Wer braucht denn eigentlich noch die Sportschau vor 20 Uhr?

24. Jul. 2008 | 14 Kommentare

Das Bundeskartellamt hat soeben die Pläne der „Deutschen Fußball Liga“ gestoppt, die Bundesliga ab dem kommenden Jahr zusammen mit der Agentur Sirius des anscheinend wiedererstarkten Medienmoguls Leo Kirch zu vermarkten. Das Vermarktungsmodell hätte bedeutet, dass es an Bundesliga-Samstagen erst nach 20 Uhr Zusammenfassungen im Free-TV gegeben hätte. Gleichzeitig hätte die exklusivere Vermarktung im Pay-TV der Bundesliga allerdings Einnahmen von 500 Millionen Euro pro Jahr garantiert. Derzeit zahlen die Medien jährlich 420 Millionen Euro. Im Falle eines Scheiterns des DFL/Sirius-Plans hatten Vertreter der DFL bereits davor gewarnt, dass selbst diese Summe in den kommenden Jahren nicht mehr erreicht werden könnte. Es ist also ein zweischneidiges Schwert: Einerseits brauchen die Clubs der ersten und zweiten Bundesliga die Einnahmen aus der TV-Vermarktung dringend, um gegenüber Ländern wie Spanien, Italien und England nicht noch mehr Boden zu verlieren. Andererseits begründete das Kartellamt seine Entscheidung damit, dass weite Teile der Bevölkerung zukünftig von einer zeitnahen und bezahlbaren Bundesliga-Berichterstattung abgeschnitten sein könnten. Ich selbst gehörte Jahre lang zu den glühendsten Verfechtern einer Sportschau (oder meinetwegen auch „ran“) vor 20 Uhr. Doch ich stelle immer mehr fest, dass ich das Free-TV-Angebot vor 20 Uhr eigentlich kaum noch Nutze, bestenfalls als Hintergrundbeschallung beim Geschirrspülen. Deshalb stelle ich jetzt mal folgende provokante Frage in den Raum: Wer braucht die Sportschau vor 20 Uhr eigentlich noch?

Es ist mir bewusst, dass sich nicht jeder Sportfan „Premiere“ leisten kann oder will. Nach zwei Jahren und einem vergünstigten „Arena“-Abo werde auch ich in die kommende Spielzeit wieder komplett ohne Pay-TV gehen. Aber selbst für diesen Fall ist mir eigentlich nicht bange, denn ich bin mir sicher, dass ich auch sehr gut ohne freie TV-Bilder vor 20 Uhr leben könnte.

Jetzt gehöre ich natürlich zu den strunzdummen privilegierten Personen, die während der Saison mindestens jeden zweiten Samstag im Stadion stehen. Aus rein logistischen Gründen ist es mir deshalb bei Schalker Heimspielen gar nicht möglich, die Sportschau vor 20 Uhr zuhause sehen zu können. Stattdessen erledigt mein Videorecorder die Arbeit für mich. Aber auch wenn Schalke auswärts ran muss, nutze ich das Angebot der Sportschau so gut wie nie. Stattdessen sehe ich die Spiele bei Freunden oder in meiner Stammkneipe.

Ich denke, so wie mir geht es mittlerweile vielen. Früher war der Samstag einfach anders strukturiert. Da hörte man ab 15.00 Uhr während der Gartenarbeit die WDR-Sendung „Sport und Musik“, die in den ersten eineinhalb Stunden (wahrscheinlich aus Kostengründen) grundsätzlich nur GEMA-freie Musikstücke der WDR-Big-Band unter der Leitung von Wassweißichwem abspielte. War die Radiokonferenz dann vorbei und Werner Hansch (damals gehörte er noch zu den Guten) endgültig heiser, konnte man noch schnell in die Badewanne springen und sich auf die Sportschau freuen. Danach war dann genügend Zeit für die ganz normale Samstagabendgestaltung.

