Mein Tag als Twitter-Reporter
Am Samstag war ich erstmals nicht als Fan, sondern „in offizieller Mission“ auf Schalke unterwegs. Die Sportredaktion von „Zeit Online“ hatte mich gefragt, ob ich das Spiel des FC Schalke gegen den VfL Wolfsburg als „Twitter-Reporter“ begleiten möchte. Seit Beginn der Rückrunde schickt „Die Zeit“ einen Blogger ins Stadion und lässt ihn unter dem Account Zeitonlinesport Impressionen rund um das Topspiel des Tages twittern. In Ermangelung echter Topspiel-Alternativen war die Wahl diesmal auf „Magaths Rückkehr auf Schalke“ und irgendwie auch auf mich gefallen. Also tauschte ich einen Nachmittag lang meinen Dauerkarten-Stammplatz in Block K mit einer Akkreditierung für die Pressetribüne, die Mixed-Zone und die Pressekonferenz. Mit meinem schon etwas betagterem aber für die fröhliche Twitterei ausreichend dimensionierten Eee PC, einem UMTS-Surfstick von Vodafone und meinem nigelnagelneuen HTC-Smartphone machte ich mich am Samstagmittag auf den Weg nach Gelsenkirchen, wohl bedenkend, dass für mich neben dem Spaß und der neuen Erfahrung in erster Linie die Arbeit für „Zeit Online“ Priorität hat. Deshalb entschied ich mich am Samstag auch für neutrale Kleidung; Trikot und Fanclub-Kapuzenjacke blieben zuhause. Eine Entscheidung, die mir schwerfiel, die sich im Nachhinein jedoch als richtig herausstellte. Hier mein Erlebnisbericht „Behind the scenes“ und „Between the tweets“.
Der Startschuss für meine Twitter-Reporter-Tätigkeit fiel am Samstagmorgen mit folgenden Worten aus der Zeit-Redaktion:
Magaths Rückkehr nach Schalke twittert heute live @schalkefan_de für uns. Wir freuen uns und machen die Bühne frei. (cs) Samstag, 9. April 2011 10:46
Zu diesem Zeitpunkt sitze ich noch beim Frühstück und mache mich bereit, zum Treffpunkt des münsterschen Schalke-Fanclubs zu spazieren. Die Hinfahrt werde ich im gewohnten Kreise „meiner Lieben“ bewältigen, zumal mit der Redaktion abgesprochen ist, dass ich ab etwa eine Stunde vor dem Spiel mit dem Twittern beginne. Die Anreise verläuft dann auch wie weit mehr als hundert Mal gewohnt, nur dass ich diesmal auf mein Spieltags-Bier verzichte. Mit Bierfahne auf die Pressetribüne? Diese Blöße will ich weder mir noch meinem Auftraggeber geben.
Gegen 14.15 Uhr komme ich an der Arena an. Meine nicht gerade sensationell originelle aber dennoch statthafte Idee: Ein nettes Bild von den eintreffenden Fans und/oder der Arena knipsen und als Begrüßung twittern. Das Fotomotiv – fünf charmante Mädels aus Fernost auf der verzweifelten Suche nach Eintrittskarten – ist schnell gefunden. Geknipst, Begrüßungstext dazu, absenden – Mist! Das E-Netz rund um die Arena ist schon eine Stunde vor dem Anpfiff hoffnungslos überlastet. Mein Smartphone hat auch beim 10. Versuch keine Chance, den Tweet abzusetzen. Also nichts wie rein ins Stadion, ab auf die Pressetribüne und hoffen, dass dort zumindest der Vodafone-Surfstick Netzanbindung gewährt.
Durch die Einlasskontrollen geht es dank der Medien-Akkreditierung reibungslos. Auf der Pressetribüne weist mir eine nette Dame den Weg zu meinem Arbeitsplatz für die nächsten zweieinhalb Stunden. Ein prüfender Blick – puh – es gibt genügend Steckdosen. Der Akku meines Eee PC hätte aufgrund seines Alters zweieinhalb Stunden ohne Netzstrom nicht mitgemacht. Stecker rein, System hochfahren, Surfstick aktivieren und dann die bange Frage: Wird es wenigstens im D-Netz klappen?
