Schön ist anders
Drittes Bundesligaspiel, dritte Niederlage. Zählt man den „Supercup“ zu den bislang absolvierten Pflichtspielen der Saison 2010/2011 hinzu, war es bereits die vierte Pleite im fünften Spiel. Einzig im DFB-Pokal reichte es gegen den drittklassigen VfR Aalen zu einem knappen Schalker Sieg. Da braucht man nicht lange drum herum reden: Schön ist anders.
Insgeheim hatte ich ja schon mit einem „Neustart in die Saison“ geliebäugelt, wenngleich es sicherlich auch ein Stück weit vermessen war zu glauben, dass die Neuzugänge des zurückliegenden Transferfensters direkt und ohne Anlaufzeit zünden könnten. Das Positive vorneweg: Mit Klaas-Jan Huntelaar, der am Freitag über die vollen 90 Minuten ran durfte, hat sich der S04 tatsächlich einen Spieler geangelt, der weiß, wo das Tor steht. Im Gegensatz zu Raul, der fast die gesamte Vorbereitung mitgemacht hat, jedoch noch immer nicht richtig auf Schalke angekommen zu sein scheint, deutete Huntelaar schon in seinem ersten Einsatz an, dass er eine Verstärkung für die Offensive sein wird.
Das war es dann aber auch schon mit den positiven Erkenntnissen vom Auswärtsspiel. Denn auch im dritten Ligaauftritt präsentierte sich Schalke über weite Strecken indiskutabel. 20 passablen Anfangsminuten folgte der Rückfall in den Trott dieser jungen Saison. Die beinahe logische Konsequenz aus mangelndem Kombinationsspiel, unzähligen Fehlpässen und leichten Ballverlusten war das 1:0 durch Vorsah. Ein kurz ausgeführter Eckball reichte aus, um die ohnehin nur rudimentär vorhandene Ordnung in der Schalker Defensive vollständig zu zerstören. Eine Flanke, ein Kopfball des völlig freistehenden Hoffenheimers – und schon war Schalke nach 35 Minuten auf der Verliererstraße. Da halfen auch die Glanzparaden von Manuel Neuer nichts mehr, der im Alleingang einen höheren Pausenrückstand verhinderte und Schalke so zumindest noch im Spiel hielt.
Schalkes Spiel krankt derzeit noch an allen Ecken. Die Abwehr ist in ihrer derzeitigen Verfassung schlichtweg nicht bundesligareif, wenngleich sie durch die Rückkehr von Benni Höwedes zumindest ein wenig sicherer stand, als zuletzt. Ein Mittelfeld ist aktuell einfach nicht vorhanden. Zwar wurden mit Daec und vor allem Jurado zwei Spieler verpflichtet, die hier Abhilfe schaffen sollen, doch Magath verzichtete in der Startfomation auf beide und wechselte Jurado erst in der Schlussphase ein. Da zudem Jefferson Farfán nach seinen Länderspieleinsätzen fehlte, war es allein Edu, der versuchte, das fast 40 Meter große Loch zwischen Abwehr und Angriff irgendwie zu stopfen. Es misslang gründlich.
Es bleibt die Hoffnung, dass der Trainager auch sieht, dass Schalkes Offensivspiel nicht aus planlos nach vorne gedroschenen Bällen bestehen kann, selbst wenn es zur Mitte der zweiten Halbzeit mal kurzfristig danach aussah, als könne diese Verzweiflungstaktik doch noch zu einem Punktgewinn reichen. Die Mannschaft braucht einfach noch Zeit. Doch so langsam dürfte sie trotz aller Geduld auch mit dem Punkten beginnen, denn mit 0 Zählern aus drei Spielen bewegt man sich in brandgefährlichen Tabellenregionen. Mehr zum Spiel schreibt der kicker.
Soviel zum sportlichen Teil des Freitages, der mir trotz des trostlosen Ergebnisses dennoch nachhaltig in Erinnerung bleiben wird. Denn zum ersten Mal besuchte ich die „Rhein-Neckar-Arena“ in Sinsheim und konnte mir selbst ein Bild von diesem in den letzten beiden Jahren unter „Fußball-Fundis“ heiß diskutierten Phänomen Hoffenheim machen.
Korrigiert mich, aber hieß es nicht mal vonseiten der DFL, dass an einem Freitagabend ausschließlich Spiele von Mannschaften stattfinden sollen, die maximal 200 Kilometer auseinanderliegen? Liegt Gelsenkirchen wirklich so weit südlich? Von Münster aus nach Sinsheim waren es auf jeden Fall glatte 380 Kilometer, die unsere vierköpfige Fahrgemeinschaft trotz zahlreicher Feierabendverkehr-Staus in exakt fünf Stunden absolvierte.