Heute endet ein normaler Samstag für mich i.d.R. bereits gegen 15.00 Uhr. Bis dahin muss alles erledigt sein: Ausschlafen, Frühstücken, Einkaufen, Mittagessen und ein wenig Hausputz – und dann nichts wie ab vor die Mattscheibe oder die Leinwand. Nach zweieinhalb Stunden Live-Fußball und der Erkenntnis, dass der Grundsatz „Kein Bier vor vier“ an Samstagen allerorten anscheinend aufgehoben ist, verspüre ich keine große Lust mehr, mir die elendig langen und immer gleich aufgebauten Reportagen der Sportschau anzusehen. Stattdessen wird nachgeholt, was vor dem Spiel liegen geblieben ist. Geschirrspülen, zum Beispiel.

Mein persönlicher Zusammenfassungs-Tag ist seit Jahren schon der Sonntag. Ich liebe es, mit „Bundesliga Pur“ im DSF aufzuwachen und dabei mein Frühstück einzunehmen. Da bekomme ich alles, was ich brauche. Relativ kurze, knackige Spielzusammenfassungen, keine minutenlangen Interviews, leider auch die volle Dröhnung Werbung – aber damit muss man heute leben. War es dann ein besonders interessanter Spieltag (= Schalke hat gewonnen), ziehe ich mir auch noch das am Vorabend aufgezeichnete Aktuelle Sportstudio im Schnelldurchlauf rein.

Geht es jetzt nur mir so, oder ist die Sportschau vor 20 Uhr wirklich nur noch ein Relikt aus alten Tagen – eine nette Tradition, die allerdings kaum noch „lebensnotwendig“ ist?

Letztendlich wissen wir doch alle, dass der Fußball vom Geld lebt. Das kann man verdammen, wegdiskutieren kann man es allerdings nicht. Weniger Einnahmen durch die TV-Vermarktung bedeutet letztendlich, dass die Bundesliga international weiter an Standing verliert oder dass die Eintrittspreise in den Stadien steigen müssen. Beides sind nicht unbedingt anstrebenswerte Perspektiven.

Aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren. Was meinst du: Wird die Sportschau vor 20 Uhr noch dringend benötigt, oder sollte man sich allmählich von diesem Vermarktungsmodell verabschieden?

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14 Kommentare zu “Wer braucht denn eigentlich noch die Sportschau vor 20 Uhr?”

  1. matthiaßam 24. Juli 2008 um 15:22 1

    Wenn Du die Sportschau in den letzten Jahren gesehen hast, kann sich Dir diese Frage nicht stellen. Als erstes wird über die spannende dritte Liga berichtet. Wahrscheinlich, weil zur gleichen Zeit die BL-Zasammenfassung auf Premiere läuft. Wenn man wirklich Pech hat, kommt dann die Fratze vom Besserwisser Beckmann auf den Schirm. Hat man Glück, so ist die Monika L. in der sprechenden Lampe. Was die sagt, ist mir egel, habe ich sie ja auch schon in einem S04 Pulli gesehen und die Bettkantendiskussion erübrigt sich hier von selber. Wenn ich die Berichterstattung auf WDR II verfolge, und es gab mal wieder keinen Elfmeter für S04, dafür aber für „sage ich hier nicht“ oder die Bauern, dann brauche ich aktuelle Bilder. Nur um mich noch mehr zu ärgern brauche ich diese Bilder eigentlich nicht. Fazit: 1. Den einzigen Elfmeter für S04 der Saison 2007/2008 habe ich im Stadion gesehen. 2. Die Moni kann doch mal vom Playboy abgelichtet werden. Und 3. Die Sportschau braucht SO(4) keiner.
    Du brauchst einen Geschierspülautomaten. Ich kümmer mich, matthiaß

  2. Matthiasam 24. Juli 2008 um 15:29 2

    Anmerkung der Redaktion: Ein Geschirrspüler ist Bestandteil meiner neuen (gebrauchten) Schnäppchen-Küche, die in zwei Wochen angeliefert wird 🙂

  3. Carlam 24. Juli 2008 um 16:02 3

    d’accord. Wenn ich auf eine Free-TV Zusammenfassung angewiesen bin, schaue ich DSF am Sonntag morgen. Das geht gerade noch so.

    Aber diese in Eile zusammengeschnittenen drei Minuten Filmchen mit mindestens je einer Kameraeinstellung auf Tribünengast X und leidendem Fan Y, sowie Trainerbank, Edelreservist und Schuhwerk des Quotenstars. Alles garniert mit Statistiken aus soundsoviel Jahren Opta-Datenbank und subventionierten „in-die-Länge-Strecker“ CMA und Tagesschau:
    Nein, danke.

