Smells like team spirit
Am Ende war ich ein wenig sauer. Aber nur auf das Publikum und dessen unterschwellige Reaktion auf Aktionen von Joel Matip. Vier, fünf Mal unterliefen ihm in der zweiten Halbzeit dumme Pässe. Dann, wenn er den Ball einfach hätte weit herausschlagen müssen, suchte er den Mitspieler und scheiterte. Die Zuspiele landeten im Aus oder beim Gegner. Ja klar, ärgerlich. Allerdings kein Grund, sich über den jungen Schlacks zu echauffieren, insbesondere nicht, wenn man gesehen hat, wie er mit seinen Gazellenhaft langen Gräten zuvor das zentrale Inter-Mittelfeld manchmal im Alleingang aus dem Konzept gebracht hatte. Das war allerdings wirklich der einzige Makel, der gestern bei mir die gute Laune trübte. Denn nach der 5:2-Gala von San Siro hielt der Abend das, was er versprochen hatte. Schalke zog mit einem 2:1 gegen den Titelverteidiger locker und zu keiner Zeit ernsthaft gefährdet in das Halbfinale der Champions-League 2010/2011 ein. Mit einer konzentrierten Team-Leistung im Schongang unter die nominell besten vier Mannschaften Europas – Wahnsinn!
Natürlich war es nicht die rauschende Ballnacht wie noch vor einer Woche. Dafür waren die Voraussetzungen auch ganz andere. In San Siro erwischte Schalke einen pomadigen Favoriten eiskalt auf dem falschen Fuß und kochte ihn mit einem unerwartet schnellen Spiel ab. Gestern auf Schalke war Inter gewarnt und wollte die individuelle Klasse in die Waagschale werfen. Das gelang so lange, wie der Ball noch weit genug von Manuel Neuers Tor entfernt war. Näherte sich jedoch einer der Inter-Stars dem Strafraum, machte das Schalker Kollektiv blitzschnell die Räume zu, schickte Matip als Spielverderber zwei Schritte nach vorn und zog so Mailand den Zahn.
Keine einzige echte Chance erspielte sich Inter im ersten Durchgang. Der zwischenzeitliche Ausgleich zum Start der zweiten Halbzeit war ein Zufallsprodukt aus einem Eckball. Das war es dann auch schon mit der italienischen Herrlichkeit, die Schalke zuließ. Und im Gegenzug nutzte man eiskalt wie eine Polarbärenschnauze die eigenen Möglichkeiten: erst durch Raúl kurz vor der Pause, dann durch Höwedes kurz vor dem Ende. Das 2:1 kann – isoliert betrachtet – als ein glückliches Spielergebnis gewertet werden. Wer jedoch einen Europapokalgegner in zwei Spielen mit 7:3 Toren und 6:0 Punkten schlägt, entzieht sich jeglicher Kritik.
Auf Schalke scheint aus einem zusammengewürfelten Kollektiv von sehr jungen und sehr alten Spielern eine Mannschaft zu entstehen, die bereit ist, Form zu zeigen. Rudi Assauer sagte vor 14 Jahren den legendären Satz „Form schlägt Klasse.“ Mein Fazit nach dieser grandiosen Champions-League-Runde lautet: Smells like team spirit.
Im Halbfinale der diesjährigen Champions-League stehen die drei besten Mannschaften Europas. Und Manchester United. Wer gestern gesehen hat, wie mühelos der „alte Hans“ die Flankenversuche eines Maicon vereitelt hat und wie hilflos Eto’o im dichten Geflecht der straff organisierten Schalker Hintermannschaft agierte, wird mir recht geben, dass uns vor der nächsten Aufgabe nicht Angst und Bange werden muss. Respekt? Ja! Aber am Ende wird die bessere Mannschaft gewinnen.
So wie in der zurückliegenden Runde.
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