Podiumsinterview mit Joel Matip (Teil 2)
Heute gibt es hier wie angekündigt den zweiten Teil des großen Joel-Matip-Podiumsinterviews, das Bene und ich vor acht Tagen beim „Spielerempfang“ des Schalke-Fan-Clubs „Monasteria“ in Münster führen durften. Und wie bereits am Freitag weise ich darauf hin, dass die folgenden Sätze keine wortwörtliche 1:1-Wiedergabe des Gesprächs darstellen, sondern als Transkription in der Form – jedoch nicht im Inhalt – bearbeitet wurden.
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In der letzten Saison Viertelfinale der Europa-League. Im Jahr davor Champions-League-Halbfinale. Ihr seid lange international unterwegs gewesen. Was bekommt man auf diesen Reisen von den Städten mit?
Ich war schon überall, aber ich kenne von den meisten Städten nur die Stadien und die Hotels. Ich war sogar schon in Israel, doch alles was ich da gelernt habe ist, dass in Israel von hinten geblitzt wird. Freunde kommen zu mir und sagen „Mensch, du warst schon da und da – erzähl‘ doch mal!“ und ich muss dann zugeben, dass ich oft nur mitbekomme, ob die Autos rechts oder links fahren. Auf solchen Auswärtsfahrten lebt man wie in einem Tunnel. Es bleibt noch nicht einmal Zeit für eine Stadtrundfahrt, sieht man vom Transfer zum Stadion ab. Zum Beispiel das Guggenheim-Museum in Bilbao: Obwohl es direkt gegenüber von unserem Hotel lag, haben wir es nur von außen gesehen. Auf solchen Reisen hat man immer ein sehr strammes Programm. Wir kommen am Tag vor dem Spiel an, dann geht’s zum Einchecken ins Hotel, anschließend findet schon das Training im Stadion statt und abends geht’s noch zum Essen mit der Mannschaft. Am Spieltag selbst ist der Tagesablauf so auf das das Spiel konzentriert, dass darüber hinaus nichts anderes Platz hat. Wenn bald die englischen Wochen mit Bundesliga und Champions-League beginnen, dann beginnt auch wieder die Zeit, in der man pro Woche maximal zwei Nächte zuhause schläft. Aber man macht es ja auch gerne. Man will international spielen und weiß, worauf man sich einlässt.
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Stichwort Auswärtsspiele: Gibt es Stadien, die man als Spieler weniger gerne besucht?
Was den Kabinentrakt angeht unterscheiden sich die Stadien heute kaum noch. In der Bundesliga sind alle sehr modern und bequem. Aber natürlich unterscheiden sich die Stadien bei der Stimmung. Es gibt einige, da versteht man sein eigenes Wort nicht und wiederum andere, da kann man sich über 20 Meter hinweg locker und gepflegt unterhalten. Für eine Auswärtsmannschaft ist ein lautes Stadion schon Respekt einflößend. Man steht da und keine zehn Meter neben dir brüllen die Fans. Das macht Eindruck! Die Heimmannschaft hingegen bekommt durch lautstarke Unterstützung einen zusätzlichen Schub. Man sieht und hört dann direkt, wofür man Fußball spielt. Das sage ich jetzt auch nicht nur so: Nicht umsonst sind die meisten Mannschaften zuhause stärker als auswärts.
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Ich stelle dir jetzt fünf Entweder/Oder-Fragen und du solltest dich spontan entscheiden. Die erste Frage: McDonalds oder Nobelitaliener?
Das ist schwer. Eigentlich beides. Aber ich soll mich ja entscheiden, deshalb sage ich: so ein Burger, der geht immer. Natürlich sollte man nicht jeden Tag ins Fast-Food-Restaurant gehen.
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iPhone oder Android?
iPhone!
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PS3 oder Xbox 360?
