Taktisch hervorragende Pilsener ärgern Schalke
Schalke steht im Achtelfinale der UEFA Europa League und wenn dich jemand fragt, wie sie das geschafft haben, dann geniere dich nicht und bemühe die Fußballer-Floskel vom „harten Stück Arbeit“. Denn genau das war es, obwohl Schalke nach Huntelaars frühem Treffer über 80 Minuten lang das Weiterkommen auf dem Silbertablett dargeboten wurde. Eine gute halbe Stunde davon spielte man sogar nach einer Tätlichkeit an Papadopoulos und der Roten Karte gegen Bakos in Überzahl. Doch dann fing man sich den überflüssigen und – gerade das macht die Sache ja so ärgerlich – auch verdienten Gegentreffer, der das Hinspielergebnis egalisierte. Die Verlängerung musste die Entscheidung bringen. In dieser setzte sich S04 mit 3:1 durch.
Normalerweise gibt ein früher Treffer einem Team Sicherheit. Diese Regel bestätigte sich gestern nicht, als Huntelaar nach einem Distanzschuss von Draxler in der siebten Minute abstaubte. Schalke wägte sich danach in sicheren Gefilden, merkte aber nicht, dass es eine sehr trügerische Sicherheit war. Die Viktoria war konsequent auf Konter programmiert: Balleroberung in der eigenen Hälfte und dann ging die Luzie ab. Mit zwei, drei Ballkontakten spielte man sich pfeilschnell vor das Schalker Tor. Allein am Abschluss haperte es und genau das machte Schalke noch trügerisch sicherer.
Je länger die Partie dauerte – ganz besonders nach der Roten Karte in der 60. Minute – desto schläfriger agierte Schalke. Es schien als könne sich die Mannschaft nicht zwischen „Vorentscheidung suchen“ und „herunter verwalten“ entscheiden. So umspielte man minutenlang den dichten Abwehrblock der Gäste von links nach rechts und von rechts nach links. Pilsen würde heute noch stoisch seine zwei Viererketten verschieben, wäre a) das Spiel nicht vorbei und vor allem b) nicht irgendein Schalker immer wieder auf die törichte Idee gekommen, einen Risikopass in die Spitze zu wagen. Exakt darauf lauerten die Tschechen: Balleroberung, blitzschnelles umschalten, ausschwärmen und der Versuch eines Abschlusses. Allerspätestens nach der 70. Minute hätte Schalke dieses Schema erkennen und den Gegner am langen Arm verhungern lassen müssen. Man tat es nicht und Pilsen bestrafte diese Lernunwilligkeit mit dem sehenswerten 1:1 durch Rajtoral.
In der Verlängerung spielte Schalke endlich cleverer und zwingender. Man drängte auf das gegnerische Tor, ohne sich dabei jedoch für Konter zu entblößen. Der Lohn dieser konsequenteren Herangehensweise stellte sich kurz nach dem Seitenwechsel der Extra-Zeit ein, als Huntelaar eine Flanke des für Farfán eingewechselten Obasi per Kopf eindrücken konnte. Jetzt war Pilsen geschlagen, bäumte sich zwar noch einmal kurz auf, entwickelte aber nicht mehr die latente Gefahr wie in der regulären Spielzeit. Noch einmal Huntelaar machte dann in der Schlussminute den Sack endgültig zu.
Ich weiß nicht, ob es immer sinnvoll ist darauf hinzuweisen, was Schalke alles falsch gemacht hat. Vielleicht muss man manchmal auch einfach mal den Gegner loben. Viktoria ist keine Laufkundschaft. Davon konnte man sich 210 Minuten lang überzeugen. Die bemerkenswerten Ergebnisse aus der Champions-League-Gruppenphase wurden in den letzten sieben Tagen erklärlicher. Der Gast präsentierte sich als taktisch und technisch herausragend gut vorbereitet. Pilsen zeigte Fußball als Mannschaftssport und brachte damit Schalke an den Rand einer Pleite. Am Ende siegte nicht das bessere Team sondern das Kollektiv, das die besseren Einzelspieler aufbieten konnte. So ist der Fußball eben.
Mehr zum Spiel schreibt der „kicker“. In der Europa League geht es für Schalke am 8. März mit dem Spiel bei Twente Enschede weiter.
Am Sonntag gastiert Schalke in München. Vor dem gestrigen Spiel war ich zuversichtlich, dass man mit etwas Glück vielleicht für eine kleine Überraschung sorgen kann. Heute überwiegen schon wieder die Zweifel. Doch fernab vom Bauchgefühl muss man einfach festhalten, dass sowohl Schalke als auch die Bayern sehr gute und sehr schlechte Tage haben können. Ein wirklich gutes Match erwarte ich ehrlich gesagt nicht. Wahrscheinlich wird es genau deshalb ein Jahrhundertkick, den man sich keinesfalls entgehen lassen sollte und nach dessen Protagonisten noch in vielen Jahren die Insassen ganzer Kinderhorte benannt werden. Schaun mer mal.
So oder so wünsche ich ein schönes Wochenende.
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2 Kommentare zu “Taktisch hervorragende Pilsener ärgern Schalke”
In meinen Augen wurde nach dem frühen 1-0 mit voller Absicht nicht volles Rohr nach vorne gestürmt. Das sah dann lange wenig attraktiv oder souverän aus, aber ich fands durchaus plausibel. Pilsen sollte eben nicht den Platz bekommen, einen erfolgreichen Konter zu setzen. Ich hab es so wahrgenommen: Das Schalker Spiel hätte Pilsen nötigen müssen, etwas für ein eigenes Offensivspiel zu tun. Das hätte Schalke Platz für Konter gegeben – vor allem, nachdem Pilsen in Unterzahl geriet. Das Problem: Pilsen hat Schalke diesen Gefallen nicht getan. Das kann und möchte ich unserer Mannschaft nicht ankreiden. Es erschien mir nur logisch, dass Pilsen gefordert war und hinten hätte aufmachen müssen. Haben sie nicht. Gewinnt Schalke 1-0, muss sich Pilsen fragen lassen, wieso dagegen beinahe nichts unternommen wurde. Mal ehrlich: Nach einem Pilsener Tor sah es, wenn man vom Pfostentreffer absieht, lange nicht aus. Der Ausgleich fiel meines Erachtens ein wenig glücklich für Pilsen. Es war ja nicht so, dass Pilsen im Angesicht des baldigen Ausscheidens alles nach vorne warf und sich mit Händen und Füßen gegen die Niederlage wehrte. Habe zumindest ich so nicht gesehen.
Jepp. Das meinte ich mit „Schalke hätte Pilsen am langen Arm verhungern lassen müssen“. Der Gast hat so gut wie gar nichts zum Spiel beigetragen, lauerte auch 10 Minuten vor dem Abpfiff ausschließlich auf Konter. Was allerdings dumm von Schalke war, war dass man diese Konter zugelassen hat indem man sich nach Minuten der Ballkontrolle immer wieder genötigt sah, doch den Ball risikoreich in die Spitze zu spielen. So gut wie gestern konnte man selten sehen, dass das Team noch recht unerfahren ist. Eine erfahrenere Mannschaft hätte das 1:0 staubtrocken nachhause gebracht. Unattraktiv, aber staubtrocken. Und vor allem 30 Minuten schneller.