Willkommen aus Gelsenkirchen. Königsblauer Himmel über der Cabrio-Arena, draußen versuchen die letzten Fans Tickets zu erwerben. (mw) Samstag, 9. April 2011 14:45
Durchatmen. Zumindest das Netbook hat Kontakt zur Außenwelt aufgenommen. Jetzt erstmal wieder runterkommen und den Blick schweifen lassen. Das Stadion ist recht leer, auf der Pressetribüne ist noch so gut wie gar nichts los. Ich sitze in der untersten Reihe des Bereiches, ganz rechts. Links von mir herrscht gähnende Leere. Der erste Erkenntnisgewinn des Tages: Journalisten kommen erst mit dem Anpfiff.
Der Blick ist super. Ich nutze die Gelegenheit, um das wahrscheinlich beste Panorama-Foto meiner bisherigen Stadionknipser-Laufbahn zu schießen (anklicken zum vergrößern!).
Magaths Rückkehr auf Schalke: Knapp 35 Fotografen liegen vor dem Spielertunnel auf der Lauer, doch noch lässt sich Felix nicht blicken. (mw) Samstag, 9. April 2011 14:48
Schade, dass das mit der Foto-Twitterei über mein Smartphone nicht funktioniert. Die Traube der Pressefotografen vor dem Spielertunnel hätte ich zu gerne auch im Bild veröffentlicht.
Die nette Dame, die mir meinen Platz gezeigt hatte, kommt vorbei und bringt mir die Aufstellungen in gedruckter Form. Ein toller Service. Dankeschön!
Die Aufstellungen sind da. Schalke mit Neuer, Sarpei, Höwedes, Raul, Edu, Schmitz, Papadopoulos, Farfan, Jurado, Uchida und Matip. (mw) Samstag, 9. April 2011 14:55
Wolfsburg versucht es mit Benaglio, Schäfer, Ja-Cheol Koo, Josue, Cicero, Hasebe, Madlung, Riether, Grafite, Diego und Kjaer (mw) Samstag, 9. April 2011 14:56
Mittlerweile läuft das übliche Vorprogramm. Auch die Mannschaften betreten den Rasen und machen sich warm.
Schalkes Team wird unter großem Applaus empfangen. Stadionsprecher Oberschulte-Beckmann: „Ich sach nur cinque – duo!“ (mw) Samstag, 9. April 2011 14:59
Auch das Team des VfL macht sich jetzt warm. Ralf Rangnick gibt fleißig Interviews, doch von Felix Magath ist noch nichts zu sehen. (mw) Samstag, 9. April 2011 15:02
Die erste Wertung hat Wolfsburg bereits gewonnen: Sie haben heute die kunterbunteren Schuhe. Rot, Grün, Gelb … ein ganzer Regenbogen! (mw) Samstag, 9. April 2011 15:05
Ich sitze jetzt nicht mehr ganz alleine in der ersten Reihe. Ein paar Meter neben mir haben zwei Journalisten – offensichtlich Print – ihre Arbeitsplätze eingenommen. Beide sind bewaffnet mit Plastik-Kugelschreibern, ausgefransten Notizblöcken und je einem Becher dampfenden Kaffee. Die beiden gehören hier sicherlich zum Stammpersonal und sind so herrlich gelassen, dass ich auch den allerletzten Rest an Nervosität ablege. Mir wird klar: Die Pressetribüne ist in erster Linie ein stinknormaler Arbeitsplatz.
Wo bleibt Magath? Auch eine Viertelstunde vor dem Anpfiff zeigt er sich nicht der Arena. Ist er überhaupt angereist? (mw) Samstag, 9. April 2011 15:14
Ich schaue mich noch einmal um, will meine Blocknachbarn etwas genauer unter die Lupe nehmen. Ich würde zu gerne wissen, wen Sky heute zum Spiel geschickt hat, möchte jetzt aber auch meinen Platz nicht verlassen, um auf die Suche nach einem Gesicht zu gehen, das ich im Zweifel ohnehin nicht kenne. Stimmproben kann ich ja wohl kaum nehmen.
Ich erspähe weitere Notebooks und emsig tippende, vornehmlich junge Journalisten. Auf dem Rasen wird derweil Manuel Neuer geehrt.
