Frühling in Freiburg (Reisebericht + 30 Bilder)
Quizfrage: Wenn eine Eintrittskarte 36,00 Euro kostet, wie viel kosten dann vier Eintrittskarten? Richtig! Exakt 161,90 Euro. Denn als geübter Stadiongänger weißt du natürlich, dass zu jedem einzelnen Ticket immer auch Bearbeitungsgebühren und Versandkosten (obwohl in einem Sammelbriefumschlag mit vielen anderen Karten für viele andere Spiele verschickt) hinzukommen. Und es ist mir auch wirklich total egal, wer sich konkret die Plauze fett futtert – aber 17,90 Euro Bearbeitungsgebühren für einen einzigen Geschäftsvorgang sind einfach zu viel. Wohlgemerkt: Die Karten kamen auf dem kürzesten legalen Weg direkt über den FC Schalke 04 und den Schalker Fanclub Verband in meinen Besitz. Aber OK, das soll jetzt nicht das Thema sein. Stattdessen ein paar Eindrücke aus dem frühlingshaften Freiburg.
Wir waren am Freitag angereist und konnten so schon am Vormittag des Spieltages durch die Stadt flanieren. Nach und nach füllten sich die Straßen mit blau-weißen Gestalten und ab und an waren auch bereits Anhänger des Gastgebervereins zu sehen. Nach einem Abstecher über den Hauptbahnhof, um weitere Mitstreiter einzusammeln, machten wir uns mit der Straßenbahn auf dem Weg zum Dreisamstadion, das mittlerweile auf den Sponsornamen „Mage Solar“ hört.
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Ich mag das Freiburger Stadion. Es ist keine Baukasten-Arena, wie man sie heute überall findet. Auch der Weg dorthin ist anders als in anderen Bundesligastädten. Friedlich und einträchtig ziehen die Fans beider Mannschaften durch das Wohngebiet, das die Straßenbahnstation von der Sportstätte trennt. Hier und da mal ein Anfeuerungsruf, erkennbare Polizeipräsenz, aber eben keine Aggression. Alles geht ganz locker vonstatten. Herrlich! Vor dem Stadion mischen sich die Freiburger Fans mit den Schalkern und das einzige, was hier total deplatziert wirkt, ist der mit Absperrgittern gesicherte Bereich der mit Bussen angereisten blau-weißen Fans.
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Die Einlasskontrollen sind gründlich, sehr gründlich sogar, aber sie laufen gesittet und vonseiten der Ordner sehr freundlich ab. Nach 10 Minuten in der Warteschlange sind wir drin. Im Gäste-Sitzplatzbereich erwarten den Besucher Toilettencontainer in ausreichender Anzahl sowie die üblichen Verpflegungsstände. Bezahlt wird hier in bar, sodass auch die nervigen Wartezeiten an den Chipkarten-Verkaufsstellen entfallen.
In den letzten 20 Jahren verging kaum ein Jahr, in dem nicht eine größere Baumaßnahme im Dreisamstadion stattfand. Jetzt, da man endlich fertig ist, überlegt man, ein völlig neues Stadion zu bauen. Selbst der „Europa-Park“ im rund 30 Kilometer entfernten Rust soll sich bereits als neuer Stadionstandort angeboten haben. Ich hoffe für alle Fans des Freiburger Fußballs, dass man nicht den Fehler macht, in einer neuen Heimstätte das Seelenheil zu suchen. Denn so wie das Dreisamstadion sich jetzt präsentiert ist es ein richtig feines Schmuckkästchen. Den vier einzelnen Tribünen sieht man die Entstehungszeiträume an. Alles ist irgendwie unperfekt, aber gerade das macht den Charme aus. Etwas nervig auf der Gegentribüne sind lediglich die Stahlpfeiler, die das Dach abstützen. Für ein frei tragendes Dach hat er nur auf der Haupttribüne gereicht.
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Die Mannschaften machen sich warm und irgendwie überkommt mich in der frühlingshaften Luft bereits jetzt ein mulmiges Gefühl. Das Wetter animiert dazu, sich in die Sonne zu setzen und die Augen zu schließen. Genau so wirken die Aufwärmübungen der Schalker Spieler direkt vor unserer Nase. Das Spiel beginnt und das Gefühl bestätigt sich. Schalke gelingt es über die gesamte Spielzeit hinweg nicht, den Biss zu entwickeln, den es gebraucht hätte. Die Niederlage ist verdient.
