Schade – nicht nur um das schöne Geld

15. Jan. 2013 | 5 Kommentare

Das Sportgericht des DFB hat (…) Schalke 04 (…) wegen zweier Fälle eines unsportlichen Verhaltens und eines Falles von fortgesetztem unsportlichen Verhalten (…) mit einer Geldstrafe in Höhe von 50.000 Euro belegt. (…) Der Verein hat dem Urteil zugestimmt, das Urteil ist damit rechtskräftig. (Quelle)

50.000 Euro entsprechen exakt dem jährlichen Beitrag von 1000 voll zahlenden Mitgliedern der Schalker Vereinsfamilie. Aktuell gibt es davon rund 110.000, wobei aus Altersgründen nicht alle den vollen Satz von 50 Euro entrichten. 50.000 Euro dürften in etwa dem Jahresgehalt eines ordentlich ausgebildeten Junioren-Trainers entsprechen. Mit 50.000 Euro muss sich der Verein für ein paar Magnesiumfackeln, Rauchtöpfe, Bengalos und ein Banner freikaufen.

Befürworter von Pyrotechnik werden sagen, dass die Strafen reine Willkür der DFL sind. Dass der Verband durch das Verbot eines Ausdrucks von Fankultur Einnahmen generiert, die Vereine knechtet und dass man sich deshalb gegen dieses Unrechtsystem auflehnen muss. Aus der Sicht der Pyro-Befürworter stimmen diese Argumente sogar. Genau so, wie es aus der Sicht des ertappten Rasers stimmt, dass eine Tempo-120-Begrenzung auf einer dreispurigen und darüber hinaus freien Autobahn reine Willkür ist.

Im Zusammenspiel zwischen Verbotenem und Erlaubten trifft man viel häufiger auf Willkür als man denken mag. Warum darf ich nicht in meiner Stammkneipe rauchen, wohl aber die gesammelten Gäste inklusive Wirt und Bedienungen zu mir nach Hause einladen und dort nach allen Regeln der Kunst einräuchern? Warum muss der Mofa-Fahrer auf seinem mit 25 km/h rollenden Gefährt einen Helm tragen, der ihn überholende Mountainbiker aber nicht. Warum darf der 104-jährige Greis, dem Politik zeit seines Lebens egal, war eine Partei wählen die eine Schulreform anstrebt, wohingegen der 17-jährige politisch hochgradig engagierte Schüler nicht gefragt wird?

Verbote markieren eine Linie. Man kann gegen sie argumentieren und aktiv gegen sie arbeiten. Man ist vielleicht sogar moralisch dazu verpflichtet, wenn die Linie tatsächlich an einer unpassenden Stelle gezogen wurde. Wenn man die bestehende Linie jedoch überschreitet, muss man mit Konsequenzen rechnen. Schon gar nicht sollte man Beifall erwarten, wenn die Konsequenzen wie im Fall der 50.000 Euro-Strafzahlung – und somit ganz anders als beim Autobahnraser – auf die Allgemeinheit abgewälzt werden.

Die aktiven Fangruppen der unterschiedlichen Vereine haben in den letzten Jahren vieles richtig gemacht. Sie haben auf Missstände hingewiesen, haben mit 12:12 und anderen Aktionen auf ihre Macht aufmerksam gemacht, mit „Ich fühl‘ mich sicher“ die verlogene Sicherheitsdebatte wunderbar karikiert und wehren sich mit Recht und unter großer Anteilnahme der nicht organisierten Fans erfolgreich gegen die zunehmende „Eventisierung“ des Fußballs. Auch und gerade auf Schalke hat der mitfiebernde Stadionbesucher diesen Gruppen vieles zu verdanken.

Durch Aktionen wie die, die nun zu den Strafzahlungen führten, nehmen sich die aktiven Fans jedoch selbst die Akzeptanz. Daran wird auch kein Argument, die Verbotspraxis der DFL sowie die Höhe der ausgesprochenen Strafen seien Akte der Willkür, etwas ändern. Denn die Linie war vorher bekannt und sie wurde bewusst überschritten. Ich finde das schade – und damit meine ich nicht nur das sinnlos verplemperte Geld.

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5 Kommentare zu “Schade – nicht nur um das schöne Geld”

  1. […] in der Weide (Schalkefan) ärgert sich über horrende Strafen für das Abbrennen von Pyro. In seinem Text geht es aber nicht […]

  2. Detlefam 15. Januar 2013 um 13:09 2

    Sehr guter Text zum Thema.

    Aus aktuellem Anlasss:
    Die Verbotspraxis des DFB/DFL führt sich gerade quasi ad absurdum. Stichwort Strafe für Papierschlangen Hoffenheim.
    Diese Strafe ist Wasser auf die Mühlen derer die in der Bestrafung generell etwas beliebiges entdecken wollen.

  3. Matthiasam 15. Januar 2013 um 14:26 3

    Für alle die nicht wissen, welchen aktuellen Anlass Detlef meint: hier klicken.

    Ja, die Papierschlangen sind echt eine Wucht und sorgten bei Twitter auch schon für Spott und Häme. Allerdings muss man zur „Ehrenrettung“ des DFB auch erwähnen, dass die schiere Masse der Papierstreifen das Spiel unterbrochen hat. Da ist es dann auch egal was auf das Feld fliegt: sobald es Einfluss auf die laufende Partie hat, ist es nicht erlaubt. Ob Papierschlangen, Plüschtiere oder Babyschnuller. Oder erinnert sich noch jemand an die Papierkugel bei Hamburg-Bremen? Fragt mal nach in Hamburg was die von Gegenständen auf dem Spielfeld halten.

    Deshalb ist das Papierstreifen-Urteil zwar im ersten Moment kurios, im zweiten Moment aber ganz logisch. Wären die Streifen im Block, bzw. im Fangnetz geblieben, hätte das Spiel nicht unterbrochen werden müssen und es wäre sicherlich auch keine Strafe ausgesprochen worden. Aber – natürlich – in diesem ersten (?) Fall einer Papierstreifensanktionierung rollt jeder mit den Augen.

  4. Carlitoam 15. Januar 2013 um 21:12 4

    Sehr guter Beitrag, wie ich finde! Auch die Begründung der zunächst kuriosen Strafe wegen Papierschlangen entbehrt nicht einer gewissen Logik.

  5. Detlefam 16. Januar 2013 um 16:26 5

    Die „Freunde“ aus Lüdenscheid sind ebenfalls bestraft worden, u.a. wegen Papierschlangen 😉
    Link hab ich grad mal nicht. Ich glaube es bei SPON gelesen zu haben.

    Und zu Sinn oder Unsinn einer solchen Bestrafung möchte ich folgendes sagen. Nach den Buchstaben des DFB sicherlich korrekt, aber manchmal wünsche ich mir, dass man die Buchstaben mal kurz vergißt.

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