    Du triffst den Nagel auf den Kopf.

  4. verschwenderam 24. Juli 2008 um 17:56 4

    Ich gebe zu, daß die Sportschau nach anfänglicher Begeisterung meinerseits darüber von Wonti, Papenirgendwas, Welke und Lou Richter verschont zu bleiben eine Menge Interesse bei mir eingebüßt hat. Aber die Forderungen des Kartellamtes bezieht sich ja nicht generell auf die Sportschau, sondern lediglich darauf, daß die Zentralvermarktung durch die DFL ein Kartell darstellt. Dieses Kartell kann nur geduldet werden falls dem Kunden (Bevölkerung) dadurch kein Nachteil ensteht. Sprich zeitnahe Berichterstattung im Free TV vor 20 Uhr.

    Das erneute Rumgejammer der DFL ist wohl mehr als Reaktion auf die Feststellung der Unrechtmäßigkeit der momentanen Vermarktungspraxis ihres Produktes zu deuten. Im Januar dieses Jahres waren ja noch moderatere Töne bezüglich der Sportschau seitens der DFL zu vernehmen. Da schwor man ihr noch ewige Treue, wohlwissend der Risiken, die eine Beschneidung der Free TV Rechte mit sich bringen würde. Thema Einbruch der Sponsorengelder.

    Hinsichtlich der Verdienstmöglichkeiten in den Platzhirschligen Europas wird auch jedesmal verschwiegen, daß die großen Vereine, die angeblich so viele Millionen Euros ausgeben können, allesamt bis auf Manchester United bis zum Hals in der Schuldenfalle stecken oder ihr Geld von Privat Investoren erhalten. Es ist fraglich ob die Mailänder Clubs, Barca oder Real überhaupt eine Lizenz für die Bundesliga erhalten würden. Und die Auflagen des DFB hinsichtlich der Lizenzerteilung sind schon unter wirtschaftswissenschaftlichen Aspekten mehr als grobkörnig.

    Es ist auch komisch, daß immer nur die TV Einnahmen herhalten müssen, wenn es um das schlechte Abschneiden der deutschen Mannschaften im europäischen Vergleich geht. Dabei hat dies meiner Meinung nach eher mit taktischen und sportlichen Defiziten zu tun, als mit den Gehältern der Spieler. Das konnte man jetzt zuletzt bei der EM sehen. Kann mir niemand erzählen, daß ein Sergio Ramos soviel läuft weil er bei Madrid mehr verdient als Marcel Janßen beim FCB (obwohl ich das noch nicht einmal glauben mag;)). Es riecht ja schon förmlich nach Lobbyarbeit, wenn ich mir das immer gleiche Gesülze, der immer gleichen Herrschaften durchlese bzw. anhören muß.

    Die DFL ist meines Erachtens schlecht beraten wenn sie sich weiter dem Traum von höheren Einnahmen durch das Pay TV hingibt und damit lediglich den Rechteverwertern, die natürlich größtmöglichen Gewinn aus ihren Investitionen erzielen möchten, in die Karten spielt. Deren Interesse an der Weiterentwicklung des deutschen Fußballs dürfte aber eher zweitrangig sein, ist doch wie gerade schon erwähnt die Gewinnmaximierung ihr höchstes Ziel. Wir brauchen nur einen Blick auf die Insel zu werfen um zu sehen wohin ungedrosselter Starkult führt. Welchen Wert haben ManU, Chelsea oder Liverpool, wenn sich aus ihrem Kader noch nicht einmal eine Nationalmannschaft rekrutieren läßt, die sich für die Europameisterschaft qualifizieren kann? Bei allem Pech das sie in der Quali hatten.

    Um jetzt nochmal auf Deine Frage zurück zu kommen warum wir die Sportschau oder ähnliches weiterhin brauchen. Einfach damit Fußball auch weiterhin eine größtmögliche Öffentlichkeit erfährt, damit es auch weiterhin genügend Kinder gibt, die Bock auf Fußball haben und anfangen gegen die Pille zu treten. Ist natürlich klar, daß das Interesse eher durch einen Ronaldo als durch einen Maik Franz geweckt wird, aber wenn der Fußball ins Pay TV oder ins sonntägliche Frühstückfernsehen verschwindet ist die Gefahr, daß in Zukunft nur noch Spieler vom Zuckerhut oder Elfenbeinküste in der Bundesliga zaubern und die Nationalmannschaft überhaupt keine Spiele mehr gewinnt doch wesentlich größer. Und das kann nicht das Ziel der DFL, des DFB oder uns Fans sein. Daher Danke Bundeskartellamt.