Beides meins, aber eher doch die PS3. Und auf der PS3 mittlerweile lieber FIFA als Pro Evolution Soccer. Alleine spiele ich gar nicht mehr. Wenn, dann spiele ich zusammen mit Freunden. Dann wähle ich auch nicht mehr Schalke oder die Nationalmannschaft von Kamerun, weil meine Kumpels mein Bildschirm-Ebenbild immer extra schlecht aussehen lassen.
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Hip-Hop oder Punk-Rock?
Hip-Hop, eindeutig! Und RNB! Ab und zu auch House. [Angesprochen auf die riesigen Kopfhörer.] Ja, das ist echt krass! In der Bundesliga geht es ja noch. Aber in der Nationalmannschaft, da kuckst du um dich herum und wirklich jeder trägt diese Riesendinger. Jeder hat seine Art, sich auf ein Spiel vorzubereiten. Einige möchten sich bis kurz vor dem Anpfiff unterhalten, andere hören Musik. Ich gehöre zu denen, die mit Musik am besten abschalten können.
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Nutella oder Fleischwurst?
Nutella!
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Für uns Fans sind Spiele gegen Dortmund immer etwas Besonderes. Wie erlebst du als Profi das Derby?
Ich habe das Derby ja auch schon im Jugendbereich miterlebt. Bereits da steckt sehr viel Feuer drin. In der A-Jugend sind beim Spiel Schalke gegen Dortmund bereits mehr als 100 Ordner im Einsatz und dennoch kam es schon vor, dass das Spiel abgebrochen werden musste. So etwas ist schlimm, das sollte nicht vorkommen. Im Profibereich ist es von den Emotionen her nicht anders. Selbst wenn man nicht – so wie ich – schon seit Jahren das Derby kennt, merkt man doch die Emotionen, die von den Fans hineingetragen werden. So etwas steckt an. Die beiden Derbys in der letzten Saison haben mir nicht geschmeckt. Die haben mich sogar tierisch genervt. Man muss leider zugeben, dass die anderen besser waren und das fällt mir wirklich nicht leicht. Deshalb müssen wir es in dieser Saison versuchen besser zu machen.
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Als Profi stehst du in der Öffentlichkeit. Die Medien wollen etwas über dich in Erfahrung bringen, manchmal auch mit nicht ganz so netten Methoden. Wie gehst du damit um?
Ich habe bislang zum Glück noch keine schlechten Erfahrungen gemacht, aber einmal war ich schon überrascht. Als ich von einer Nationalmannschaftsreise mit Kamerun zurückgekommen war, hatte ich mir eine Infektion eingefangen. Ich bin sofort ins Krankenhaus gefahren und eine Stunde nachdem ich wieder zuhause war ruft mich jemand an und fragt, ob ich wirklich Malaria hätte, es habe schließlich bei BILD-Online gestanden. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt noch mit keinem über meine Infektion geredet und Malaria war es schon gar nicht. Also das fand ich dann schon sehr merkwürdig, wie eine solche Meldung so schnell die Runde machen kann und man sich plötzlich dafür rechtfertigen muss.
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Jetzt haben wir schon mehrfach über Kamerun gesprochen. Wie kam deine Entscheidung, für das Heimatland deines Vaters zu spielen, zustande?
Als die Anfrage aus Kamerun kam habe ich wirklich viele Nächte darüber geschlafen. Ich fühlte mich wie zweigeteilt. Auf der einen Seite sind da die vielen Verwandten in Kamerun, auf der anderen Seite ist da das Land, in dem ich aufgewachsen bin. Da stand ich zwischen den Stühlen. Letztendlich war es eine Bauchentscheidung. Mein Gefühl hat mir gesagt „Mach das mit Kamerun“. Ich habe keine Pro- und Contra-Strichliste geführt. Ich habe einfach getan, was mein Bauch mir gesagt hat, und das war dann die Entscheidung.
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Wie klappt es mit der Verständigung mit den Teamkollegen in der Nationalmannschaft?
