Fliegender Wechsel

30. Jan. 2013 | 12 Kommentare

Michel Bastos ist auf Schalke angekommen. Zwei Tage lang durfte er nur beim Training zusehen, heute wird er erstmals im königsblauen Trikot vor den Ball treten. Nachdem sein Name schon vor gut zwei Wochen als Neuzugang durch die Presse geisterte, war es eine schwere Geburt, bis der Transfer als perfekt vermeldet werden konnte. Das erstaunliche dabei ist, dass Bastos von Schalke nur ausgeliehen wurde. Erstaunlich deshalb, weil bis zuletzt aus Lyon gemeldet wurde, der abgebende Verein fordere eine Ablösesumme in Höhe von sieben Millionen Euro. Und nun gibt Olympique Lyon den Brasilianer mit französischer Staatsbürgerschaft fast für umme frei?

Dem Vernehmen nach soll die Leihgebühr bei „nur“  1,5 Millionen Euro liegen. Schalke sicherte sich zudem zwei Kaufoptionen. Entweder zum Ende der aktuellen Saison, oder am Ende der kommenden Spielzeit. Bindend werden diese Optionen angeblich nur wenn Schalke in diesem Jahr das Champions-League-Halbfinale erreicht oder sich in der kommenden Saison wieder für die Champions-League qualifiziert. Das hört sich erstaunlich risikolos an. Umso mehr frage ich mich, warum sich Olympique Lyon auf diesen verschachtelten Deal mit ungewissem Ausgang einließ und inwiefern man das alles glauben darf. Letztendlich werden wir es wohl nie erfahren. Vielleicht sollte man auch einfach mal Horst Heldt für sein Verhandlungsgeschick loben.

Zum Abschied von Lewis Holtby


Der endgültige Abschied von Lewis Holtby hatte sich lange angedeutet – vorgestern wurde er verkündet. Ich hatte in der Winterpause das Unglaubliche gewagt, als ich Lewis Holtby für die Art und Weise des Zustandekommens seiner Entscheidung kritisierte. Obwohl ich meine Meinung ausführlich begründet hatte, wurde ich prompt in den Topf derer geworfen, die Holtby via Facebook üble Anfeindungen an den Kopf warfen. Zuletzt – aber bei weitem nicht nur dort – am Montag im Rahmen des 19Uhr4-Hangcasts. Es scheint Fußballfans schwer zu fallen in Graustufen zu differenzieren. Entweder ist man zu 100% für etwas oder zu 100% gegen etwas. Und dann unterstellt man die eigene sehr simpel gestrickte Sichtweise einfach anderen Fans.

Lewis Holtby für eine (angebliche) Ablöse von 1,75 Millionen Euro abzugeben halte ich für die richtige Entscheidung. Anders als die Kommentatoren der Schalke bestenfalls sporadisch begleitenden Medien habe ich Holtby in dieser Saison schon weit mehr als 25 Mal spielen sehen. Es gab Lichtblicke, zuletzt beim 5:4 gegen Hannover, die Regel sah aber so aus wie in Augsburg, wo er sich zusammen mit der Mannschaft ergab. Von einer „Zehn“ – und als solche sieht Holtby sich selbst – erwarte ich mehr. Ein Spielmacher darf nicht drei Viertel seiner Spiele mehr mit sich selbst als mit dem Spiel zu tun haben. Ein Spielmacher muss Verantwortung übernehmen und Spiele an sich reißen. Das kann Lewis Holtby nicht. Vielleicht kann er es „noch“ nicht. Man wird sehen.

Zu Beginn der Spielzeit formulierte ich in Gesprächen und Blog-Kommentaren die Meinung, dass das „Zehner-Casting“ auf Schalke mit einem klaren Signal für Lewis Holtby beendet werden sollte. Als sich bei ihm nach gutem Start dürftige Leistungen einschlichen und zum Normalzustand wurden, war ich einer der wenigen, die sich weiterhin für ihn aussprachen, auch um ihm die notwendige Spielpraxis zu geben, die ein junger Spieler braucht. Die Bekanntgabe seines Abschieds zum Saisonende hat sich das Argument pulverisiert. Aus Schalker Sicht muss ich heute sagen, dass es ein Management- und Trainerfehler war, Holtby zum Saisonbeginn die „Zehner-Position“ anzuvertrauen, obwohl er seinen Vertrag – trotz fortwährender Verhandlungsangebote seit Februar 2012 – nicht verlängert hatte. Denn es war damals schon klar, dass er nicht aus dem Stand heraus diese wichtige Position ausfüllen kann und dass das in ihn gesetzte Vertrauen in erster Linie eine Investition in die Zukunft sein wird.