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In der zweiten Hälfte fällt mir auf, dass sich die Freiburger Ersatzspieler konsequent auf dem Spielfeld warm machen. Während des laufenden Spiels! Selbst von Schalker Angriffen ließen sich die Ersatzleute nicht beirren und drehten manchmal nur wenige Meter neben dem rollenden Ball ihre Runden. Zeitweise stand Freiburg mit 14 bis 16 Spielern auf dem Feld. Na klar – die Überzähligen griffen nicht in das Spiel ein, aber es ist doch selbst als Zuschauer irgendwie irritierend, wenn Schalke sich bereits weit in der Freiburger Hälfte befindet und die Ersatzspieler sich fröhlich im 16-Meter-Raum tummeln. Das nachfolgende Video zeigt eine ganz normale Szene.
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Hätte ich im richtigen Moment draufgehalten, würde das Video zeigen, wie sich drei Spieler während des laufenden Spiel etwa in Höhe des Fünfmeterraumes gütlich tun. Natürlich hat das keinen Einfluss auf den Ausgang, aber ich frage mich, warum man Trainer in Coaching-Zonen bindet und kindisch diszipliniert, wenn gleichzeitig Ersatzspieler fröhlich auf dem Feld herumspazieren dürfen.
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Nach dem Abpfiff war ich richtiggehend sauer auf die Schalker Spieler. Der Großteil wanderte grußlos in die Kabinen. Einige Akteure ließen sich zu einem Winker aus dem Mittelkreis hinreißen. Einzig Jermaine Jones, Sergio Escudero und Lewis Holtby wagten sich bis zum 16-Meter-Raum, drehten dann aber auch sofort wieder ab. Und es war bei weitem nicht so, dass die Schalker Fankurve tobte und Vergeltung forderte. Ganz im Gegenteil war der Support über das ganze Spiel hinweg positiv. Ich empfand dieses Verhalten der Spieler den Fans gegenüber als extrem respektlos. Ein Großteil der Unterstützer war aus dem Ruhrgebiet mit Tagesbussen nach Freiburg gereist, hatte eine achtstündige Bustortour in den Knochen und noch einmal so viel vor der Brust. Da muss man als Spieler auch nach einer Niederlage den Arsch in der Hose haben und zu den Fans zu gehen. In der Niederlage Größe zu zeigen ist eine Kunst. Schalke beherrschte diese Kunst am Samstag nicht.
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Nach dem Spiel fuhren wir in die Innenstadt. Bis auf ein paar offensichtlich auf Krawall gebürstete Halbwüchsige, die sich sehr leicht ignorieren ließen, blieben Provokationen aus. Es war insgesamt eine sehr angenehme Atmosphäre. In einem Bier-Schnitzel-Sportsbar-Keller namens „Tacheles“ (empfehlenswert!) ließen wir den Tag ausklingen.
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Den Sonntagmorgen nutzten wir für einen Spaziergang durch die Freiburger Altstadt und ein Frühstück. Danach ging es wieder heimwärts. Nach drei Tagen und rund 1100 Kilometern Autofahrt erreichten wir am Sonntagabend wieder Münster. Das Spiel war scheiße, aber Freiburg war toll. Ich hoffe, dass der SC die drei Punkte vom Wochenende nutzen und die Klasse erhalten kann. Denn Freiburg ist immer eine Reise wert.
Abgelegt unter Reisen bildet,Schalke
6 Kommentare zu “Frühling in Freiburg (Reisebericht + 30 Bilder)”
Ja, Freiburg ist eine Reise wert. Und schön, daß es das Tacheles noch gibt.
Nur nach Freiburg umziehen sollte man eher nicht, die Badener/Badenser/… sind recht eigen und halten sich zwar für weltoffen und so, sind es im täglichen Umgang mit Zugereisten aber leider nicht so sehr.
Aber wie gesagt, ist immer eine Reise wert!
Vielen Dank für den schönen Reisebericht. So musste ich doch nochmal beim Revue passieren lassen des Fußball-Wochenendes schmunzeln. Und falls die Freiburger auch in der nächsten Saison noch in Liga 1 dabei sind, hoffe ich, endlich mal Glück bei den Karten für den Breisgau zu haben.
Danke für Bericht und Bilder, sehr gerne gesehen und gelesen.
Ich kann Freiburg nicht leiden, vielleicht nächstes Jahr wieder. Außerdem bin ich mal im tiefsten Winter gedankenverloren (Liebeskummer, glaube ich) in einen dieser bescheuerten Innenstadtbäche getreten (vorletztes Bild links unten zu sehen). Zum atheistisch werden.
Na, dann sei aber mal froh, dass du nicht vor 300 Jahren in einen dieser „Innenstadtbäche“ getreten bist. Du weißt schon, wofür die Dinger ursprünglich mal da waren? Da hätte sich ein altes Fußballersprichwort bildlich manifestiert. 😉
Sehr schöner Bericht! Und das mit den Ersatzspielern auf dem Feld im laufenden Spielbetrieb sollte man wirklich mal gegen die Regularien prüfen.
Einfach nur mal so just for fun…