  5. matthiaßam 25. Juli 2008 um 00:08 5

    Ich bin mir sicher, lieber Verschwender, dass ich in jungen Jahren nie wegen der Sportschau gegen den Ball getreten habe. Vielmehr wegen Klaus F. oder Rüdiger A., die sich in ein kleines Schalker Herz auch ohne Sportschau einimpften. Wenn heute sogar mein Vater diese Sendung nicht mehr sehen will, dann liegt es doch an der Sendung selber. Erst die dritte Liga, dann die Werbung, dann Nachrichten von Verstümmelten aus den Kriegsgebieten der USA, dann Erdinger, dann Milch für die gute Entwicklung und am bitteren Ende ein unmotivierter Beckmann dem man die Falten im Sack auf seinem Gesicht (hier stand erst etwas anderes) ansieht. Brauchen wir und unsere Zöglinge also wirklich eine Berichterstattung wie diese? Brauchen wir während einer EM/WM doofe Birnemänner wie Kerner oder Beckmann, die mit dem ganzen aufgeblasenen Hintergrund vom tatsächlichen, einfachen Fußball ablenken? Oder brauchen wir und unsere Zöglinge wirklich lecker Nutella auf der Schnitte? NEIN!
    Ich war die Tage auf Deiner Seite: Spitzenbericht zum Unterhemd bei unter 20 Grad. Da ich keine Omi mehr habe wollte ich wissen, bei wieviel Grad über Null ich meine lange Unterhose weglassen kann? Und dann könnte man klären, ab wieviel Grad über/unter Null eine Sportschau in dieser Form weggelassen werden kann. Nur dafür braucht es aus meiner Sicht noch nicht einmal einen bescheidenen Sommer.

  6. Herr Wieland (Drei Ecken, ein Elfer)am 25. Juli 2008 um 08:16 6

    Als ‚manueller Trackback’ – hier gibt es meinen Senf zum gleichen Thema: Es lebe die Sportschau!

  7. Herr Wieland (Drei Ecken, ein Elfer)am 25. Juli 2008 um 08:21 7

    Und da ich jetzt gerade erst die Kommentare hier lese, und ich feststelle, dass meine Meinung der des zeitverschwendenden Tumulders sehr nahe kommt, möchte ich seinen Kommentar hiermit nochmal virtuell unterschreiben.

  8. Matthiasam 25. Juli 2008 um 08:46 8

    Bevor die Diskussion hier in Sportschau-Bashing ausartet möchte ich meine Frage noch einmal konkretisieren: Wer braucht Spielzusammenfassungen im Free-TV am Samstag *vor 20 Uhr?* So war das gemeint.

    Der Verschwender hat in seinem Kommentar viele Sachen angesprochen, die richtig und wichtig sind. Auch Herr Wieland beschreibt in seinem „manuellen Trackback“ ein wichtiges Grundversorgungs-Szenario – wobei ich allerdings zumeist bereits nach drei Sätzen merke, ob mein Gesprächspartner ein Spiel über 90 Minuten gesehen hat, oder sich seine vorgefasste Meinung nur von der Sportschau hat bestätigen lassen. Deshalb meide ich – vielleicht aus purer Arroganz – die Diskussion mit „solchen“ Leuten.

    Die „Berichterstattung“ über die CL st sicherlich das krasse Gegenbeispiel. So weit darf es in der Bundesliga nicht kommen, dass man sich sogar das Sat.1-Frühstücksfernsehen aufzeichnet, um vielleicht doch eine Minute Fußball vom Vorabend sehen zu können. Eine derartige Beschneidung der Berichterstattung im Free-TV ist allerdings auch nicht vorgesehen. Es geht allein um die heilige Kuh „Fußball am Samstag vor 20 Uhr im Free-TV“. Und dabei lasse ich jetzt außen vor, dass mein „Öffentlich-Rechtliches-Abo“ pro Monat mehr als das eineinhalbfache von dem kostet, was ich bei „Arena“ monatlich für Live-Fußball bezahlt habe. (Ich zahle übrigens sehr gerne die GEZ-Gebühren, weil das ÖR in meinen Augen noch das sehenswerteste Programm bietet. Da bin ich allerdings wohl eher Exote.)