Diese Zukunft auf Schalke hat Lewis Holtby selbst zum Jahreswechsel für beendet erklärt. Es ist richtig, nun nicht noch weitere Energie in seine Ausbildung zu investieren und dabei weitere Rückschläge in Kauf zu nehmen. Schalke hat es versäumt, aus dem vorhandenen Spielermaterial einen Zehner mit Vereinsperspektive aufzubauen, bzw. einen gestandenen Spielmacher zu verpflichten. Das letzte halbe Jahr war vergeudete Zeit. Es ist konsequent, dass dieser Irrweg durch den Winter-Abgang mit Schmerzensgeld beendet wurde. Ob eine Korrektur des eigeschlagenen Weges in dieser Saison überhaupt noch möglich ist, ist indes ungewiss. Aber zumindest versuchen muss man es.

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Fotos: ~Pyb (Bastos) | xtranews.de (Holtby)

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12 Kommentare zu “Fliegender Wechsel”

  1. bluesam 30. Januar 2013 um 07:21 1

    Als Zehner hat Lewis Holtby meine Erwartungen auch nur teilweise erfüllt. Von seinen defevenisven Qualitäten, letzte Saison auf der Sechs und diese Saison im ball- und gegnerorientierten (Offensiv-)Pressing, profitierte die Mannschaft immens.
    Ohne Holtby fehlt Schalke nun ein zweikampfstarker Spieler, der nach der Balleroberung mit einem präzisen Pass in die Offensive umschalten konnte. Huntelaar, Neustätter, Jones und auch Raffael sind in ihrem Defensivspiel bei gleichzeitigem Umsschalten weit weniger komplett als das Holtby war. Ich behaupte mal, das Defensivspiel wird noch schlechter und damit nicht mehr für das Erreichen der europäischen Wettbewerbe 2013/14 reichen.

  2. TobiTatzeam 30. Januar 2013 um 08:34 2

    Ich bin etwas verwundert? Hast du dir den Hangcast noch einmal angeschaut? Ich habe lediglich gesagt, dass du Lewis Holtby „kritisch“ siehst. Nie habe oder wollte ich dich in einen Topf mit irgendwelchen Trollen werfen, die unreflektiert rumblöken.
    Wenn du dich falsch verstanden gefühlt hast, dann tut es mir leid. Allerdings kann ich wirklich nicht erkennen, dass ich deine Position grob falsch wiedergegeben habe.
    Hier noch mal der Teil des Hangcast: http://youtu.be/V8qmKSPd3wo?t=24m50s

  3. RWDJojoam 30. Januar 2013 um 09:16 3

    Bastos:
    Ich bin mal gespannt, was der so kann! Stehe dem Transfer aber nicht ganz so skeptisch gegenüber wie bei Raffael… Mal abwarten! Das Transfertheater begründet sich wahrscheinlich dadurch, dass Schalkes „Kriegskasse“ weniger gut gefüllt ist als HH mal angedeutet hat. Wie soll da auch was drin sein??? Lyon wollte den Spieler abgeben (aus Kostengründen), Schalke wollte den Spieler, der Spieler wollte zu Schalke! Nun hat man sich auf ein vorläufiges Leihgeschäft geeinigt, das wahrscheinlich in einem Kauf enden wird. Bis zum endgültigen Vollzug spart sich Lyon immerhin das Gehalt.

