In Dortmund zeigt nur Schalke Derbycharakter

22. Okt. 2012 | 3 Kommentare

Der FC Schalke 04 gewinnt das Revierderby bei Borussia Dortmund mit 2:1 und muss sich am Ende vielleicht sogar den Vorwurf gefallen lassen, warum man das Spiel so lange spannend bleiben ließ. Denn eigentlich hatten die Knappen das Geschehen auf dem Feld über die gesamte Spielzeit hinweg unter Kontrolle und gestatteten Dortmund nur einen einzigen Torschuss. Da dieser jedoch für den 2:1-Anschlusstreffer durch Lewandowski sorgte blieb die Partie bis zum Abpfiff in der 96. Minute ein zittriges Event.

Man mag über Jürgen Klopp ja denken was man will. Aber unter dem Strich ist der Irrwisch mit der albernen Pöhler-Mütze nicht nur ein großer Selbstdarsteller, sondern auch ein gewiefter Trainerfuchs. Ohne Umschweife nahm er die Schuld nach der Pleite auf die eigene Kappe, sprach von missglückten taktischen Experimenten, die der Personallage geschuldet waren und schaffte es damit, komplett davon abzulenken, was jedem Zuschauer dieses 141. Revierderbys nicht entgangen sein konnte: Schalke war heißer auf den Sieg. In den letzten Jahren zeigten gerade die Dortmunder die notwendige Derbymentalität und degradierten lustlose Schalker zu Statisten. Am Samstag war es andersherum: Kein echtes Aufbäumen, keine Galle, oftmals noch nicht einmal der notwendige Laufeinsatz – Dortmund wirkte nach zwei grandiosen Jahren, die sich häufig auch im Derby manifestierten, erstaunlich selbstzufrieden und satt.


Ganz anders Schalke. Von der ersten Minute an nahmen die Königsblauen das Spiel an und nutzten die erstaunlich großen Räume, die der Gastgeber im Mittelfeld anbot. Ein ums andere Mal gelang es Schalke in der ersten halben Stunde durch schnelle Vertikalpässe innerhalb von Sekunden 40 Meter und mehr Raum zu gewinnen und dennoch sicher in Ballbesitz zu bleiben. Das frühe 1:0 durch Afellay entsprang genau so einer Szene. Aus dem Mittefeld wurde Uchida Farfán per Diagonalpass auf die Reise geschickt, zog die Dortmunder Abwehr kollektiv auf die rechte Seite und schuf so den Raum im Zentrum, den die Leihgabe aus Barcelona brauchte, um nach der Seitenverlagerung unbedrängt volley zum 1:0 einzuschießen.

Dortmunds Antwort auf die Schalker Führung blieb aus, weil Schalke keine Antwort gestattete. Bereits in der Hälfte der Gastgeber wurde der Spielaufbau gestört. Es war zwar kein klassisches Pressing das Schalke zeigte, aber das brauchte es auch gar nicht, um den BVB minutenlang an der Mittellinie zu binden. Zurück aus der Pause stellte ein sensationell direkter Spielzug über Huntelaar, Holtby und Höger die Weichen endgültig auf Sieg. Und nur wenige Minuten nach dem 2:0 hatte Joel Matip nach einem Eckball sogar das 3:0 auf dem Fuß, bugsiert den Ball aber im Fünfmeterraum stehend über das Tor.

Es hätte ein gemütlicher Nachmittag werden können, doch der Dortmunder Anschlusstreffer machte das Spiel noch einmal spannend. Zwar blieb Schalke auch nach dem 2:1 am Drücker und hatte ausreichend Chancen, das Spiel vorzeitig zu entscheiden, als jedoch selbst Klaas-Jan Huntelaar (leider erneut) eine 100%ige Möglichkeit verschenkte, musste doch bis zur letzten Sekunde gezittert werden.