  9. Carlam 25. Juli 2008 um 11:49 9

    Dann führe ich den Gedanken aus meinem ersten Kommentar weiter:

    Die Sportschau in ihrer bisherigen Form, ausgestrahlt um 20:15, Gott bewahre. Aber eine in Qualität und Umfang verbesserte Version der Sportschau – mit späterem Ausstrahlungstermin – das würde ich zweifellos unterstützen.
    Eine ausgewogenere Berichterstattung für die 18:30 Ausstrahlung zu fordern dürfte schon wegen des Zeitfaktors relativ aussichtslos sein.

    Also:
    Pro Sportschau (Ran, Bundesliga der Samstag, etc.), aber bitte zu einem Zeitpunkt der nicht zulasten der Qualität geht. Da ist meiner Meinung nach 20:15 die beste Option.

  10. verschwenderam 25. Juli 2008 um 15:17 10

    Ich weiß nur eins, Samstag Abends nach 20 Uhr habe ich in der Regel wirklich besseres zu tun als die Sportschau zu gucken. Ich denke dies ist bei vielen anderen auch nicht anders. Man erinnere sich an 2001 als Sat1 diesen Versuch schon einmal startete, es aber nach ziemlich kurzer Zeit aufgab. Zudem verzeichnete Premiere damals keinen nennenswerten Zuwachs an Abonnenten, so wie es nun kolportiert wird. Die sollen meinetwegen Fußball im Free TV nur noch um 2:00 Uhr morgens zeigen. Ist mir völlig egal, weil sie ganz schnell wieder zurückkehren werden zum gewohnten Sendeschema. Was in Großbritannien oder Spanien vielleicht funktionieren mag, muß und wird in Deutschland nicht funktionieren. Das muß noch nicht einmal am Preis liegen, Arena ist das beste Beispiel.

  11. Matthiasam 25. Juli 2008 um 16:14 11

    Verschwender, natürlich hast du grundsätzlich recht. Aber du schreibst selbst: „Man erinnere sich an 2001 als Sat1 diesen Versuch schon einmal startete, es aber nach ziemlich kurzer Zeit aufgab. Zudem verzeichnete Premiere damals keinen nennenswerten Zuwachs an Abonnenten.“

    Und darum geht es mir die ganze Zeit. Ich will hier nicht das Hohe Lied des Pay-TV singen. Ich will einfach nur die Frage stellen, für wen die Sportschau um 18.30 Uhr heute wirklich noch die einzige, hauptsächliche und unersetzliche Quelle für Bundesliga-Fußball ist. Das ist eine Grundsatzfrage, die durchaus auch persönlich nur mit „Für mich nicht“ oder „Für mich schon“ beantwortet werden kann

    Ich habe nämlich das Gefühl, in der ganzen Diskussion wird auf Grundlage einer Datenbasis argumentiert, die so gar nicht mehr stimmt. Da gibt es das „Totschlagargument Kinder“, die urplötzlich keinen Bock mehr auf Fussek haben könnten. Oder den Arbeitskollegen, mit dem man am Montag kein Gesprächsthema mehr hätte, wenn es die Sportschau um 18:30 Uhr nicht gäbe. Und früher oder später wird auch der Hartz-IV-Empfänger hervorgekramt, der nun nicht mehr am Kulturgut Fußball teilhaben kann und so noch weiter aus der Gesellschaft ausgegrenzt wird.

    Ich habe die Frage nicht einmal spontan in den Raum gestellt. Sie gärt in mir seit geraumer Zeit und gestern war nur ein guter Anlass. Es folgen nun drei Beispiele. Und der liebe (Fußball-)Gott ist mein Zeuge, dass ich sie nicht erfunden habe.

