Wir waren Pixelhelden

17. Jan. 2012 | 6 Kommentare

Ich war immer Schalke. Und Stefan war immer Gladbach. Ludger wäre auch gerne Gladbach gewesen, aber dafür war er zu schlecht – meinte Stefan. Deshalb musste Ludger irgendetwas anderes sein. Bayern beispielsweise. Am Ende des Duells, das Ludger üblicherweise mit vier bis sieben Toren Unterschied verlor, fiel ihm die Schmach dann nicht ganz so schwer. Denn eigentlich war er wie Stefan auch Gladbach-Fan. So hatten wir alle unseren Spaß, damals, Mitte der 1980er, an den vielen verregneten Nachmittagen im Sauerland.

Es ist nicht so, dass wir die ganze Zeit nur „International Soccer“ gespielt hätten. Wir waren auch wahre Joystick-Virtuosen bei „Winter Games“ oder „World Games“ („Summer Games“ fanden wir hingegen doof, vor allem, weil niemand wusste, wie das Turmspringen geht.) Aber unausgesprochen waren wir uns schon einig, dass es niemals ein realistischeres Fußballspiel für den Heimcomputer geben wird als das pixelige Machwerk aus der Feder von Andrew Spencer. Das eigentlich Lächerliche an dieser Einschätzung war, dass wir verdammt lange Recht behalten sollten.

Später schafften es nur noch „Microprose Soccer“, „Sensible Soccer“ und natürlich „Kick Off“ uns ähnlich zu fesseln. Im Gegensatz zu International Soccer spielte man diese drei „Simulationen“ aus der Vogelperspektive, sodass man beim Spielen das Gefühl hatte, einen überdimensionalen Air-Hockey-Tisch zu beackern. Doch zumindest konnte man jetzt Grätschen, es fing an zu regnen und die Torhüter hatten auch schon mehr Paraden drauf als „rechtshüpfen“, „linkshüpfen“, „hochhüpfen“.


Wer die Entwicklung der Computer- und Konsolenumsetzungen des Volkssports Fußball in den letzten 30 Jahren verfolgt hat fragt sich unweigerlich, wohin die Reise noch gehen wird. Derzeit sind „FIFA“ und „Pro Evolution Soccer“ der Stand der Dinge. Demnächst wird es technisch wohl in Richtung 3D gehen und das Gamepad wird mehr und mehr durch den menschlichen Bewegungsapparat abgelöst werden. Das ist absehbar. Doch sicherlich werden uns die die Programmierer noch auf ganz andere Arten überraschen. Warten wir’s ab.

Damals wie heute hatten bzw. haben Computer-Fußballspiele mit dem wahren Sport ungefähr so viel gemeinsam wie Gustav mit Gasthof. Mit dem Ausspruch „So einen Torschuss sieht man sonst nur auf der PS3“ würdigt man in der Stadionkurve nicht etwa die Realitätstreue eines Computerspiels, sondern macht sich eher über eine verunglückte oder zumindest arg kuriose Aktion auf dem Rasen lustig. Mir ist es egal. Mir macht’s Spaß. Und obwohl ich mittlerweile längst näher an der 40 als an der 30 bin, werde ich auch weiterhin zum Gamepad greifen und ab und zu eine Runde virtuell pöhlen. Mit derselben Begeisterung übrigens wie vor 25 Jahren. Das mag der eine oder andere als kindisch erachten, aber für mich ist es irgendwie ein gutes Gefühl, dass ich dieses Stück kindliche Unbekümmertheit bis ins Jahr 2012 retten konnte.

Einen schönen Überblick auf die Entwicklung der Fußball-Computerspiele gibt es bei Youtube in zwei Teilen (Teil 1, Teil 2).

Abgelegt unter Fußball allgemein,Leben analog

6 Kommentare zu “Wir waren Pixelhelden”

  1. Herr Wielandam 17. Januar 2012 um 08:00 1

    was die Technik nicht leistete, lieferte die Phantasie nach

    Ja, und in allem. Ich habe diese Form der Spielerei lange hinter mir gelassen, aber ich will meinen, dass mein Spielspaß vor 25 Jahren derart hoch war, dass er auch durch bessere Technik nicht hätte gesteigert werden können.

    Die oben genannten Spiele habe ich auch alle erlebt, noch lieber habe ich allerdings immer Eishockey gespielt. Erst „Superstar-Hockey“, mit Draft-System und Karrieremodus, bei dem wir einen eigenen Club mit dazugehöriger Historie erfanden und dann zu dritt, jeweils 2 Mann gleichzeitig, im gleichen Team spielten, bis wir nach Monaten irgendwann mal, gegen 1 Uhr nachts, die Meisterschaft gewannen und das Haus zusammenschrien. Dann kam Gretzky-Hockey, später die EA Sports-Serie.

    Fußball fand ich immer nicht gut umgesetzt. Fußball ist ein sehr zufälliger Sport, der passte nie so recht zu virtuellen Spielen, in denen sich der Spieler was erarbeiten können musste. Ob es heute eine realistische Quote an 0:0 oder 0:1 gibt, ob man ausreichend häufig auch unverdient verliert, kann ich allerdings nicht beurteilen. Seit mindestens 10 Jahren nehme ich mir für so was keine Zeit mehr.

  2. Marcel04am 17. Januar 2012 um 08:14 2

    Ich bin voll und ganz mit dir und diesem Blogeintrag – selbst mit fast 34 Jahren kann ich mich der Faszination Xbox und dem digitalen Fußball nicht entziehen.

  3. Florianam 17. Januar 2012 um 11:48 3

    Kann mich Matthias auch nur anschließen. Ich mit meinen 30 Jahren spiele auch noch unheimlich gerne FIFA. Es ist wesentlich seltener geworden und werde beim Spielen auch meistens richtig lang gemacht aber trotzdem ist es immer noch lustig.

    Was spricht denn auch dagegen sich mit einem Freund einen Gehirn-Ausschalt Samstag zu machen. Erst SKY und dann 5 bis 6 Stunden zocken, sich tierisch aufregen, Blödsinn labern und sich dabei noch ein paar Bier trinken.

    Das mit den Konsole bzw. PC Spielen wird in unsere Generation auch nie aufhören. Die meisten meiner Freunde, egal ob Familienvater oder nicht haben noch immer eine Konsole und das ist gut so. Das Kind im Manne braucht manchmal auch einfach Nahrung 🙂

  4. Carlito69am 18. Januar 2012 um 13:07 4

    „ . Das Kind im Manne braucht manchmal auch einfach Nahrung:-) “

    Genau, dem schließe ich mich einfach mal an.

    Ansonsten: Klasse Beitrag!

  5. meinzuam 18. Januar 2012 um 21:45 5

    Die PS3 steht bei immer noch neben dem Fernseher. PES liegt daneben. Wenn wirklich alle mal schlafen – Gross, klein und Frau – dann hab auch mal wieder Kinderzeit. Muss wohl vorher alles entstauben. Spass macht immer noch gewinnen ist wohl auch nicht meine Stärke.

  6. Carlito69am 18. Januar 2012 um 21:46 6

    @meinzu: kommt mir irgendwie bekannt