Mein Vater kommt aus dem französischsprachigen Teil Kameruns und ich bin deshalb auch mit der Sprache aufgewachsen. Ich verstehe alles – nur mit dem Sprechen hapert es ein wenig. Da bin ich in Englisch, was die zweite Sprache in Kamerun ist, schon besser. Obwohl: Das mit dem Französisch verstehen stimmt auch nicht immer, denn in Kamerun gibt es sehr viele unterschiedliche Dialekte. Da wird es dann manchmal schon schwer. Das ist genau so wie in Deutschland. Wenn ein echter Bayer in Mundart losplappert haben wir im Ruhrgebiet auch Schwierigkeiten ihn zu verstehen.
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Im Januar und Februar 2013 findet bereits der nächste Afrika-Cup statt. Willst du dann dabei sein?
Natürlich werde ich versuchen, dabei zu sein. Es ist eine große Ehre für eine der größten Nationalmannschaften Afrikas spielen zu können. Eigentlich sollten wir uns mit Kamerun auch sicher qualifizieren. Natürlich wird es dann für mich persönlich etwas schwieriger, weil ich zum Auftakt der Bundesliga-Rückrunde fehlen werde. Aber dann ist das halt so.
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Wie sind die Anreisen zur Nationalmannschaft organisiert? Bist du da auf dich alleine gestellt?
Nein, da wird alles vom Verband organisiert. Ich muss mich um nichts sorgen. Ich bekomme meinen Flug, meistens geht der von Düsseldorf aus über Frankreich, weil dort viele Spieler aus Kamerun tätig sind, und dann geht es gemeinsam weiter. In Kamerun selbst wird sich rundum um uns gekümmert. Dort könnten wir auch gar nicht mehr alleine auf der Straße herumlaufen, weil sofort eine riesige Menschenmenge käme, so euphorisch sind die Fans dort. Wenn wir dann mit dem Team innerhalb Afrikas zu Auswärtsspielen reisen, macht man sich schon seine Gedanken. Schließlich gibt es in Afrika auch viele Länder, in denen die Sicherheitslage schwierig ist. Angst habe ich allerdings noch nie gehabt. Man wird abgeschirmt und wenn es sein muss, hat man bis auf das Hotelpersonal auch keinerlei Kontakt zum Gastland. Wenn die Sicherheitslage beim jeweiligen Gegner wirklich extrem ist, spielt man auf neutralem Boden. Erst Anfang Juni haben wir in Tunesien gegen Libyen gespielt, weil Libyen ein Land ist, das man derzeit besser nicht bereisen sollte.
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In der Nationalmannschaft Kameruns bist du Samuel Eto’o begegnet. Auf Schalke hast du Raúl als Mitspieler kennengelernt.
Beide sind absolute Legenden und werden für ihre Leistungen bewundert. Besonders bei Eto’o ist es in Kamerun, eigentlich sogar in ganz Afrika, aber noch einmal eine andere Hausnummer. Wenn man so einen Menschen kennenlernt und sieht, dass er ein ganz normaler Typ ist, dann ist das schon ein besonderes Erlebnis. Raúls Verpflichtung wurde im Sommer 2010 erst spät bekannt gegeben. Ich stieg zu dieser Zeit nach der WM später ins Training ein. Als ich nach dem Urlaub in die Kabine kam und plötzlich saß er da, da habe ich erstmals dumm gekuckt. Das ist aber ganz normal. Raúl ist ein Spieler, der sein Profileben lang bei Real gespielt hat. Und plötzlich sitzt er neben dir und läuft auf dem Trainingsplatz an deiner Seite. Dann kuckt man eben und sagt „Hallo“. Und dann kuckt man wieder. Das geht eine ganze Zeit lang so, bis alles ganz normal wird.
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Abgesehen von deinem Ziel Afrika-Cup: Was sind deine Erwartungen an die kommende Saison mit Schalke?
