Ein Blick in die Runde – Teil 2
In Portugal, dem Land der letzten Europameisterschaft, habe ich meinen Blick in die europäische Runde gestern beendet. Da bietet es sich doch geradezu an, heute in den Ländern der bevorstehenden EM zu beginnen. Als halber Österreicher lasse ich dabei natürlich dem ÖFB den Vortritt.
Die Rechnung von „Red Bull“-Chef Dietrich Mateschitz war ja eigentlich ganz einfach. Man schnappe sich einen mittelmäßig erfolgreichen Fußballverein in Österreich, der bereits in der ersten Liga spielt, und peppele ihn mit ein paar Ex-Bayern-Stars, die ihren Zenit bereits deutlich überschritten haben, auf. Das ist recht günstig, garantiert in einer chronisch schwachen Liga wie in Österreich aber scheinbar ein Abo auf den Titel. Und wer den Titel holt, muss „nur“ noch durch die CL-Quali und – schwupps – sind die Investitionen auch schon wieder drin. So geschehen in Salzburg, wo der Verein mal „Casino Salzburg“, mal „Austria Salzburg“ und seit ein paar Jahren nun „Red Bull Salzburg“ heißt. Dumm nur, dass es Red Bull unter Mateschitz nicht in die Champions-League schaffte und die eigentlich so simple Rechnung in der Qualifikation scheiterte. Das kann Salzburg in der kommenden Spielzeit nicht passieren, denn man tritt als Zweiter erst gar nicht in der Quali an, steht stattdessen nur im UEFA-Cup. Meister wurde mit Rapid Wien ein Club, der in der 80er Jahren sicherlich das Sinnbild des verhassten Vereins in Österreich darstellte. Das lag vor allem daran, dass Rapid in zehn Jahren gefühlte 20 Meistertitel holte, zum Teil auf ganz einfache Weise: indem man vor der Saison den Gegnern einfach die besten Spieler wegkaufte. In den letzten Jahren hat es der SK Rapid allerdings etwas ruhiger angehen lassen. Der Titel in diesem Jahr ist der 32. – den 31. hatte man 2005 gefeiert. Dritter (= UEFA-Cup) wurde übrigens Rapids Lokalrivale Austria Wien. Abgestiegen ist Wacker Innsbruck.
Noch eine weitere Anekdote aus Österreich: Dort schrammte die in Klagenfurt beheimatete Austria Kärnten nur haarscharf am Abstieg vorbei. Das ist nicht gut, im Falle von Kärnten aber dennoch ein kleines Wunder. Denn eigentlich hat der Verein in der ersten Liga überhaupt nichts zu suchen, spielt nur mit, weil der Club sich im letzten Jahr die Lizenz des ehemaligen SV Pasching schnappte. Geld ist dafür natürlich auch geflossen. Jaja, das geht in Österreich. Da kauft man sich einfach in die erste Liga ein. Das gilt für ganz oben (siehe Mateschitz) und auch für ganz unten (siehe Klagenfurt). Und dennoch ist es dann nicht so richtig erfolgreich.
Meister in der Schweiz wurde in diesem Jahr mal wieder der FC Basel (= CL-Quali) und zwar mit deutlichem Vorsprung vor dem letztjährigen Titelträger FC Zürich, der es als Dritter gerade noch in den UEFA-Cup schaffte. Die Rolle des Verfolgers stand deshalb in der abgelaufenen Saison den Young Boys aus Bern zu (bin ich der Einzige, der dabei an die Village People denkt?), die sich den Vizemeistertitel mit der UEFA-Cup-Teilnahme versüßten. Abgestiegen ist der FC Thun. In die Relegation musste der älteste Fußballclub der Schweiz, der gleichzeitig der zweitälteste in Europa ist: der FC St. Gallen. Ãœbrigens gelang es St. Gallen erst unter Trainer Krassimir Balakow (der, der uns 2001 in Stuttgart den Anfang vom Ende der Schalker Meisterträume bescherte) sich überhaupt noch in die Relegation und schließlich die Klasse zu retten. Das war knapp…
Jetzt würde ich ja gerne in den Alpen bleiben und nach Österreich und der Schweiz auch aus Liechtenstein die Ergebnisse verkünden. Aber der Liechtensteiner Fußballverband – der von den reinen Zahlen her der kleinste in Europa, in Relation zur Bevölkerungszahl aber einer der größten ist – spielt gar keine eigene Liga aus! Stattdessen hat man sich dem schweizerischen Verband angeschlossen und lässt die insgesamt sieben Vereine des Landes dort am Spielbetrieb teilnehmen. Zwar keine Liga, aber immerhin einen eigenen Pokalwettbewerb – das wollte sich Liechtenstein dann doch gönnen. Eigentlich könnte man den Cup aber auch gleich wieder abschaffen, denn außer dem FC Vaduz hat in den letzten elf Jahren kein anderes Team den Pott geholt. Insgesamt bringt es Vaduz auf 35 Pokalsiege – beachtlich! Als aktueller Cupsieger darf man übrigens in der UEFA-Cup-Quali antreten. Einen CL-Quali-Teilnehmer gibt es mangels eigener Meisterschaft natürlich nicht.