Schalkes Auftritt in Dortmund wusste zu gefallen. Das spielfreudige Mittelfeld stellte den BVB ein ums andere Mal vor größte Probleme, die Abwehr stand sicher und auch Huntelaar leistete als immer anspielbereiter, Räume reißender Stürmer seinen Beitrag, obwohl ihm derzeit vor dem gegnerischen Tor die Coolness abhanden gekommen ist. Marco Höger und insbesondere Roman Neustädter interpretierten ihre Rollen nicht nur defensiv, sondern wussten auch im Spiel nach vorne immer wieder zu gefallen. Und mit Lewis Holtby in seiner derzeitigen Form hat Schalke einen Akteur, der mit einem klugen Pass ganze gegnerische Abwehrreihen aus den Angeln haben kann.

Vor allem aber hat Schalke am Samstag in Dortmund endlich einmal wieder den Charakter gezeigt, den es braucht, um einen „großen Gegner“ zu schlagen. Das alles sind doch wirklich gute Nachrichten zum Auftakt des nächsten Englische-Wochen-Blocks.

Mehr zum Derbysamstag schreibt „Die Zeit“.

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3 Kommentare zu “In Dortmund zeigt nur Schalke Derbycharakter”

  1. Erle72am 22. Oktober 2012 um 11:53 1

    Fast 100% deiner Meinung, klasse Leistung der Schalker!
    Nur das mit dem Charakter ist immer so eine Sache. Ich frage mich wie es zu solchen Schwankungen (- gegen Bayern und jetzt + gegen den BVB) kommen kann, da es sich ja fast um die gleichen Schalker Spieler handelt. Vielleicht fällt ja schon in den ersten Minuten die Vorentscheidung wenn Spielanlage, Körpersprache, Laufwege und Passgenauigkeit zweier Mannschaften aufeinanderstoßen. Plötzlich hat dann eine Mannschaft die psychologische Vorteile und die andere beginnt verzagter zu spielen. Von außen sieht das dann irgendwann nach „sie kämpfen ja nicht mal“ oder „sie haben die Hosen voll“ aus . Diesmal hat es die Dortmunder erwischt, die keinen Fuß auf den Boden bekommen haben weil Schalke in allen Belangen besser war mit den besseren Ideen. Mit dem Charakter hat das wohl weniger zu tun.

  2. Chrisam 22. Oktober 2012 um 13:06 2

    Beim ersten Tor war es Ushida, der von Neustädter mit einem sensationellen Pass über 60 Meter auf die Reise geschickt wurde. Unser Japaner hat dann den nach außen eilenden Hummels gebunden und zurück gelegt auf Farfan.
    Farfan war (zumindest von dem, was man in der Liveübertragung sehen konnte) unglaublich gut gestern. Seine Bereitschaft, auch nach hinten zu ackern, macht ihn grad doppelt so wertvoll.

    Beim zweiten Tor hat Höger den Ball nach einem Dortmunder Angriff am eigenen 16er aufgenommen und dann einen Spielzug einleitet, den er selbst 90 Meter weiter vorne vollendet hat. Ein sensationelles Ding.

    Danke für deine Worte zu Huntelaar. Der wird in einigen Medien mit schlechtesten Noten bedacht, weil die Herren „Fachredakteure“ keine Ahnung haben und keine Augen im Kopf.

  3. Matthiasam 22. Oktober 2012 um 13:29 3

    Beim ersten Tor war es Ushida (…)

    Recht hast du natürlich! Ich hab’s (kenntlich) korrigiert, schließlich möchte ich Uchida nicht seine direkte Beteiligung an diesem sehenswerten Treffer klauen. Und ich will auch nicht den „Der Uschi hat kein Bundesliga-Niveau“-Nörgelköppen die lange Nase drehen, auch wenn es mir häufig sehr schwer fällt 😉

    Danke für deine Worte zu Huntelaar.

    Er hat sehr gut mitgearbeitet, dabei ständig Gegenspieler gebunden und so einen großen Anteil am Sieg. Auch seine Laufleistung war einmal mehr überragend. Allerdings, und hier muss ich die Sportpresse auch mal in Schutz nehmen (kommt ja selten genug vor), ist es nunmal auch sein Job, die 100%igen Möglichkeiten reinzumachen. Und da hat er aktuell in der Tat ein nicht mehr zu übersehendes Problem.

    Übrigens gibt es den Sky-Spielbericht mittlerweile auch online. Schöner Service, wie ich finde.

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