150 Bundesligaspiele von Manuel Neuer! Deutschlands Nummer 1 wird vor dem Spiel geehrt. Manu-Manu-Sprechchöre in der Nordkurve. (mw) Samstag, 9. April 2011 15:15
Neuer spielt heute sein 73. Bundesligaspiel in Folge. Bemerkenswert. (mw) Samstag, 9. April 2011 15:18
Die Mannschaftsaufstellungen werden verlesen. Ich kenne die Aufstellungen schon seit einer guten halben Stunde. Deshalb bin ich in erster Linie gespannt darauf, wie das Stadion auf die Nennung des Gäste-Trainers reagiert. Bitte, bitte liebe Mitschalker – blamiert uns jetzt nicht durch überbordende (Miss-)Gefallensbekundungen…
Die Aufstellungen werden verlesen. Bei Wolfsburg „vergisst“ die Stadionregie den Namen des Trainers einzublenden. Ergo keine Pfiffe. (mw) Samstag, 9. April 2011 15:20
Richtig so! Eine geniale Lösung.
Das Vereinslied ist abgesungen, die Spannung steigt, die Fans singen sich warm. Auch Wolfsburg präsentiert sich stimmgewaltig. (mw) Samstag, 9. April 2011 15:27
Während des Vereinsliedes nutze ich eine weitere Möglichkeit für ein Panorama-Foto und finde es noch gelungener als das erste. Als ich damit fertig bin, bemerke ich, dass mir ein User eine Direktnachricht hat zukommen lassen. Er macht sich über die Kombination von „Wolfsburg“ und „stimmgewaltig“ lustig. Es gehört wohl einfach dazu, den gegnerischen Fans jegliche Fankultur abzusprechen. Jedoch habe ich den Gästefanblock bei einem Spiel gegen Wolfsburg noch nie so voll gesehen.
Und jetzt ist er da! Magath stellt sich dem Blitzlichtgewitter. Pfiffe der Schalker Fans bleiben aus, der Applaus jedoch ebenso. (mw) Samstag, 9. April 2011 15:29
Das Spiel beginnt. Es sind kaum zwei Minuten gespielt, da zappelt der Ball im Netz.
Tooooorjubel auf Schalke – aber Farfan soll im Abseits gestanden haben. Es geht schon gut los. Das Stadion tobt. (mw) Samstag, 9. April 2011 15:32
Normalerweise würde ich jetzt ebenfalls toben und schimpfen, zumal das Tor ja auch direkt vor der Nase meines Stadion-Stammplatzes in Block K fiel und es eine altbekannte Tatsache ist, dass die dort eingesetzten Linienrichter grundsätzlich absichtlich falsch entscheiden, um mich zu ärgern. Hier oben auf der Pressetribüne bin ich jedoch der Einzige, der beim vermeintlichen Tor für Schalke überhaupt eine körperliche Reaktion gezeigt hat. Um mich herum herrscht professionelle, gelangweilte Gelassenheit ob des nicht gegebenen Treffers. Memo an mich selbst: Über Schalke berichtende Journalisten sind offensichtlich keine Schalke-Fans. Ist wahrscheinlich ganz gut so.
Farfan brennt heute! Wird zweimal gehalten und läuft dennoch weiter. Schiri Sippel macht sich indes „Freunde“ im eckigen Rund. (mw) Samstag, 9. April 2011 15:36
Immer wieder Farfan! Der Peruaner ist links wie rechts zu finden. Der hat noch eine Rechnung mit seinem alten Coach offen. (mw) Samstag, 9. April 2011 15:45
Das Spiel startet rasant. Doch schon bald verliert das Geschehen auf dem Feld den Elan. Nach einer Viertelstunde wird mir bewusst, dass ich ein schlechtes Bundesliga-Spiel sehe. Und ich entdecke den Marcel Reif in mir. Will heißen: Wenn man nicht mit einem Bierbecher in der Hand in der Kurve steht und sich warmhüpft, sondern auf der zugigen Pressetribüne hockt und ein lahmes Spiel kommentieren muss, dann sagt man irgendwann auch, dass das Spiel mies ist. Denn Nichts zu sagen, ist auch keine Alternative.
