Kick Around the Clock: Die Anstoßzeiten in Europa
Im 11Freunde Saison-Sonderheft befasst sich die Redaktion im Artikel „Big in Bahrain“ mit der Frage, welche finanziellen Chancen die Bundesliga im Ausland hat. Demnach erlöst die DFL durch die weltweite Vermarktung der Liga – die in fast 200 Ländern der Welt mit Live-Spielen auf den Bildschirmen präsent ist – eine Summe von rund 50 Millionen Euro jährlich, hofft aber in Zukunft auf Zuwachsraten im zweistelligen Prozentbereich. Vor der Bundesliga rangieren laut 11Freunde die italienische Seria A (ca. 90 Millionen Euro pro Jahr) und natürlich die englische Premier-League mit sagenhaften 530 Millionen Euro! Die Zahlen zur spanischen Liga nennt der Bericht nicht, jedoch wird auf Wikipedia – in einer etwas betagteren Passage (Stand 2007/08) – die Summe von 150 Millionen Euro in den Raum gestellt. Wer eine aktuellere Zahl findet, postet sie bitte in den Kommentaren.
Wenn ich DFL-Statements wie „Die Bundesliga ist ein hochattraktives Produkt!“ höre, zucke ich unweigerlich zusammen. Wie es aussieht, wenn eine Liga als „Produkt“ behandelt wird, lässt sich in Spanien beobachten. In ihrer Finanznot haben sich die Fußballoberen auf der Iberischen Halbinsel dazu entschieden, den Spieltag komplett zu sezieren. Ziel ist es, durch bis zu neun unterschiedliche Anstoßzeiten die PayTV-Einnahmen zu optimieren und auch die Vermarktungschancen in den ausländischen Märkten zu steigern.
Die Frage, wann in den (relevanten) europäischen Ligen die Spiele stattfinden, ist für die Bundesliga im Kampf um weltweite Marktanteile von Bedeutung. Denn tritt die Bundesliga in direkte zeitliche Konkurrenz mit Spanien, England und Italien, besteht die Gefahr, zwischen diesen Giganten zermalmt zu werden – zumindest was das Auslandsinteresse angeht. Auf der anderen Seite kann und muss sich die Bundesliga natürlich nicht ausschließlich auf „Exoten-Anstoßzeiten“ zurückziehen, um den „Big 3 der Auslandsvermarktung“ aus dem Weg zu gehen. Soviel Selbstbewusstsein sollte der deutsche Fußball sich schon leisten.
Ich habe die Anstoßzeiten der (relevanten) Ligen in Europa miteinander verglichen. Natürlich liegt das Hauptaugenmerk dabei auf England, Italien und auf Spanien. Ich habe aber auch weitere Ligen in die Betrachtung mit einbezogen, unter anderem die französische „Ligue1“, die via Eurosport mit einem FreeTV-Livespiel pro Woche einen Fuß in den deutschen TV-Markt gesetzt hat. Die Niederlande, Schweiz und Österreich habe ich dazugenommen, weil in diesen Ländern traditionell viele Bundesliga-Fans wohnen, die vor allem dann als „Markt“ infrage kommen, wenn die heimische Liga nicht zeitgleich spielt. Auch darf man die türkische SüperLig nicht vergessen, die in Deutschland via LigTV um PayTV-Zuschauer buhlt.
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Das ist der Fußball-Samstag in Europa:
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Der Samstag ist der Kernspieltag der Bundesliga. Fünf zeitgleiche Spiele kann die DFL um 15:30 Uhr auf dem weltweiten Markt anbieten – das ist ein Brett! Zeitgleich mit der Bundesliga spielt „lediglich“ die Premier-League, damit aber immerhin der größte Hecht im weltweiten Teich. Die „Seria A“ und die „Primera Division“ finden samstags um 15:30 Uhr nicht statt. Ebenso ruhen die höchsten Spielklassen in Österreich, in der Schweiz und in den Niederlanden. Die Fans in den drei letztgenannten Ländern können die Bundesliga somit ungestört verfolgen. Die gute Nachricht für die Auslandsvermarktung lautet demnach: Samstags ist die Bundesliga um 15:30 Uhr nahezu konkurrenzlos. Der Blick auf den Samstag zeigt jedoch noch etwas anderes: Aus Sicht der Vermarktung im Ausland ist das 18:30-Uhr-Spiel unsinnig, da es in der internationalen Top-Konkurrenz untergeht. Eine zeitlich konkurrenzlose Situation bestünde für ein samstägliches Bundesligaspiel um 12:00 Uhr – ein Thema das im deutschen Fußball, ähnlich wie die Autobahnmaut in der Politik, regelmäßig durch den Raum geistert. Ein 12-Uhr-Spiel würde in China, Japan, Korea und Australasien zur besten Sendezeit über die Bildschirme flimmern. Nicht ausgeschlossen, dass wir uns früher oder später mit der fiesen Anstoßzeit auseinandersetzen müssen.