Das Sinsheimer Stadion liegt direkt an der Autobahn A6. Über die offensichtlich extra für die Sportstätte gebaute Ausfahrt geht es schnurstracks auf die zahlreichen Parkplätze, die in direkter Nähe zum Stadion liegen. Da kann man dann auch über die 5 Euro Parkgebühren hinweg sehen.
Erster Eindruck vom Stadion: Sieht von außen doch ganz gut aus.
Und auch von innen betrachtet gibt es hässlichere Stadien als die Rhein-Neckar-Arena. Was jedoch auffällt, ist, dass das Stadion viel größer wirkt, als es tatsächlich ist. Nur knapp über 30.000 Zuschauer passen rein, vom Gefühl her kommt man sich jedoch vor, als stünde man in einer 45.000-Mann-Arena. Vielleicht liegt das auch daran, weil die komplette Haupttribüne ein einziger VIP-Bereich ist, der zwar viel Platz verschlingt, aber nur wenige Zuschauer beherbergt. Ist aber nur ’ne Vermutung.
Noch haben wir etwas zu lachen. Doch schon in wenigen Minuten beginnt die Partie …
Einlauf der Mannschaften mit dem üblichen Fahnenschwenker-Ballihu. Ohne jetzt das Fass von wegen „Retortenclub ohne Tradition“ aufmachen zu wollen, muss ich doch feststellen, dass Fußball kucken in Sinsheim etwas ganz anderes ist, als in allen anderen von mir besuchten Stadien. Positiv ist, dass man als Gastfan wirklich nirgendwo dumm angemacht wird. Die Polizei verrichtet unauffällig ihren Dienst und die Stadionordner sind außergewöhnlich freundlich.
Das alles kann aber nicht dieses latente Gefühl eines designten „Events“ wettmachen. Das beginnt beim Hoffenheimer Vereinslied, das nun wirklich so saudämlich und austauschbar ist, dass „Backe, backe Kuchen, der Bäcker hat gerufen“ wie eine Verdi-Oper klingt. Es setzt sich fort über die Einblendungen auf der Anzeigetafel, die während des gesamten Spiels durchgängig Werbung und alle paar Minuten vielleicht für ein paar Sekunden den Spielstand anzeigt. So richtig übel wurde es bei einer Schweigeminute für „Domi“, einem jungen Hoffenheimer Anhänger, der vor Kurzem tödlich verunglückte. Wenigstens als die Gedenkworte verlesen und Bilder des Verstorbenen auf der Anzeigetafel gezeigt wurden, hätte die Stadionregie doch die Werbeeinblendungen einstellen können. Tat sie aber nicht. Und so lauschte das Stadion andenkend „You’ll never walk alone“ und schaute auf eine Videowand, auf der sich neben einer Bilderreihe des verunglückten „Domi“ die „Premium-Partner“ der Rhein-Neckar-Arena abfeierten.
Gleich kommt sie wieder, die sinnlos nach vorne gedroschene Flanke. Diesmal darf Manuel Neuer diese „feine Kunst der Schalker Spieleröffnung“ zelebrieren …
… und so endet dann ein typischer Schalker Spielzug mit einem Ball irgendwo im Nirgendwo.
Auslaufen. Nach erneut enttäuschenden 90 Minuten steigt die Zuversicht in die begonnene Saison nicht zwangsläufig. Die trotzigen Anfeuerungsrufe der Ultras, die direkt nach dem Schlusspfiff das anstehende Derby gegen Dortmund einläuteten, wirkten auf mich schon sehr befremdlich.
Noch einmal ein Stadion-Panorama, diesmal nach dem Spiel von den Gäste-Stehplätzen im Unterrang aus.
Nach dem Spiel zurück zum Parkplatz: Auch nach dem Spiel gab es keinerlei Ärger zwischen den Fangruppen. Bei aller Kritik an dieser „neuen Art“ des Fußballs, wie sie in Hoffenheim industrialisiert wurde, muss das auf jeden Fall positiv festgehalten werden.
Ein letzter Blick zurück, dann ging es auf die Heimfahrt. Um 4.00 Uhr morgens erreichten wir wieder Münster. Die ernüchternde Bilanz der Ochsentour: 760 Kilometer Autofahrt, 72 Euro Spritkosten, 32 Euro pro Eintrittskarte, 7 Euro beim Burgerbrater in Dollberg gelassen, 5 Euro für den Parkplatz gelöhnt = 0 Tore und 0 Punkte. Aber wenigstens habe ich einen weißen Fleck auf meiner persönlichen Fußballlandkarte gefüllt.
Und das sagt der Klopp: „Richtig so! Wenn die Schalker Ihre Kohle sinnlos bei Auswärtsfahrten verballern, bleibt weniger Geld für Fan-Anleihen!“
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Ein Kommentar zu “Schön ist anders”
oh Jott, oh Jott!