    Beispiel 1: Direkt neben meiner Haustür ist eine KiTa. Die meisten Steppkes laufen zum Wochenende hin grundsätzlich mit einem Trikot irgendeines Vereins herum. Ich habe einen Kurzen in der Schlussphase der letzten Saison mal gefragt, ob der denn auch Fußball im Fernsehen kuckt, wenn er denn schon so ein schönes Trikot anhat. Antwort: „Ja, da treffen wir uns am Samstag nämlich immer beim Paul, der Vater hat nämlich Premiere und da kucken wir dann nämlich immer und spielen nämlich mit der Carrera-Bahn.“

    Beispiel 2: Ich habe als Freiberufler zwar in diesem Sinne keine Arbeitskollegen, aber doch sehr viele gute Freunde, die mit Fußball nicht ganz so viel am Hut haben wie ich. Manchmal meinen Sie mir eine Freude machen zu müssen und beginnen Gespräche mit „Na, haste das am Wochenende gesehen, hier bei dem Spiel, von … ähhh … Dings gegen … äh … die anderen da, wo der eine da, der … ähhh … der mit dem langen Beinen .. ähhh. War doch krass, oder?“ Da bin ich jetzt nicht böse, weil sich eben nicht jeder mit Fußball auseinander setzen muss, aber ich glaube, denen wäre mit einer Komplettwiederholung der ersten fünf Staffeln von „Tom & Jerry“ oder einem Best-of „Hallo Robbie“ Samstags um 18:30 Uhr gena so geholfen.

    Beispiel 3: In meinem Bekanntenkreis kenne ich zwei aktuelle und einen ehemaligen Hartz-IVer. Der ehemalige hat mit Fußball nichts am Hut – der scheidet aus. Von den beiden aktuellen hat einer Premiere (der Anteil der Hartz-IV-Empfänger mit Premiere ist übrigens erstaunlich hoch, was von manchem Sozialforscher damit begründet wird, dass die Gruppe einerseits von den GEZ-Gebühren befreit ist, andererseits natürlich eine Wochenendgestaltung mit „um die Häuser“ ziehen erheblich teurer ist, als sich vor die Abo-Glotze zu knallen), der andere macht es wie ich. Der schaut mal bei dem Kumpel, dann beim anderen und auch ganz gerne mal in der Kneipe.

    Wie gesagt: Ich bin mir wirklich sicher, dass es heute extrem veränderte Sehgewohnheiten in Bezug auf Fußball gibt. Es wird aber immer so argumentiert, als sie die Sportschau um 18:30 Uhr wirklich die einzige Möglichkeit, die Bundesliga zu verfolgen. Klar – das war von 20 Jahren so, als es noch kein Premiere, IP-TV, DSF etc. gab. Aber damals bestand die Sportschau auch nur aus drei, maximal vier Spielberichten (so denn der Motorradkurier mit dem MAZ-Band nicht im Stau steckte – kam häufig genug vor). Der Rest wurde in Form von Infotafeln präsentiert und man musste bis zum Sportstudio warten.

    Ich bin jetzt auch echt niemand, der die Sportschau um 18:30 Uhr auf Teufel komm‘ raus abschaffen möchte. Aber mir geht dieses Gejammer der ÖR-Sender immer mehr auf den Sack. Die ARD tut geradezu so, als hinge das Wohl und Wehe des deutschen Fußballinteresses von ihr ab und nutzt dies das als permanentes Druckmittel. Die Art und Weise, wie gestern in allen ÖR TV- und Radiosendern der Kartellamtsbeschluss als „Sieg“ gefeiert wurde lässt in mir das Gefühl hochkochen, dass wir als Fußballfans letztendlich nur als Interessens-Spielball der ÖR-Sender missbraucht werden.

    Mein Traum wäre deshalb: Die Free-TV-Berichterstattung bleibt bei 18:30 Uhr, wandert aber weg von den ÖR-Sendern, meinetwegen zu Sat.1. Das muss ich dann genau so wenig kucken wie die Sportschau, gleichzeitig wäre die „Grundversorgung“ (an die ich wie gesagt längst nicht mehr glaube – aber sei’s drum) für Kinder, Arbeitskollegen und Hartz-IV-Empfänger gesichert. Und dann schauen wir mal, ob die ARD immer noch so vehemente Lobbyarbeit für das Free-TV machen würde oder ob sie nicht vielleicht doch einen Deal mit Premiere abschlösse, der ihr ein exklusives Krümelchen vom großen Kuchen garantiert. Beispielsweise ein „Premiere präsentiert das Live-Spiel des Monats in der ARD“, wie es auch schon in der Diskussion war.