Schalke hat stark angefangen und stark nachgelassen. Nach einer Viertelstunde gleicht das Spiel einer Rasenschach-WM. Schade. (mw) Samstag, 9. April 2011 15:50
… wobei ich glaube, dass Rasenschach oftmals schneller und spektakulärer ist, als das, was die Teams mittlerweile bieten. (mw) Samstag, 9. April 2011 15:54
Ein Blick auf das Display meines Smartphones. Ich habe ein Netz! Jetzt schnell die Chance nutzen und ein Foto senden. Sonst glaubt mir am Ende keiner, dass ich wirklich aus dem Stadion twittere:
So schaut’s aus… http://twitgoo.com/2336us (mw) Samstag, 9. April 2011 15:56
Die kurze Euphorie durch den gelungenen Foto-Tweet wird schon bald wieder vom Spielverlauf hinweggefegt. Mittlerweile ärgere ich mich, dass ich keine dickere Jacke angezogen habe. Die Nordkurve wird von der Frühlingssonne beglückt, doch hier oben wird es von Minute zu Minute kühler. Nicht nur das schlägt auf’s Gemüt. Die Geräuschkulisse tut ihr übriges.
Der monotone Dauersingsang der Ultras wird durch einen sanften Aufschrei durchbrochen. Wolfsburg hat auf’s Tor geschossen. Drüber. (mw) Samstag, 9. April 2011 16:06
Da hat der Edu am Dienstag aber aufgepasst und will wie Stankovic von der Mittellinie aus treffen. Der Ball kullert über das Feld… (mw) Samstag, 9. April 2011 16:09
Ein Twitter-User mit einem BVB-Logo als Profilbild erwähnt meine Tweets und schreibt „Die Sprüche von @zeitonlinesport – genial!“ Jetzt ist es also soweit. Der kleine Marcel Reif in mir hat die Oberhand gewonnen und versetzt nun sogar die Konkurrenz aus Dortmund in Verzücken. Ich fühle mich schmutzig. Bin ich gerade dabei, meine geliebten Schalker zu verraten? Doch dann reißt mich plötzlich einsetzender Torjubel aus dem inneren Diskurs. Der Fußballgott meint es gut mir mir. Nimm‘ das, du Dortmunder:
Torjubel in der Arena! Aber nur weil Hamburgs 1:0 gegen den BVB am Videowürfel gezeigt wird. (mw) Samstag, 9. April 2011 16:15
Dann ist die erste Halbzeit auch schon vorbei.
Halbzeit. 0:0. So hatte ich mir meine Twitter-Reporter-Premiere nicht vorgestellt. Es ist – das muss man so sagen – ein mieses Spiel. (mw) Samstag, 9. April 2011 16:18
Fans singen auf dem Videowürfel: „Wer fährt am letzten Spieltag keinen Bentley sondern Fahrrad? Felix Magath, Felix Magath!“ (mw) Samstag, 9. April 2011 16:21
Privat hätte ich „Fans singen in der Fanbox“ getwittert. Doch wissen die Leser von „Zeit Online“, was es damit auf sich hat? Oder wundern die sich jetzt, dass auf Schalke Fans auf dem Videowürfel Schmählieder gegen den Ex-Trainer singen dürfen? Ich wechsele ein paar Worte mit einem Journalisten hinter mir und hole mir die Bestätigung, dass das Spiel in der ersten Halbzeit wirklich nicht gut war. Zwischenzeitlich hatte ich befürchtet, dass meine Wahrnehmung durch den ungewohnt guten Blick auf das Feld getrübt wird.
Zwei Fans sind heute zu Fuß von Metelen aus nach Schalke gelaufen. 92 Kilometer! Bislang wurden sie nicht belohnt. Kommt noch! (mw) Samstag, 9. April 2011 16:27
War das jetzt zu trivial? Egal! Ich fand’s bemerkenswert. Und ich soll als Twitter-Reporter ja auch das schreiben, was der gemeine TV-Zuschauer oder Radiohörer nicht mitbekommt.
Die zweite Halbzeit startet. Für Schmitz kommt Baumjohann. Das kann dem Spiel nur gut tun. (mw) Samstag, 9. April 2011 16:31
So – nennt mich Hellseher, Fußballguru oder einfach nur einen Wissenden. Aber dieser Tweet dürfte meine Reputation als intimer Fußballkenner auf Jahre hinweg sicherstellen! Womit sich dann allerdings auch meine Berufschancen als Sky-Experte deutlich verschlechtern. Vom „Doppelpass“ mal ganz zu schweigen.