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Und so sieht der europäische Fußball-Sonntag aus:
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Blickt man auf den Sonntag, fällt sofort auf, dass er der Hauptspieltag in Europa ist. Allein in Spanien rollt von 12.00 Uhr mittags bis 23.45 Uhr der Ball. Da auch die „Premier League“ von 14.00 Uhr bis 18.45 Uhr spielt und selbst die „Seria A“ mit ihrem 15-Uhr-Match reingrätscht, müssen sich die beiden Sonntagsspiele der Bundesliga mit einer exrem großen Konkurrenz messen. Natürlich laufen die beiden Sonntagsspiele ebenso wie der samstägliche 18:30-Uhr-Kick dennoch in vielen Ländern der Welt live im TV – jedoch sicherlich nicht immer auf den Top-Sendern, sondern eher auf kleinen, finanziell nicht so potenten Spartenkanälen. Nicht zuletzt aufgrund der Inlandsvermarktung wäre es jedoch Nonsens zu behaupten, die Bundesliga könne auf die Sonntagsspiele verzichten.
Nicht aufgeführt habe ich den Freitag. Zwar gibt es einige Ligen, die am Freitag spielen, jedoch lohnt hier kaum der differenzierte Blick. Wichtig aus Sicht der Bundesliga ist, dass aus Spanien und England keine (oder nur sehr selten) Konkurrenz droht. Ist das Freitagsspiel der Bundesliga somit neben dem samstäglichen 15.30-Uhr-Anstoß das Filetstück der Bundesliga-Auslandsvermarktung? Für den Nahen Osten und für den afrikanischen Kontinent gilt das bestimmt. China, Japan, Korea und Australasien liegt um 20.30 Uhr deutscher Ortszeit jedoch im Bett. Nicht aufgeführt habe ich zudem die portugiesische Liga, da die Anstoßzeiten dort derart inkonstant sind, dass es den Anschein hat, als würden die Ansetzungen und Anstoßzeiten je nach Bedarf ausgewürfelt.
Die in den Grafiken dargestellten Spielzeiten dürfen übrigens nicht als Dogma missverstanden werden. Besondere Spiele werden in vielen Ligen ab und an auch zu anderen Zeiten angestoßen. Ich habe versucht, mich auf die Regel zu konzentrieren. Ausnahmen können vorkommen.
Soweit meine Gedanken zur Auslandsvermarktung der Bundesliga. Gedanken – mehr nicht. Ich weiß, dass sich die Auslandsvermarktung nicht ausschließlich über die Anstoßzeiten definiert. Aber sie spielen schon eine gewichtige Rolle. Kritische Anmerkungen oder Ergänzungen sind ausdrücklich erwünscht.
Abschließend noch eine Bitte an die vielen Leser, die täglich aus aller Welt auf schalkefan.de zugreifen: Mich interessiert brennend, ob und wie ihr die Bundesliga im TV verfolgen könnt. Wer Lust auf ein kleines Zwiegespräch per Mail hat, meldet sich unter matthias@schalkefan.de.
Diesen Artikel wollte ich ursprünglich schon vor drei Wochen veröffentlichen. Doch dann grätschte mir zunächst der Rücktritt von Ralf Rangnick dazwischen und eine Woche später die Vorstellung des neuen Trainers Huub Stevens. In der vergangenen Woche war es schließlich der Feiertag, der den geplanten Ablauf der Veröffentlichungen durcheinanderbrachte. Zwischen der ersten Planung und der heutigen Veröffentlichung rutschte das EuGH-Urteil zum Empfang von ausländischem Pay-TV. Dieses Urteil wird weiteren Einfluss auf die Auslandsvermarktung der Bundesliga haben, wenngleich ich die Auswirkungen als nicht derart dramatisch erachte, wie sie in den Medien in der ersten Aufregung dargestellt wurden. Dies nur als Erklärung, warum das heiß diskutierte Urteil im eigentlichen Text unerwähnt bleibt. |
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7 Kommentare zu “Kick Around the Clock: Die Anstoßzeiten in Europa”
Also sowohl Barca als auch Real alleine haben je 140 Mio € für 2010/11 kassiert, die anderen Klubs kassieren aber ungleich weniger. Quelle: http://www.goal.com/de/news/839/primera-division/2011/09/16/2668885/real-madrid-rekordeinnahmen-in-h%C3%B6he-von-480-millionen-euro Mehr fand ich auf die Schnelle nicht
Der zitierte Text von goal.com sagt:
Wenn ich das richtig verstehe, ist damit allerdings der Erlös durch die TV-Vermarktung im In- und Ausland gemeint. Kann es sein, dass sich die Primera Division im Ausland gar nicht zentral vermarktet?