  12. Clausam 26. Juli 2008 um 21:25 12

    Warum wird eigentlich immer von Free TV gesprochen ? ARD usw sind nun mal nicht kostenlos, das sind nur SAT1 Pro7 etc… Für mich sind die ÖR Sender genauso PayTV, noch schlimmer- sie sind zwangs Pay TV weil man ja schon zahlen darf wenn man nur ein TV Geraet hat- selbst wenn man es nie benutzt. Und dumme Volksmusik Sendungen und Schmalzfilme bezahle ich nicht wirklich gerne.
    Ok ich kann auf die Sportschau verzichten, weil ich auch Premiere habe aber oft bin ich am Samstag auch unterwegs und nehme die Zusammenfassung auf DVD/HD auf. Und man soll mir mal erklären was man an Lebensqualitaet verliert, wenn man erst um 20uhr eine Fussballzusammenfassung bekommt. Eineinhalb Stunden, was soll das ? Neue Kinofilme kommen erst nach 2 Jahren ins TV 😉
    Naja, eine wohl von beiden Seiten ziemlich heuchlerische Diskussion, DFL will die Kohle, ARD ebenso (Werbung, Sponsoren)

  13. matthiaßam 28. Juli 2008 um 10:06 13

    Wahrscheinlich geht es nur um die dicke Kohle. Ich habe mich während der letzten EM (EURO) immer gefragt, welche Kinder können denn ab 20.45 Uhr zzgl. Verlängerung und Elfmeterschießen ein Fußballspiel sehen. Auch Champagner-Liga auf Mittwoch mit den modernen Anstoßzeiten ist für Arbeitnehmer, wenn sie dann auch richtig mitfiebern, fast unmöglich zu realisieren. Aber aus irgend einem für mich noch nicht schlüssigen Grunde müssen diese Spiele erst so spät angepfiffen werden. Auch hier wird es um die dicke Kohle gehen, wieso verstehe ich aber nicht. Ein Freund sagte mal, dass man dann das Pissverhalten der Leute über den Wasserverbrauch während einer Fussballübertragung genau analysieren kann.
    Matthias Frage war aber, wenn ich nun richtig liege, ob man (wer)(Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Kinder, Hartzis, Mütter, Väter, Bloggerer, Opis, Mitarbeiter, Freunde…) eine Berichterstattung über frei zu empfangene Kanäle vor 20.00 Uhr überhaupt noch braucht. Hier wird das Brauchen in den kommenden Wochen von oberster Stelle entschieden und dann werden alle wieder mitmachen beim Brauchen.
    Brauchen wir eine Atomkraft, ein 3 Liter Haus oder einen stinkenden Pfandflaschenautomaten? Brauchen NEIN, bekommen JA!

  14. hellwacham 28. Juli 2008 um 17:35 14

    „Geht es jetzt nur mir so, oder ist die Sportschau vor 20 Uhr wirklich nur noch ein Relikt aus alten Tagen – eine nette Tradition, die allerdings kaum noch “lebensnotwendig” ist?“

    Jein.

    Ich bin seit Freitag über fuffzich. Das ist u.a. der Grund dafür, dass seit Jahrzehnten die Sportschau für mich Synonym für die Zeit Samstags zwischen 18.00 Uhr und 20.00 Uhr darstellt. Reflexartig kommentiere ich Samstag-Abend-Einladungen, die meine Liebste ausgesprochen oder angenommen hat, mit den Worten: „… zur besten Sportschau-Zeit…“. (Obwohl es ja auch am Sonntag eine Sportschau gibt)

    Dabei ist mir völlig egal, ob Saison ist oder nicht, ob Schalke freitags, samstags oder sonntags, zu Hause oder auswärts spielt bzw. gespielt hat, ob ich im Urlaub bin, im Büro oder zu Hause. Ob die Sendung Sportschau oder ran heißt und ob der gerade ausstrahlende Sender öffentlich oder privat-rechtlich finanziert wird. Samstag um sechs ist nun mal Sportschau-Zeit.