Sowas muss doch nicht sein. Mieses Ding von Grafite – rempelt Manuel Neuer an und kassiert dafür Gelb. (mw) Samstag, 9. April 2011 16:36
Übersetzt heißt das: Dieser strunzige Grafittschi soll mal schön froh sein, dass ich heute nicht auf meinem Stammplatz stehe. Dem würden sonst jetzt noch die Ohren klingeln.
Schrecksekunde: Farfan, gefoult von Cicero, bleibt liegen und muss behandelt werden… (mw) Samstag, 9. April 2011 16:38
… und Raul trägt höchstselbst die Behandlungskoffer wieder vom Feld. Szenenapplaus. (mw) Samstag, 9. April 2011 16:40:19
So langsam aber sicher beginnen mir die Wolfsburger mit ihrer nickeligen Spielweise gehörig auf den Zeiger zu gehen. Der kleine Marcel Reif in mir muss den Schalke-Fan bändigen, der kurz davor ist etwas Unüberlegtes zu twittern.
Wolfsburgs Koo Ja-Cheol hat jetzt seinen Platz im Saisonrückblick sicher: die schlechteste Elfmeterschwalbe des Jahres. (mw) Samstag, 9. April 2011 16:41
Koo hat noch etwas Weiteres geschafft: Er sorgt für Emotionen auf der sonst so stillen Pressetribüne. Die versammelte Journalistenschar lacht im Moment der Schwalbe kurz aber herzlich auf.
Jetzt geht’s hier doch mal rund! Dreifachchance für Schalke und Baumjohanns Schuss landet an der Latte. Die Arena wacht wieder auf. (mw) Samstag, 9. April 2011 16:50
Was sich durch die Hereinnahme von Baumjohann andeutete, wird endlich wahr. Das Spiel wird besser, Schalker agiert zwingender. Ich schicke den kleinen Marcel Reif für heute auf’s Altenteil.
Ich habe nicht mitgezählt, aber hat Grafite jetzt seine Zehnerkarte für Abseits schon komplett abgeknipst? Vermute mal schon. (mw) Samstag, 9. April 2011 16:52
Schalke versucht zu zaubern, Wolfsburg spielt gradliniger. Was erfolgreicher ist, werden die nächsten 20 Minuten zeigen. (mw) Samstag, 9. April 2011 16:58
Da ist das Ding! Tor auf Schalke! Farfan legt auf Jurado, der zieht aus spitzem Winkel ab (13 Meter). 1:0 für S04 in der 76. Minute. (mw) Samstag, 9. April 2011 17:04
Ich möchte jetzt aufspringen und laut jubeln, doch die professionelle Distanz der um mich herum versammelten Journalisten, die das erlösende Tor stoisch zur Kenntnis nehmen, hält mich zurück. Innerlich freue ich mich jedoch wie Bolle.
Und endlich kommt echte Spieltags-Stimmung auf. Die Fans wollen Schalke zum schnellen 2:0 peitschen. (mw) Samstag, 9. April 2011 17:06
Kurzer Blick auf die Blitztabelle: Schalke jetzt beruhigende 11 Punkte vor Wolfsburg. (mw) Samstag, 9. April 2011 17:10
Als ZDF-Journalistin würde ich jetzt wahrscheinlich inneren Reichspartei….ähhhh feiern. Nach dem 1:0 tut sich Schalke leichter. Das Publikum ist wieder voll da und honoriert den Einsatz der Spieler. Endlich kann ich auch mal etwas von der Stimmung in der Arena vermitteln. Die letzten Minuten vergehen wie im Flug.
Das lang gezogene Rauuuul hat längst auf Schalke eine neue Heimat gefunden. Szenenapplaus für ein gelungenes Dribbling. (mw) Samstag, 9. April 2011 17:12
Der Wolfsburg-Block singt „Ihr werdet nie Deutscher Meister“. Das Stadion antwortet mit „Absteiger, Absteiger!“ (mw) Samstag, 9. April 2011 17:14
Schau an – Annan. Schalkes Winterneuzugang kommt zu seinen ersten Spielminuten unter Rangnick. (mw) Samstag, 9. April 2011 17:16
Sonderapplaus für Dauerläufer Farfan. Er geht in der Nachspielzeit vom Feld und wird durch Draxler ersetzt. (mw) Samstag, 9. April 2011 17:19
Das war’s. Schalke gewinnt mit 1:0 gegen Wolfsburg. Nach einem lange Zeit schwachen Spiel war es am Ende sogar verdient. (mw) Samstag, 9. April 2011 17:21
Jetzt wird es kniffelig. Natürlich möchte ich auch aus der Mixed-Zone heraus twittern, doch dafür muss ich den sicheren Netzanschluss des Netbooks mit seinem D-Netz-Surfstick verlassen. Ich hoffe darauf, dass sich mit dem leerenden Stadion auch die Chancen im E-Netz wieder verbessern. Ich frage mich bis in die Mixed-Zone durch und stehe plötzlich da, wo die Spieler zum Greifen nahe sind. Ein erster Test-Tweet soll klären, ob mein Smartphone wieder eine Chance hat. Nach ein paar Versuchen leuchtet „Tweets aktualisiert“ auf und ich atme auf.
