Eine Stadionwurst mit dem Spargeltarzan
Im Rahmen einer kleinen Serie veröffentliche ich Auszüge aus einer rund 36 Jahre alten Kladde einer damals jugendlichen Anhängerin und nehme dies zum Anlass, selbst ein wenig in Erinnerungen zu schwelgen. Jeder Leser dieser Seite ist eingeladen, es mir gleichzutun.
Der Sommer des Jahres 2006 war unglaublich trocken. Ebbe Sand war eine unaufhaltbare Tormaschine. Und die Stadionwurst in Wattenscheid ist die Beste auf der ganzen Welt. Alles klar!?
Das Problem mit der Erinnerung ist ihre Subjektivität. Das Gehirn verbindet bestimmte Ereignisse mit bestimmten Emotionen – und schickt uns damit auf den Holzweg. Der Sommer 2006 war beispielsweise alles andere als trocken; er war insgesamt gesehen kalt und nass. Doch in den vier Wochen der Weltmeisterschaft hat es kaum geregnet. In den Monaten davor und danach jedoch jede Menge – aber daran erinnern wir uns mangels emotionaler Verknüpfung nicht.
Ebbe Sand war ein guter Stürmer, aber keine Tormaschine. Zwischendrin stotterte sein Motor oft monatelang. Dennoch erinnere ich mich bei der Erwähnung seines Namens nicht an die zahllosen Spiele, in denen er wie Falschgeld im Mittelfeld herumirrte, sondern ausschließlich an die richtig geilen Buden.
Und die Stadionwurst? Die war in Wattenscheid wirklich herausragend lecker! Zumindest für mich. Ich befürchte jedoch, dass ich hier ebenfalls in die selektiv-subjektive Erinnerungsfalle tappe. Mit der Wurst im Lohrheidestadion verbinde ich die Anfänge meiner Auswärtsspiel-Erfahrungen als junger Schalkefan. Regelmäßig wohnte ich in den späten 80ern und frühen 90ern diesem lokalsten aller Lokalderbys bei, das bei Weitem nicht nur in der Lohrheide, sondern oft auch im Ruhrstadion ausgetragen wurde. Doch egal wo das Spiel stattfand: Wenn die SG der Gastgeber war, war die Stadionwurst geil. Das sagt mir meine Erinnerung…
Wenn S04 gegen Wattenscheid spielte, war es auch immer ein Spiel gegen das Team von Hannes Bongartz. Obwohl der „Spargeltarzan“ in dieser Zeit „nur“ fünf Jahre als Trainer in Wattenscheid tätig war, prägte er zusammen mit SG-Mäzen Klaus Steilmann doch eine echte Ära. Daran erinnere ich mich, wenn ich den Namen Hannes Bongartz höre. Die „Bongartz-Mark“, seine Zeit als Spieler in Wattenscheid, auf Schalke, in Kaiserslautern und – viel zu selten – in der Nationalmannschaft ist mir hingegen kaum präsent, auch wenn ich mich – rein alterstechnisch – zumindest an die letzten Jahre seiner Spielerlaufbahn erinnern müsste. Aber wie gesagt: Die Erinnerung ist oft eine ziemlich störrische Frau.
In letzter Zeit ist es ruhig geworden um Bongartz, der nach seiner erfolgreichen Wattenscheider Trainerzeit in Duisburg, Mönchengladbach, noch einmal in Wattenscheid und schließlich in Siegen weniger Glück hatte. Zuletzt war er als Sportdirektor bei AO Xanthi in Griechenland tätig – doch das ist auch schon wieder fast drei Jahre her.
Wer jetzt über und mit Bongartz in Erinnerungen schwelgen will, dem lege ich dieses Interview (Teil 1 | Teil 2) aus den „Reviergesprächen“ ans Herz, das Mitte 2010 aufgezeichnet wurde. Ich mag diese Talks abseits der Alltagshektik, in denen „alte Haudegen“ fernab von Profilneurosen ein paar Dönekes raushauen.
Übrigens: Ich habe echt keine Ahnung, warum Hannes Bongartz gemäß den Aufzeichnungen unserer jungen Chronistin eine Ehefrau namens Jutta hatte, mit der er offensichtlich nur verlobt war…
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3 Kommentare zu “Eine Stadionwurst mit dem Spargeltarzan”
Keine Ahnung wie die Wurst in WAT ist, aber mit Bongartz haste recht. Ich denke auch immer sofort an Wattenscheid, wenn ich seinen Namen höre. Du und ich müssen etwa gleichalt sein. Danke für das Erinnerungen auffrischen und den coolen link zum Interview-Video.
Die SG09 war meine erste Station als Fussball-Fan. Wahrscheinlich weil meine Grosseltern in Wattenscheid wohnten. Wir sind oft mit dem Fahrrad von Essen nach Wattenscheid zu den Heimspielen gefahren. Und zweimal durfte ich im Ruhrstadion auch beiwohnen, wie die Bayern vermöbelt wurden. Irgendwie eine grossartige Zeit, auch wenn man sich immer als Wattenscheider Unterhund gefühlt hat. Souleyman Sane und Ali Ibrahim sind weitere Namen, die mir direkt einfallen, wenn ich Wattenscheid, Bongartz und Steilmann höre. Nach einer kurzen rot-weissen Verirrung (Erinnerung: Pokalspiel 1994 Rot-Weiss gegen S04 im rot-weissen Block, Jens Lehmann, Stich ins Schalker Herz, danach glaube ich Pflastersteine) dann auf den königsblauen Weg gekommen. Jetzt lebe ich in der Fussball-Prärie Zürich und bin froh, dass Ihr Blogger ein bisschen Königsblau in meinen Alltag bringt!
Interessanter Typ, der damalige Hannes Bongartz: verheiratet (mit Jutta) und zugleich auch noch verlobt.