Schalke macht wieder Spaß
Sieben Punkte aus den drei ersten Spielen der Rückrunde – Schalke liegt weiterhin voll im Soll und sogar noch etwas darüber. Insgeheim wartet man ja schon auf Wochen darauf, dass die junge Mannschaft einen Leistungseinbruch erleidet. In vielen Kommentaren der Sportpresse hört man förmlich das sehnliche Verlangen, einen Schalker Absturz schildern zu dürfen. Allein: Diesen „Gefallen“ will die Mannschaft der lechzenden Öffentlichkeit einfach nicht tun. Stattdessen wird sie von Spiel zu Spiel sicherer. Ganz besonders die Spieler, von denen man es am wenigsten erwarten darf. Beispielsweise Joel Matip. Was der Junge mit seinen 18 Jahren da unten auf dem Spielfeld zeigt, kann ich gar nicht groß genug würdigen. Gegen Hoffenheim spielte er eine blitzsaubere Partie. Irgendwann in der zweiten Halbzeit verlor er einmal den Ball im Mittelfeld, kurz darauf leistete er sich ein unnötig hartes Foul und kassierte dafür die gelbe Karte. Das waren sie aber auch schon, die zwei Haare in der Suppe. Die restlichen 90 Minuten agierte er abgezockt wie ein Akteur mit 100+x Ligaspielen in den Beinen und im Kopf. Er war förmlich überall, piesackte das Aufbauspiel im Hoffenheimer Mittelfeld durch sein geschicktes Stellungsspiel, warf seine langen Gräten selbst in eigentliche sichere Kurzpässe, vereitelte oftmals im Alleingang den Spielaufbau der Gäste und konnte sich – so er denn mal in Leere sprang – darauf verlassen, dass hinter ihm noch eine ganze Reihe weiterer Spieler stehen, die ihm in Sachen Engagement und Spielwillen nicht nachstanden. Die Folge: Hoffenheim hatte in den 90 Minuten am Samstagabend letztendlich nur eine herausgespielte Möglichkeit. Die bereits nach knapp vier Minuten, als die Schalker Hintermannschaft einmal unsortiert wirkte, der Hoffenheimer, der plötzlich acht Meter frei vor dem Tor stand und das Spielgerät vertendelte, aber ebenso. Schalke gewann mit 2:0 gegen eine Mannschaft, die im letzten Jahr noch der Inbegriff von attraktiven Offensiv- und Kombinationsfußball war. Von diesem Glanz ist wenig bis gar nichts übrig geblieben. Genau so wenig wie von der Lethargie, die Schalkes Spiel vor einem Jahr noch kennzeichnete. Es ist noch längst nicht alles Gold, was in der Arena glänzt. Aber es macht wieder Spaß, Schalker Heimspiele zu sehen.
Es macht auch Spaß, weil nicht nur die Jungen ständig an ihre Leistungsgrenze gehen und für ihren Mut belohnt werden, sondern auch die arrivierten Spieler endlich das abrufen, was man von ihnen erwarten darf. An Kevin Kuranyi schieden sich in den letzten Jahren viele Geister – ich gebe zu: auch meiner. Aktuell muss man feststellen, dass es sicherlich Spieler gibt, die attraktiver und filigraner auftreten. Aber „der Kevin“ trifft mittlerweile mit der schönen Regelmäßigkeit eines guten Uhrwerks. Nach 19 Minuten gelang ihm am Samstagabend gegen Hoffenheim der Führungstreffer nach feiner Vorarbeit von Rafinha. Eigentlich wollte Kuranyi den Ball nur mit der Fußspitze an seinem Gegenspieler Beck vorbeilegen und zum mitgelaufenen Sanchez spielen. Doch wenn es einmal läuft, dann läuft’s einfach und so trudelte die Kugel am Hoffenheim-Keeper Hildebrand vorbei in den Kasten.
Ein weiterer Spieler, an dem man den Schalker Aufschwung der bisherigen Saison festmachen kann, festmachen muss sogar, ist Jefferson Farfán. Seit Wochen präsentiert er sich in glänzender Form und kann immer dann groß auftrumpfen, wenn er im Zusammenspiel mit seinem kongenialen Partner Rafinha die rechte Außenbahn beackern darf. Und wenn dann auch noch Vicente Sanchez wie Phoenix aus der Asche aufsteigt und in zwei Startelf-Spielen hintereinander „auf Links“ für Druck sorgt, dann ist das Schalker Angriffspiel plötzlich doch viel variabler, als es ihm die Kritiker immer wieder vorwerfen.
Natürlich, Schalke hatte am Samstag auch einmal Glück. Nach 47 Minuten hätte sich niemand beschweren dürfen, wenn Schiedsrichter Florian Meyer auf Foulelfmeter gegen Schalke entschieden hätte. Zu ungestüm war der Einsatz von Vicente Sanchez, der im eigenen Strafraum Hoffenheims Beck satt abräumte. Dass sich die Hoffenheimer Schiedsrichterschelte nach dem Abpfiff in Grenzen hielt, mag wohl auch an einem anderen Knackpunkt der Partie gelegen haben, als Schiedsrichter Meyer den bereits verwarnten Eichner in der 32. Minute nach einem weiteren rüden Foul nur verbal verwarnte und Trainer Rangnick so noch die Möglichkeit zum Allerhöchste-Not-Wechsel gab.
Praktisch im Gegenzug zum nicht gegebenen Elfmeter entscheidet Lukas Schmitz dann die Partie. Eine Ecke des offensiv leider erneut in vielen Szenen grauselig schwachen Ivan Rakitic (dafür war seine Defeniv-Leistung allerdings wirklich OK) wird von Kuranyi per Kopf (unabsichtlich) aus dem Strafraum bugsiert, im Hintergrund lauert Schmitz auf den „zweiten Ball“, zieht ab und trifft unhaltbar mitten ins Glück.
Schalke hatte davor und danach noch weitere Möglichkeiten. Hoffenheim kam, wenn überhaupt, nur durch Standards zu Minimal-Möglichkeiten. Auch deshalb war das 2:0 ein grundweg gerechtes Ergebnis, wenngleich die Gäste zumindest in puncto Ballbesitz in der zweiten Halbzeit etwas die Oberhand behielten.
41 Punkte aus 20 Spielen macht aktuell einen Schnitt von exakt 2,05 Zählern pro Partie. Im letzten Jahr stand man nach 20 Spielen gerade erst bei 30 Punkten, 2007/2008 waren es nur 35. Man muss schon in die Vizemeister-Saison 2006/2007 zurückgehen, um eine Schalker Mannschaft zu finden, die mit 45 Punkten aus den ersten 20 Spielen erfolgreicher war. Viel wichtiger als dieser Rückblick ist jedoch die aktuelle Tatsache, dass die Königsblauen sich ein Polster von 13 Punkten auf den sechsten Tabellenplatz (Werder Bremen) angefuttert haben. Damit ist man bei weitem noch nicht „durch“, doch die Hoffnung auf der Erreichen des Saisonziels „Platz 5“ lebt munterer denn je weiter. Wie bereits geschrieben: Es macht wieder Spaß, Fußball auf Schalke zu kucken.
Mehr zum Spiel schreibt der „kicker„.
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