    Soweit die sprachlichen Gewohnheiten eines nur sporadisch im Stadion guckenden Fußball-Fans. Die tatsächlichen Gewohnheiten: Statt um 15.30 auf den Rängen tummel ich mich im Garten, auf dem Auto-Waschplatz, vor dem PC oder beim Hausputz. Am liebsten mit Manni auf WDR2. Hab ich am Rande bemerkt meist auch dabei, wenn ich gelegentlich im Stadion bin, um zu überprüfen, ob Manni und ich das selbe Spiel gucken.

    Zur Sache: Sportschau gucken tu ich:
    – wenn ich wirklich viel Zeit habe
    – wenn S04 gewonnen hat, weil ich das auskoste, mir jeden verfügbaren Bericht -sogar im Aktuellen Sportstudio- anschaue (und auch jeden lese)
    – wenn ich selbst das Spiel gesehen habe (um zu überprüfen, wie berufsmäßige Zuseher das von mir gesehene Geschehen bewerten)
    – meist als Aufzeichnung, selbst dann, wenn ich vor 20.00 Uhr schaue. (1. um Regionalligen, Werbung und Tagesschau zu überspringen, 2. einfach um Zeit zu sparen 3. zu jeder Zeit verlustfrei unterbrechen zu können)
    – oft nur auszugsweise, wenn der eine oder andere Verein eine schöne Klatsche gekriegt hat, einfach um das zu genießen

    In der vergangenen Saison habe ich ca. 15 mal gegen 18.30 Uhr angefangen die Aufzeichnung zu gucken -nicht alle bis zum Ende-, weitere ca. 5 Aufzeichnungen sind ungesehen in den digitalen Schredder geraten und 10 mal habe ich gar nicht geguckt (Urlaub, Einladung, Gäste und ähnliche Hinderungsgründe). Die restlichen 4 waren wohl Spieltage unter der Woche.

    Pay-TV könnte ich mir zwar leisten, hätte aber gar nicht genug Zeit, angemessen viel zu schauen.

    Pro Free-TV vor 20.00 Uhr: es ist mir wichtig, ich möchte die Option haben, die Berichterstattung -unterstützt durch meinen Video-Rekorder- nach meinen Bedürfnissen zu jeder (Samstags-) Zeit zu schauen. 20.00 Uhr geht gar nicht, passt nicht in unseren Rhythmus, 22.00 Uhr ist mir zu spät. Das Bedürfnis wird allerdings weiter abnehmen, wenn die Spieltage noch mehr zerfleddert werden. Für mich übersteigen ein Freitags- und zwei Sonntags-Spiele schon das zumutbare Maß. Bei nur noch 5 Spielen am Samstag Nachmittag wird mein Interesse weiter nachlassen. Zumal das Fernsehen ja von montags bis donnerstags nicht gerade Fußball freie Zone ist.

    Contra Free-TV vor 20.00 Uhr: Ich guck jetzt schon nicht mehr wirklich die Sendung vor acht „live“. Freitags gibt es eh nichts mehr zu sehen und sonntags erst ab 22.00 Uhr (sehe ich übrigens öfter als die Sportschau). Wenn die anstehenden Änderungen wirklich dazu führen, dass die Berichterstattung zu anderen Zeiten läuft, werde ich mich sicher anpassen. Heute bereits zu spekulieren, wie das in über einem Jahr konkret aussehen wird, erscheint mir zu früh, habe ich mich doch derzeit noch nicht einmal umfassend über alle aktuellen Möglichkeiten (Internet?) und Kosten (Pay-TV-Abo?, Schalke TV?) informiert.

    Mein Fazit, Matthias:
    Ich gewöhne mich nicht gerne um, hätte gerne weiter „Sportschau“ aber nicht dringend nötig. Mein Abschied auf Raten findet schon -teils erzwungen- seit einer Weile statt.

    PS: Die Änderung der Anstoßzeiten ist in meinen Augen wesentlich kritischer, als die Uhrzeit der Berichterstattung im frei empfangbaren Fernsehen. Wenn das „Produkt Bundesliga“ verwässert weil allgegenwärtig wird, wird das Volk irgendwann dessen überdrüssig. Tennis lässt grüßen…