    Holtby:
    Ich denke auch, dass es richtig war, Holtby für ein nettes Sümmchen abzugeben. Bisher habe ich immer nur mit dem finanziellen Aspekt (Ablöse + Gehaltseinsparung) und den schwankenden Leistungen argumentiert. Du lieferst mir ein weiteres Argument. Schalke ist kein Ausbildungsclub für die Premier League!
    Mit Raffael hat Schake schon einen potentiellen Ersatz verpflichtet. Weiterhin möchte ein gewisser Julian Draxler auch gerne auf der 10 spielen. Sollte Raffael nicht wie erhofft einschlagen, dann fangen wir eben damit an, Draxler für die 10 auszubilden. Als Backup gibbet da ja auch noch den Max Meyer…

  4. Erle72am 30. Januar 2013 um 10:03 4

    Trainerfehler? Kann ich nicht sehen. Der Trainer setzt die Spieler ein, die er zum jeweiligen Zeitpunkt für die Besten hält, unabhängig von der Vertragslaufzeit. Der Manager ist für die Verträge zuständig und kann gegebenenfalls versuchen, jeden Spieler 1 Jahr vor Vertragsende bei Nichtverlängerung zu verkaufen. Wenn er das nicht tut kommt es halt zu Situationen wie bei Huntelaar und Holtby. Andere Vereine können nur überleben, indem sie Spieler für ein Jahr ausleihen, deren Talent nutzen und dann wieder abgeben. Der einzige Grund Holtby jetzt zu verkaufen ist das Geld. Für den Trainer ist jeder gute Spieler mehr im Kader ein Gewinn. Holtby hat Schalke in der Hinrunde mit 4 Toren und 11 Assissts in allen Wettbewerben ein Stück voran gebracht, für den Trainer DER Gradmesser ihn einzusetzen.
    Hoffen wir das Draxler, spätestens bis zum Erreichen von Holtbys Alter, noch besser wird. Bei seiner Torgefahr hat er sich ja schon gesteigert. Er muß aber, statt von der 10 zu reden, defensiv, im Zweikampf und im Zuspiel noch einiges zulegen. Vielleicht können ihm Bastos und Raffael da auf die Sprünge helfen.

  5. TobiTatzeam 30. Januar 2013 um 10:22 5

    Wir brauchen Draxler nicht als 10er ausbilden. Die Position hat er schon in der Jugend die meiste Zeit gespielt. Oder irre ich mich?

  6. derwahrebaresiam 30. Januar 2013 um 10:29 6

    @Schalke ist kein Ausbildungsclub für die Premier League!
    dann fangen wir eben damit an, Draxler für die 10 auszubilden.

    logo, und der bleibt dann für immer dem s04 treu? 🙂

    na ja, vllt. geht er ja auch nur zu den bauern …

  7. Der Hansam 30. Januar 2013 um 10:43 7

    logo, und der bleibt dann für immer dem s04 treu?

    Wenn man so denkt, kann man gleich die gesamte Jugendabteilung dicht machen.

  8. Matthiasam 30. Januar 2013 um 10:48 8

    @Tobi:
    Sorry. Nochmal angehört gebe ich dir recht und ziehe es hiermit zurück.

    Ich war am Montag wahrscheinlich zu sehr geschockt, als ich Jonas‘ Worte bei Minute 19:42 Uhr hörte: „Was mir am meisten fehlt ist momentan die Leidenschaft. Mit Holtby verlässt ein richtiger Schalker die Mannschaft. (…) Höwedes ist so der letzte Schalker, der wirklich für Schalke spielt und die anderen sind nur noch Fußballspieler des Geldes wegen.“ Woraufhin dann Tommes die Söldner-Debatte ansprach, gleichzeitig klarstellte, dass dieses „In Söldnertum-Klassen denken“ quatsch ist und du mich in deinem übernächsten Statement explizit erwähntest. Dieser Diskussionsverlauf „Holtby, der bis auf Höwedes einzige richtige Schalker“ -> „Söldnertum ist Quatsch“ -> „Matthias hat geschrieben…“ kam mir in den falschen Hals.

    @Erle:

    Trainerfehler? Kann ich nicht sehen. Der Trainer setzt die Spieler ein, die er zum jeweiligen Zeitpunkt für die Besten hält, unabhängig von der Vertragslaufzeit.