Benni Höwedes feiert mit Mikro in der Kurve. Jetzt bloß nichts Böses sagen, sonst kostet es Geld. (mw) Samstag, 9. April 2011 17:32
Jetzt da klar ist, dass ich auch endlich wieder Fotos senden kann, nutze ich die Chance und will die Welt an meinem kleinen Glück teilhaben lassen.
Baumjohann ist in der Mixed-Zone ein gefragter Mann. Verständlich heute. http://t.co/fyU52PH Samstag, 9. April 2011 17:40
Felix Magath betritt die Mixed-Zone und ein paar Sekundenbruchteile ist er sogar zu sehen. Doch schon bald hat ihn eine Journalistentraube fest umzingelt. Ich mache aus der Not eine Tugend.
Auf diesem Bild hat der Künstler einen Magath versteckt… http://t.co/hhqSKBE (mw) Samstag, 9. April 2011 17:46
Mit Ausnahme dieses kurzen Moments, in dem Magaths Erscheinen für Hektik sorgte, ist die Atmosphäre in der Mixed-Zone viel weniger wuselig, als ich es erwartet hatte. Ich halte mich bewusst im Hintergrund, möchte nicht denen im Wege stehen, deren Broterwerb und Pflicht es ist, Töne und Bilder einzufangen. Ich bin natürlich ein Fremdkörper in dieser Szenerie. Aber ich sperre die Augen und Ohren auf, wenn um mich herum Interviews geführt werden. Wolfsburgs Sascha Riether gibt einem Zeitungsmenschen neben mir bereitwillig Auskunft und redet – wie ich finde – ziemlichen Quatsch. Die Tatsache, dass der Zeitungsjournalist Riether zwischen den Sätzen fortwährend Recht gibt, lässt mich vermuten, dass es sich um einen Mitarbeiter einer Wolfsburger Zeitung handelt.
Riether hadert im Interview mit dem Glück. ‚Wir haben richtig gut gestanden und Schalke hat nicht viel gezeigt.‘ (mw) Samstag, 9. April 2011 17:54
Als wäre es eine Selbstverständlichkeit (die es ja auch ist – nur eben nicht für mich) läuft Klaas-Jan Huntelaar mitten durch die Mixed-Zone. Ein spanischer Kameramann spricht ihn an: „Klaas, you play wednesday?“ Huntelaar lacht, zeigt auf sein Knie und schüttelt mit dem Kopf. Der Kameramann hakt radebrechend nach: „But when you play?“ Huntelaar zeigt zwei Finger und antwortet: „Two weeks!“ Dann dreht er sich um und hüpft flinken Fußes die Treppe hinauf. Ich wurde gerade Zeuge eines Exklusiv-Interviews. Cool! Ich will diese Info gerade twittern, da rennt mich eine fernöstliche TV-Delegation fast über den Haufen:
Und Atsuto Uchida hat gleich eine eigene Reportergruppe ganz für sich allein. http://t.co/HQEwn0O (mw) Samstag, 9. April 2011 17:56
Der Anteil von akkreditierten Journalisten aus Japan und China ist erstaunlich hoch in der Mixed-Zone. Sowohl Uchida als auch Hao können sich über mangelnde Aufmerksamkeit nicht beklagen.
Ein spanisches TV-Team hat es indes hauptsächlich auf Jurado abgesehen. Raúl bleibt der Mixed-Zone fern, was ich mindestens genauso bedauere, wie die spanischen Journalisten.
