Schalkes Auswärtssieg in Hamburg
Es gibt Siege, deren Bedeutung erst nach dem Abpfiff deutlich wird. Der gestrige Schalker „Dreier“ in Hamburg war zweifelsohne so ein Sieg. Im letzten Bundesligaspiel des achten Spieltages – gleichzeitig dem letzten Kick vor der zweiwöchigen Länderspiel-Pause – schaffte Schalke es, sich ganz fett in der Spitzengruppe einzunisten. Nach dem Remis der Bayern in Hoffenheim und den Niederlagen von Bremen und Mönchengladbach hat S04 sogar wieder Tuchfühlung zur Tabellenspitze aufgenommen. Wer nach fast einem Viertel der Saison dem Sowieso-schon-Meister immer noch erstaunlich dicht im Nacken sitzt, darf durchaus zufrieden auf das blicken, was man bislang geleistet hat. Zufriedenheit ist angebracht. Selbstzufriedenheit jedoch nicht. Das zeigten auch die 90 Minuten in Hamburg, in denen sich Schalke zwar letztlich verdient mit 2:1 durchsetzte, aber gleichzeitig durchblicken ließ, dass man eben nicht das coole Spitzenteam ist, das im Vorbeigehen die Erfolge mitnimmt. Hamburg – das war für Schalke ganz viel Arbeit, viel zu viel Schatten aber auch einige lichte Momente genau dann, wenn man sie brauchte.
Beide Teams benötigten ihre Zeit, um ins Spiel zu finden. Die ersten Minuten waren geprägt von der geordneten Defensive – sicherlich nicht die schlechteste Idee bei zwei Mannschaften, die bereits 18 Mal (Hamburg) bzw. zwölf Mal dem Gegner beim Torjubel zusehen mussten. Dann waren es die Schalker, die nach zehn Minuten das Tempo erhöhten und konzentrierter nach vorne spielten. Direkt der erste vielversprechende Angriff über Jurado, Farfán und Höger sorgte für die Schalker Führung. Der für den verletzten Uchida wieder ins Team gerückte Höger kam auf der rechten Außenbahn frei zum Flanken, zwirbelte einen sensationell platzierten Ball in den Strafraum, Huntelaar steigt völlig frei zum Kopfball hoch und verwertet die Vorlage zum 0:1.
Danach hätte es für Schalke leichter laufen können, doch auch wenn man in der Folgezeit das Heft des Handelns in der Hand hatte, leistete man sich immer wieder kleine Ungenauigkeiten und größere Fehler, die die verunsicherten Hamburger wieder ins Spiel brachten. Nur kurz nach dem 0:1 pennt das Schalker Mittelfeld und Ralf Fährmann muss in einer 1:1-Situation gegen Guerrero Kopf und Kragen riskieren. Nach einer guten halben Stunde vertendelt Höwedes den Ball an der Mittellinie und eröffnet so den Hamburger Konter über Lam, den Petric zum 1:1 abschließt. Keeper Ralf Fährmann sah bei diesem Gegentreffer nicht wirklich glücklich aus, jedoch weiß ich nicht, ob man einen hart und aus vollem Lauf geschossenen Ball aus zehn Metern wirklich als „absolut haltbar“ klassifizieren kann. Ich tendiere eher zu Nein.
Nach dem Ausgleich war es um Schalkes Schwung geschehen. Die Schlussphase der ersten und die Anfangsphase der zweiten Halbzeit dominierten ausschließlich die Gastgeber und – ja – sie profitierten dabei auch von ein paar Unsicherheiten, die sich Fährmann in dieser Phase leistete. Schalke drohte das Spiel wegzuwerfen, ebenso wie man bereits in Wolfsburg ein Spiel ohne Not abgeschenkt hatte. Huub Stevens erkannte dies und reagierte. Für Lewis Holtby, der als Doppel-Sechs neben Papadopoulos zu sehr mit Abwehraufgaben beschäftig war (und diese auch nur leidlich erfüllte), als dass er offensiv hätte Akzente setzen können, brachte er nach gut 50 Minuten Jermaine Jones und sorgte so für deutlich mehr Stabilität im Mittelfeld. Die Maßnahme fruchtete. Langsam aber sicher gewann Schalke die Kontrolle über das Geschehen zurück und zwang den Hamburger SV dazu, die wilden Offensivbemühungen, die die erste Viertelstunde nach dem Wiederanpfiff kennzeichneten, zu reduzieren.