    Auch wenn ich selbst ein großer Verfechter des „Die Besten sollen spielen!“ bin, hoffe ich doch, dass ein perspektivisch arbeitender Trainer nicht ausschließlich so denkt. Bestes Beispiel ist Draxler, dessen Einsatz gerade von den Fans immer (zurecht!) gefordert wird, obwohl es durchaus Gründe gibt, ihn auch mal ein Spiel von der Bank aus beobachten zu lassen. Wir werden jetzt sehen, wie Keller es mit Bastos halten wird. Sollte er sich als besser als Draxler herausstellen und Draxler daraufhin nur noch auf der Bank hocken, wäre der Aufschrei unter den Fans groß und hätte meine volle Sympathie.

    Holtby hat Schalke in der Hinrunde mit 4 Toren und 11 Assissts in allen Wettbewerben ein Stück voran gebracht, für den Trainer DER Gradmesser ihn einzusetzen.

    Und genau hier unterscheidet sich meine Einschätzung von der, die allgemein vertreten wird. Holtby startete unbestritten stark in die Saison. Drei seiner vier Tore erzielte er in den ersten 5 Spieltagen. Seinen zweiten (von sieben) Assist lieferte er allerdings erst am 7. Spieltag. Nimmt man das Spiel gegen Hannover heraus, zeigte die Formkurve bei Holtby ebenso eklatant nach unten wie beim Rest der Mannschaft. Ich sage ja nicht, dass er Schuld war an der Misere, aber er hat sich in dieser Phase als Mitläufer herausgestellt. Zwar unbestritten engagiert (das rechne ich ihm auch hoch an), aber nicht wirklich effektiv. Auf keinen Fall so effektiv, wie man es von einer derart exponierten Position erwarten muss.

    @derwahrebaresi:
    Dein Einwand lässt einen entscheidenden Punkt außen vor: Draxler hat noch einen Vertrag bis 2016. Das heißt nicht, dass er nicht vorher gehen könnte. Nur wird das Schmerzensgeld dann um einiges höher sein und Schalke – im Gegensatz zum Holtby-Taschengeld – eine echte Alternative bieten. Ich bleibe dabei: Holtby bei nur noch einem Jahr Vertragslaufzeit trotz andauernder nicht angenommener Verhandlungsangebote die Zehn zu geben war ein Fehler. Sicherlich hatte am Zustandekommen dieses Fehlers auch Holtbys Aussage vom Sommer 2012 einen Anteil, als er verlautbarte, eine Vertragsverlängerung hinge vor allem davon ab, ob er nun endlich seine Wunschposition bekleiden könne. Schalke hat daraufhin „geliefert“, Holtby war es dennoch egal. Das ist übrigens auch der Grund, warum mir Holtbys Verhalten sauer aufstieß. Aber den Fehler hat nicht er sondern der Verein begangen, als man sich auf dieses vage „Versprechen“ Holtbys einließ.

  9. mettskillzam 30. Januar 2013 um 11:16 9

    „Vielleicht sollte man auch einfach mal Horst Heldt für sein Verhandlungsgeschick loben.“

    Vielleicht. Und sollte der Vertrag wie von dir beschrieben ausgestaltet sein, mache ich das gerne. Aber der Fall Obasi geistert noch zu sehr vor meinem inneren Auge herum. Also mal abwarten…

  10. derwahrebaresiam 30. Januar 2013 um 12:20 10

    @der hans

    ich werde den blogbetreiber bitten ironie icons zur verfügung zu stellen, dann wird´s vllt. verständlicher …

  11. Der Griecheam 31. Januar 2013 um 07:06 11

    „Vielleicht sollte man auch einfach mal Horst Heldt für sein Verhandlungsgeschick loben.“

    Kommt darauf an, wieviel Bastos dann letztendlich kostet (ich nehme nicht an, dass er irgendwann nochmal zu Lyon zurückgeht). Wenn es dann immer noch sieben bis acht Millionen sind, hat Schalke durch das Geschäft eindeutig Verlust gemacht.

  12. Matthiasam 31. Januar 2013 um 10:27 12

    @DerGrieche und mettskillz
    Als Blaupause für eure Sekpsis dient der Obasi-Transfer. Kann ich verstehen. In der bissigen Witzelei über die Causa Obasi geht jedoch völlig unter, dass Horst Heldt auch schon einige sehr gute Personalentscheidungen betreut hat. Es scheint irgendwie diese Kiste mit dem halb vollen oder halb leeren Glas zu sein. Lassen wir uns einfach überraschen.

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