Um den Tag abzurunden, will ich mich auf den Weg in die Pressekonferenz machen, merke jedoch, dass diese schon begonnen hat. Um keine Zeit mehr durch die Suche nach dem PK-Raum zu verlieren, entschließe ich mich dazu, die Ausführungen der Trainer auf einem Monitor zu verfolgen.
Magath: ‚Müssen die Situation begreifen – wir stehen im Abstiegskampf. Konnte die Atmosphäre heute leider nicht genießen.‘ (mw) Samstag, 9. April 2011 18:01
Rangnick: ‚Mit dem Sieg sind wir in der Liga alle Sorgen los und haben nun die Chance, große Ziele zu erreichen.‘ (mw) Samstag, 9. April 2011 18:03
Mir fällt ein, dass ich vor ein paar Minuten bei einem Interview von Clemens Tönnies mitgelauscht und eine wichtige Aussage aufgeschnappt habe. Ich glaube, ich twittere es jetzt einfach mal zwischen den Trainerstatements. Wird schon keinem auffallen, dass es nicht wirklich „live“ ist.
Tönnies: ‚Farfan sendet den Impuls zu einer Vertragsverlängerung.‘ Das wird wohl alle Schalker Fans freuen. (mw) Samstag, 9. April 2011 18:06
Rangnick: ‚Es sind nur noch 6 Punkte bis Platz 5. Ich gehe davon aus, dass die Spieler die Tabelle lesen können.‘ (mw) Samstag, 9. April 2011 18:11
Und während ich diese Zeilen, die die Pressekonferenz fast schon beschließen, in die Mini-Tastatur meines Smartphones hacke, fällt mein Blick auf den Türbogen mit der Aufschrift „Medienzentrum“. Habe ich jetzt tatsächlich die Pressekonferenz via Monitor verfolgt, obwohl diese keine fünf Meter neben mir live stattfand? Tatsächlich! Aaaaaargh! Ich Depp! Das stellt ja sogar Koos dummdreiste Schwalbe in den Schatten…
Während ich mich noch über mich selbst ärgere, schaue ich auf die Uhr. Es ist mittlerweile Viertel nach Sechs. Mit der Zeit-Redaktion war abgesprochen, dass ich bis etwa eine Stunde nach dem Spiel Tweets absetze. Da nun auch die Pressekonferenz beendet ist und die Journalisten in Scharen die Bühne verlassen, wird es Zeit, sich zu verabschieden.
S04 befreit sich, Wolfsburg steckt fest. Mit dieser Feststellung verabschiedet sich Twitter-Reporter @schalkefan_de Hat Spaß gemacht. Samstag, 9. April 2011 18:15
Ich verweile noch ein paar Minuten im Vorraum des Medienzentrums, noch immer darauf bedacht, bloß niemandem im Weg zu stehen. Spieler kommen nach und nach in den Raum und besteigen einen Fahrstuhl, der sie direkt in den „Blauen Salon“ bringt: Draxler, Höwedes, Baumjohann, Matip, Uchida, Hao, Schober, Edu – sie alle kommen vorbei, schütteln Hände, verteilen Autogrammkarten und besteigen feixend den Aufzug. Vor dem Fahrstuhl wartet ein kleiner Junge im Rollstuhl. Ausnahmslos alle Spieler bleiben stehen, wechseln ein paar Worte mit ihm, unterschreiben auf den Scheibenfelgen des Rollis und nehmen sich Zeit für ein Erinnerungsfoto. Dat is‘ mein Schalke! Und dann passiert das, was ich längst nicht mehr zu hoffen gewagt hatte: Raúl Gonzáles Blanco steht plötzlich neben mir!
Raúl Lächeln erfüllt den Raum. Er schüttelt Hände, verteilt Autogrammkarten, unterschreibt auf T-Shirts und Trikots und ist dabei so unglaublich gelassen und unkompliziert, dass ich begreife, was gemeint ist, wenn von der besonderen Aura dieses Superstars unter den Weltstars gesprochen wird. Ich stehe keine 100 Zentimeter neben ihm und muss aufpassen, dass ich ihn nicht mit offenem Mund angaffe wie ein kleines Kind den Kaufhaus-Weihnachtsmann. Es ist mir höchstwahrscheinlich gelungen. Und falls nicht? Dann ist es auch egal!