Aus der nun wieder gefestigteren Defensive spielte S04 zielstrebiger nach vorne und erarbeitete sich den neuerlichen Führungstreffer durch Huntelaar, der eine Flanke von Christian Fuchs mit der Hacke ins Netz streichelte. Danach war die Hamburger Gegenwehr gebrochen. Mit Ausnahme von ein, zwei Situationen, die in einer hitzigen Schlussphase immer mal wieder brenzlig werden können, verstand es Schalke den HSV im Mittelfeld zu binden und vergab in der Schlussphase sogar bei einigen Kontern die endgültige Entscheidung. Nach 92 Minuten war es dann vollbracht und der zweite Auswärtssieg endlich unter Dach und Fach.
Hamburg gegen Schalke war ein interessantes Spiel. Interessant vor allem deshalb, weil der Hamburger SV eine sehr ansprechende Leistung zeigte und keinesfalls so agierte, wie ein „normaler“ Tabellenletzter zu agieren pflegt. Letztendlich waren es Nuancen, die die Entscheidung herbeiführten, und vor allem war es ein „Sahnetag“ von Klaas Jan Hunterlaar. Ich hatte gestern nicht das Gefühl, einen kommenden Zweitligisten zu sehen. Hamburg wird sich in absehbarer Zeit aus dem Keller befreien. Um so schöner ist es natürlich, dass Schalke sich einem Gegner, der sich erkennbar im Aufschwung befindet, widersetzte.
Soviel zum sportlichen Geschehen in der Hansestadt. Mehr dazu schreibt der „kicker“. Ein paar Fotos und persönliche Eindrücke von der Tour nach Hamburg folgen morgen.
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4 Kommentare zu “Schalkes Auswärtssieg in Hamburg”
Schöne Zusammenfassung, der ich mich nur anschließen kann.
Yo, ist korrekt! Bisher war ich ein Fährmann Befürworter – aber so wird das langsam Untragbar, werden nicht immer trotz Patzer Gewinnen – und das häuft sich gerade…
Ausnahmsweise kann ich mich der Analyse von Matthias nicht anschließen, ich empfand den Sieg nicht als verdient sondern als glücklich. Die Hamburger waren aggressiver und haben uns immer wieder in Bedrängnis gebracht. Wir hatten zwar immer mal wieder lichte Momente im Spielaufbau, in der Summe wurde mir aber zu wenig kombiniert und zu viel den Ball auf gut Glück nach vorne „gedroschen“.
Bei Ralf Fährmann habe ich den Eindruck, dass er zuviel will und dadurch nicht mehr locker ist. Er hatte neben einigen guten 1:1 Situationen auch mehrere Male „Flutschfinger“, und das Glück, dass die Bälle ins Toraus und nicht im Tor landeten. Auch seine Strafraumpräsenz wirkt häufig unglücklich. Damit wird die Diskussion um Rene Adler natürlich weiter angeheizt und sollte RF seine Nerven nicht in den Griff bekommen, dann auch zurecht. Glückauf!
Stimmt, Ralf Fährmann hat am Sonntag sicher nicht seinen besten Tag gehabt und ließ auch in den Spielen davor oftmals die ein oder andere Unsicherheit erkennen. Ihn deswegen aber schon abzuschreiben, finde ich unangemessen. Es gab doch da mal einen anderen „Flutschfinger“, der sich super entwickelt hat (naja, im sportlichen zumindest). Außerdem ist und bleibt Fussball ein Mannschaftssport, bei dem man Erfolg oder Misserfolg mE nicht an einzelnen Spielern festmachen sollte. Die Gesamtleistung des Teams muss stimmen, dann fallen auch individuelle Schwächen oder vereinzelte Fehler längst nicht so ins Gewicht. Oder brauchen wir für Benny auch einen Ersatz, weil er im Mittelfeld den Ball verstolpert und das zum Gegentreffer geführt hat??
Ich finde, Fährmann hat bislang insgesamt gut gehalten und verdient weiterhin unseren Vertrauensvorschuss.