Das kann ich mir allerdings kaum vorstellen, da dann zum Beispiel ein Internet-Sender wie http://www.laola1.tv (der ganz offiziell sehr viel spanischen Live-Fußball zeigt) ja mit jedem Verein einen Vertrag abschließen müsste. Im Inland kann das mit der dezentralen Vermarktung ja noch funktionieren. Aber was das Auslandsgeschäft angeht, kann ich nicht glauben, dass der FC Barcelona oder Real Madrid ihre Handelsvertreter quer durch Mikro- und Melanesien reisen lassen, um Rechtepakete zu verhökern.
Allerdings kann ich mir vieles nicht vorstellen, was dann trotzdem wahr ist 😉
Das mit 150 Mio. für Spanien scheint wohl zu stimmen. Wo hast du den Wert für die englische Liga her? Ich habe mehrere Artikel gefunden in denen immer nur von 300 Mio. gesprochen wird.
Hier ein Artikel aus der Welt von vor einem halben Jahr
http://www.welt.de/sport/fussball/article13164147/Die-Fussball-Bundesliga-hat-2-25-Milliarden-Fans.html
Aus dem verlinkten Artikel im 11Freunde-Sonderheft. Dort heißt es:
Woher wiederum die 11Freunde diese Summe haben, und ob sie mehr der Wahrheit entspricht als die von dir gefundenen 300 Millionen, weiß ich natürlich nicht.
Interessiert mich jetzt. Habe gerade an den spanischen Fußballverband geschrieben, ich hoffe die können Englisch… ich sag Bescheid, wenn ich klüger bin!
Die spanische Auslandsvermarktung erfolgt meines Wissens tatsächlich zentral und ist ein gutes Beispiel dafür, wie europäische Grenzen und Beschränktheiten eine „verbraucherunfreundliche“ Dimension erhalten können.
In der Saison, als es Arena gab, zeigte Arena ziemlich viele Spiele und auch die Copa del Rey. Im Jahr drauf, als Arena Premiere sublizensierte, wurden deutlich weniger Spiele gezeigt, mit der zusätzlichen Gemeinheit, dass häufig einer der (ich glaube es waren drei an der Zahl) Sendetermine mit einem Relive-Spiel, das schon am Vortag gelaufen war, besetzt wurde.
Dann hat irgendwann DSF die Rechte gekauft, weil DSF aber via Satellit auch in Spanien zu empfangen war, gab es nix mehr live.
Der Höhepunkt am Ende war, als der Sportwettenanbieter bwin die Rechte hielt und das Ganze in Deutschland legal nur für Wettkunden zu sehen war – auf dem Höhepunkt des Kampfes der deutschen Landesregierungen gegen private Wettanbieter ein Witz. Ich habe damals recherchiert, ob die Möglichkeit, über eine spanische Pay-TV Karte zu schauen besteht. Was ich in den einschlägigen Foren gefunden habe, hat mich damals schon zu einer Anhängerin von Ms Murphy und ihrer EuGH-Klage werden lassen: Man braucht einen in Spanien lebenden Strommann und man verstößt unweigerlich gegen die AGBs.
Ich fühle mich ein bisschen an die Diskussion um Napster erinnert: Marktbeherrschende Unternehmen sorgen dafür, dass hierzulande kein Angebot besteht, und treiben interessierte Zuschauer in krude chinesische Livestreams.
Mahlzeit!
Mal ne blöde Frage. Warum produziert die BuLi nicht
selbständig und kassiert dann die ganze Kohle und
verteilt diese dann auch entsprechend?
Ich könnte mich dann mit einem Fußballabo mehr
anfreuen als bei Sky. Der Sender fungiert quasi als
Zwischenhändler.. und die braucht kein Mensch.
In diesem Sinne
Glückauf