Als Raúl den Aufzug besteigt, verabschiede auch ich mich. Der Stadionvorplatz ist bis auf ein paar bierselige Grüppchen an den Getränkeständen im Fan-Park bereits nahezu menschenleer. Schon verrückt, wie schnell sich über 60.000 Menschen in Luft auflösen können. Ich stelle fest, dass der Tag doch mehr geschlaucht hat, als ich es wahrgenommen hatte. Knapp vier Stunden höchste Konzentration, technischer Stress, die ungewohnte Umgebung und natürlich die vielen, vielen Eindrücke, die auf mich einprasselten, müssen erst einmal verdaut werden.
Am Gelsenkirchener Hauptbahnhof drückt mir ein Stadionbekannter, den ich immer nur bei internationalen Spielen sehe, eine Dose Billigbier in die Hand und verabschiedet sich hektisch. Ich setze mich vor dem Haupteingang in die Abendsonne. Und wie ich da so sitze und mir das lauwarme „5,0“-Pils munden lasse, denke ich daran, dass ich einen außergewöhnlichen Tag hatte. Keine halbe Stunde liegt zwischen Raúl auf Armlänge und Dosenbier am Hauptbahnhof. Absolut unwirklich. Aber auch absolut geil!
Abgelegt unter Schalke
20 Kommentare zu “Mein Tag als Twitter-Reporter”
super beitrag !
…auf dem Panorama-Foto fehlt da Bier! (Sonst ist alles klasse!)
Wow! Klasse geschrieben.
Bin normalerweise eher gegen Personenkult, aber nach dem Lesen des Beitrags hätte ich auch nichts gegen ein Foto mit Rauuuuul.
Ein Bericht der Extraklasse…streckenweise so stark wie Bukowski (kennt den noch jemand?), nur nicht so „schmutzig“!
Interessant, dass auch Profis mein schnelles Gefühl teilen, dass es ein Scheissspiel war!
Weiter so, Matthias!
Nach gelungener „Pflicht“ jetzt auch noch eine hervorragende Kür. Vielen Dank fürs teilhaben lassen, hat Spaß gemacht!
Wirklich interessant. Vor allem die Berichte aus der mixed-zone. Mich würde ja mal interessieren, ob die Verpflichtungen von Hao und Uchida einen faktischen, monetären Wert besitzen, Stichwort: Asien-Markt.
Klasse, sehr interessant aus diesem Blickwinkel das Spiel mitzubekommen und auch die Infos aus der Mixed Zone, die
man ja nie mitbekommt.
@Achim
Das Schlimmste kommt noch oder fast eine Jugend und das Liebesleben der Hyäne sind Pflicht!
Schön geschrieben. Du wurdest nicht umsonst ausgewählt 🙂
Super Beitrag! Da hat die Zeit-Redaktion offensichtlich den richtigen Mann erwischt 🙂
Danke Matthias,
jetzt war ich auch dabei !
Ich gratuliere Dir zu diesem außergewöhnlichen Tag und diesem tollen Bericht.
…klasse Story…hat Spaß gemacht !!! :-)))
Großer Sport! BWG
Nach dem Spiel freue ich mioch schon auf Deinen Bericht.
Nach dem Bericht ist vor dem Bericht 😉
Dein Bericht ist ganz große Klasse! Unbedingt wiederholen 🙂
Hi Matthias, hast fein gemacht. Lese ja sonst nicht soviel bis zum Ende 🙂
Klasse Artikel. Da könnte man ja fast Schalke-Fan werden..
Zu deiner Reportage habe ich dich ja schon beglückwünscht, für deinen eindrucksvollen Bericht, schiebe ich einen herzlichen Dank hinterher.
Die drei Schlusssätze solltest du dir rahmen.
Meine würden nämlich heißen: Keine Autostunde liegt zwischen Mülheim und Münster, wo einer lebt, der mir schon mal ne Antwortmail geschickt hat. Der hat mal ne S04 Live-Reportage getwittert und war mit Raul in einem Raum. Irgendwie geil, aber auch ganz weit weg!
Übrigens müssen Journalisten nicht unbedingt Zurückhaltung üben, wenn der Club des Herzens einen Treffer erzielt ..
http://is.gd/X0Q1cN
Schöner Bericht und tolle Fotos. Die Fanclubfahnen hängen weder in der Nord- noch in der Südkurve… Sieht komisch aus. Und Asiaten laufen da oft ohne Karte rum, die sollten schon hinein ins Stadion 😮