasche schubbert, sieht es noch aus wie „frisch geerntet“. Es musste Jahre von Ingo-Anderbrügge-Elfmetern überstehen. Das ist Wertarbeit.
Danke sehr, Jens und vor allem Matthias, für deine Geschichte. Es ist einfach schön, wie du mich als Leser mit auf die Reise nimmst, durch die Schalker Vergangenheit von vor 13, 14 Jahren. Wilmots, ich kann ihn förmlich fluchen hören. Ja, und die beiden Elfer vom schlacksigen Holländer… So nett. Danke noch mal. Leider hab ich noch kein Schalke-Andenken dieser Art. 2001 im Mai hätte ich mir auf den Hinterkopf unten S04 einrasieren lassen, königsblau… Na ja… Ich fang jetzt nicht wieder mit Herrn Merk an.
Der gesuchte Tatbestand hieße wohl (für Laien ggf überraschend) Hehlerei 😉
Das Argument mit den Anderbrügge-Elfmetern überzeugt mich. Aber Hehlerei? Damn…
Sehr schöner Bericht!
Das ist mal wirklich cool. Ich hätte allerdings täglich Angst, dass ich meinen Schlüssel verliere und würde das gute Stück wahrscheinlich in einem Schließfach unterbringen 😉
Tolle Geschichte!