Die letzte Saison war schon sehr gut. Immerhin holten wir den dritten Platz. Wir stehen somit auch in der kommenden Spielzeit wieder in drei Wettbewerben, die wir alle erfolgreich spielen wollen. Aber die Konkurrenz ist da und wir werden uns beweisen müssen. Die anderen haben sich schließlich auch verstärkt. In der Champions-League müssen wir abwarten, welche Gegner uns in der Gruppenphase zugelost werden. Konkrete Wünsche habe ich nicht, aber wenn man schon gegen Barcelona spielen muss, dann ist es sicherlich nicht ganz schlecht, wenn es schon in der Gruppenphase soweit ist. Aber an sich könnte ich auf ein Spiel gegen Barcelona auch gut verzichten, weil man gegen die sowieso die ganze Zeit nur dem Ball hinterherläuft.
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In der Vorbereitung stehen bald auch zwei Tests gegen die potenziellen Champions-League-Gegner Mailand und Udine an. Wie ernst nehmt ihr solche Spiele?
Das sind interessante Testspiele auf sehr hohem Niveau in denen man dem Trainer zeigen kann, dass man auch gegen solche Gegner und die jeweiligen Gegenspieler bestehen kann. Jedoch finden die beiden Spiele mitten in der Vorbereitung statt, deshalb sollte man die Ergebnisse teilweise nicht ganz so ernst nehmen. Das Trainingspensum der Vorwoche hat dann schon ein wenig Auswirkung auf das Spiel. Meistens werden diese Testspiele auch in den normalen Trainingsplan eingeflochten. Man trainiert zum Beispiel vormittags vor dem Spiel noch eine volle Einheit.
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Ganz generell: Wie läuft so eine Sommervorbereitung ab?
Wir haben gerade erst mit der Vorbereitung begonnen. Außerdem ist es die erste Sommervorbereitung unter Huub Stevens. Da wissen wir natürlich nicht genau, was auf uns zukommt. Aber eines ist klar: Die Sommervorbereitung ist immer hart! Da läuft man sehr viel und macht Sachen, die man als Fußballer nicht ganz so gerne macht. Generell spielt jeder Fußballer lieber mit dem Ball als mit Medizinbällen. Doch man schleppt die Dinger ja nicht nur aus Spaß durch die Gegend. Das hat schon alles seinen Sinn. Physische Stärke ist wichtig und deshalb ziehen wir auch voll mit, wenn der Trainer so etwas von uns verlangt. Aber Spaß – ganz ehrlich – macht das nicht.
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Zum Abschluss noch die Frage aller Fragen: Wie siehst du deine Zukunft auf Schalke?
Ich möchte natürlich schon noch sehr lange auf Schalke bleiben. Aber es kann natürlich auch sein, dass der FC Schalke mich eines Tages nicht mehr haben will. Wenn das der Fall sein sollte, könnte ich mir vorstellen innerhalb der Bundesliga zu wechseln. Aber ansonsten käme für mich derzeit nur ein Wechsel ins Ausland infrage.
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7 Kommentare zu “Podiumsinterview mit Joel Matip (Teil 2)”
Also der zweite Teil ist schon deutlich interessanter als der erste Teil. Man merkt, dass Matip ein bisschen ins Plaudern kam 🙂
Schön gemacht!
Also mein Trikot wird hinten Matip drauf stehen haben. So viel steht schon mal fest. Danke für’s Transkribieren!
Apropos „Matip“ steht auf dem Trikot: Gestern beim Blau-Weißen Abend in Donaueschingen gab’s viele Autogramme und selten auch kurze Wortwechsel. Die einzige Unterschrift, die ich auch heute morgen noch auf meinem Trikot entziffern konnte (neben der japanischen von Uschi), war die von J. Matip. Was mir sagt, dass er sich nicht nur Zeit fürs Unterschreiben nimmt, sondern auch noch die extra Sekunde, damit’s leserlich wird 😉 Voll sympathisch und passend zu dem Eindruck, den Euer Interview vermittelt.
Sehr interessant, sehr sympathisch, vielen Dank für die Arbeit.
Wirklich sehr sympathisch der Junge…
Vielen Dank, dass ihr uns teilhaben lasst.. und für die Mühe
Merci
Auch hier noch mal vielen dank für das Interview und das “zu Papier“ bringen! 🙂