Eben waren wir noch in Österreich, jetzt ehren wir die Habsburger Monarchie und gehen weiter nach Ungarn. Unglaublich, dass da überhaupt Fußball gespielt wird! Eigentlich müssten die Ungarn doch noch auf den Straßen hüpfen und feiern, dass sie Lothar Matthäus überstanden haben. Aber der Magyar an sich scheint ein Typ zu sein, der sich schnell wieder auf das Wesentliche konzentriert. Das ist auch bitter notwendig, denn die Liga, die sich derzeit im Schlussspurt befindet, ist wirklich ungeheuer spannend. Drei Teams können noch Meister werden. Drei Spieltage vor dem Schluss stehen MTK Budapest und Vorjahresmeister VSC Debrecen punktgleich an der Spitze. Nur drei Zähler dahinter lauert Ujpest Budapest auf seine Chance. In Ungarn darf übrigens der Meister an der CL-Quali teilnehmen, der Zweite startet im UEFA-Cup. Der Verlierer dieses spannenden Dreikampfs steht somit nur im UI-Cup. Während es oben noch spannend ist, sind unten alle Messen gelesen. Dem FC Sopron wurden aufgrund finanzieller Unregelmäßigkeiten alle Punkte abgezogen und in der Rückrunde die Teilnahme am Spielbetrieb verwehrt, der FC Tatabanya durfte zwar noch mitmachen, hätte es sich allerdings auch sparen können. Mit aktuell zehn Punkten steht man bereits seit einiger Zeit als zweiter Absteiger fest.
Gehen wir weiter in kommen in das Land der besten Biere (nein, nicht Sauerland). Wir sind in Tschechien und treffen mit dem Meister Slavia Prag einen alten Bekannten, mit dem Schalke noch eine internationale Erstrunden-Rechnung offen hat. Zusammen mit dem Vorjahresmeister Sparta Prag tritt Slavia in der CL-Quali an – ein Wiedersehen wäre also durchaus möglich! Banik Ostrau sicherte sich als Dritter den einzigen UEFA-Cup-Platz, den die tschechische Liga zu bieten hat. Zwei Prager Clubs stehen ganz oben, einer ganz unten: der FC Bohemians aus Prag muss als Vorletzter ebenso wie der FK Most in die zweite Liga. Slovan Liberec, der Verein, mit dem Schalke vor ein paar Jahren gleich zweimal hintereinander im UI-Cup die Klingen kreuzte und beide Male erfolgreich blieb, schloss die Saison übrigens im Niemandsland der Liga ab.
Die Slowakei, das einstige (siamesische) Bruderland der Tschechen, hat es nicht ganz so eilig, die Liga zu beenden. Noch stehen vier Spiele aus, Meister dürfte trotzdem Artmedia Petrzalka werden. Es sei denn man entdeckt das Schalker Gen und verdaddelt satte acht Punkte Vorsprung auf den Vorjahresmeister Zilina. Zilina wiederum hat den zweiten Platz bereits rechnerisch sicher und spielt somit, sollte nicht doch noch das Wunder geschehen, im UEFA-Cup. Artmedia darf in der CL-Quali sein Glück versuchen. Ganz unten hat AS Trencin mit zehn Punkten Rückstand auf den Vorletzten Moravce nur noch rechnerische Chancen auf den Klassenerhalt.
Ich schlage mal vor, wie bleiben – grob gesehen – in der Region und richten unseren Blick nach Polen. Hier feierte Wisla Krakau, ebenfalls ein alter Bekannter aus der Schalker UEFA-Cup-Historie, eine überlegene Meisterschaft (= CL-Quali) mit 14 Punkten Vorsprung auf Legia Warschau (ebenfalls bekannt), das sich zumindest noch in den UEFA-Cup rettete. Abgeschlagen am Tabellenende landete der Vorjahresaufsteiger aus Sosnowiec, Widzew Lodz konnte trotz eines guten Schlussspurts die Klasse ebenfalls nicht halten.
Von Polen aus ist es nur ein Katzensprung in die Ukraine. Das (neben Polen) Co-Gastgeberland der EM 2012 hat seine Saison kürzlich beendet und erlebte bis zuletzt einen spannenden Zweikampf zwischen Schachtjor Donezk (die kennt man als Schalker – leider – auch) und dem Titelverteidiger Dynamo Kiew. Diesmal hatte Donezk knapp die Nase vorn. Kiew wird es verschmerzen, startet man doch – genauso wie Schachtjor (was übrigens „Bergmann“ bedeutet) – in der CL-Quali. Den UEFA-Cup-Platz 3 sicherte sich Metalist Kharkow. Die Aufsteiger der letzten Saison sind auch wieder die Absteiger. Ihre Namen sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen. Sie lauten Naftovyk-Ukrnafta Akhtyrka und Zakarpatja Uzhgorod.
Von der Ukraine aus richten wir den Blick (geographisch) gesehen nach oben und landen in Belarus, auch Weißrussland genannt. Allerdings wird hier von Frühjahr bis Herbst gespielt und deshalb hat die Tabelle nach sechseinhalb von 30 Spieltagen noch keine Aussagekraft. Als Meister des letzten Jahres wird BATE Borisov in der CL-Quali antreten. Schachtjor (du weißt jetzt ja, was das heißt) Saligorsk spielt als Zweiter im UEFA-Cup. Mit dem FK Gomel sicherte sich übrigens der Club mit der kultigsten Stadionsprecherin den dritten Rang (= UI-Cup). Immer wieder gerne erinnere ich mich zurück an den Tag, als es durch das Stadion schallte: „Der Spieler mit der Nummer 11 von der Schalke-Mannschaft Ebbe Sand hat getroffen in das Tor der Gomel-Mannschaft“. Oder an dem Moment, in der der Schlusspfiff noch nicht ganz verhallt war: „Das Fußballspiel ist beendet. Bitte gehen sie nach Hause!“
Genau so wie die Weißrussen hält es der Fußballverband von Russland. Man spielt eine „Jahres-Saison“. Da der Vorjahresmeister Zenit St. Petersburg aufgrund des gestrigen UEFA-Cup-Finals gleich fünf (von bislang 11) Spielen verlegte, hat die Tabelle derzeit die Aussagekraft einer Buchstabensuppe. Zenit wird auf jeden Fall als amtierender Meister in der kommenden Saison in der Champions-League spielen, Spartak Moskau muss als Zweiter dafür durch die Qualifikation. In den UEFA-Cup wanderte der Letztjahresdritte ZSKA Moskau.
Kerle, Kerle – was war das letztes Jahr schön, als wir vor 12 Monaten alle sangen „Oliver Kahn nach Kasachstan„. Naja, so ist es dann ja nicht gekommen. Dem (ab übermorgen) Rentner blieb eine Reise in die kasachische Steppe erspart. Ãœbrigens spielt man auch hier von Frühjahr bis Herbst. Als Vorjahresmeister wird sich deshalb FK Aktobe-Lento an der CL-Quali versuchen. Tobol Kostanai versucht dasselbe eine Klasse drunter, im UEFA-Cup. Viel Glück, euch beiden!
Die letzte Station des heutigen Rundblicks soll Moldawien bilden. Schalke spielte vor ein paar Jahren mal gegen Dacia Chisinau im UI-Cup. Und siehe da: Dacia schloss die zurückliegende Saison als Zweiter ab und wird nun in der UEFA-Cup-Qualifikation starten. Ãœberlegener moldawischer Meister wurde mit 19 Punkten Vorsprung Sheriff Tiraspol, was eigentlich ein Witz in sich ist. Denn nach wie vor ist Moldawien de facto ein gespaltenes Land. Der russische Teil (rund um Tiraspol) möchte lieber heute als morgen einen eigenen Staat gründen und sich von der Hauptstadt Chisinau abspalten. Da kann man mal sehen, dass Fußball auch eine einende Komponente hat. Abgestiegen in Moldawien sind übrigens Politehnica Chisinau und Rapid Ghidighici. Letztere hatten irgendwann in der Saison „keinen Bock“ mehr und stellten den Spielbetrieb ein.
Genug gereist für heute. Im morgigen dritten Teil des Blicks in die Runde bringen wir die Sache dann zu einem Abschluss, schauen unter anderem auf den Balkan, besuchen die die Fußballgiganten auf den Färöer-Inseln und Malta und schauen sogar in den Nahen Osten, der mit Israel ja auch ein UEFA-Mitglied stellt.
Abgelegt unter Fußball allgemein