Not 1, Elend 0
Am Ende steht ein gebrochener Mittelhandknochen bei Marcelo Bordon sinnbildlich für 90 Minuten Kampffußball in der Arena. Schalke stemmte sich 45 Minuten lang mit der scheinbar allerletzten Kraft und den verbliebenen, kläglichen spielerischen Mitteln gegen eine hektisch anstürmende Werder-Elf, die entgegen der heute von den Medien verbreiteten Meinung auch nicht glänzte und nicht nur aus purem Unglück mit 1:0 verlor. Werder verlor, weil Schalke seine einzige echte Torchance in 90 Minuten ausnutzte. Natürlich war es ein Standard, denn spielerisch gelang gestern wenig bis gar nichts. Ein Foul von Sebastian Boenisch an Rafinha an der Strafraumkante nach 47 Minuten, eine lupenrein gezirkelte Freistoßflanke von Jefferson Farfán und ein wuchtiger Kopfball des aufgerückten Benedikt Höwedes mitten ins Glück – das war Schalkes Antwort auf die Kritik der letzten Tage. Die Kritiker werden ob dieser einen Situation angesichts eines erbärmlichen Spiels nicht verstummen und sie werden mit Fug und Recht darauf hinweisen, dass Schalke das Fußballspielen immer noch nicht verinnerlicht hat. Aber es bleiben drei Punkte und die ermöglichen immerhin eine Woche Durchatmen.
Von Beginn an entwickelte sich eine Partie, wie man sie befürchten musste. Schalke gegen Werder – das war früher einmal ein Fußballfest. Gestern war es Not gegen Elend, Versagensangst pur. Es wurde ausschließlich Fußball gearbeitet, zumeist zwischen den Strafräumen. Und wenn es dann doch einmal aufregend wurde, dann weil ein weit nach vorne gepöhlter Ball von einem Stürmer eventuell erlaufen hätte werden können. Nach 22 Minuten zum Beispiel, als Hugo Almeida den ansonsten saustarken Bordon erstaunlich alt aussehen lässt und hart bedrängt im Laufduell an der Strafraumkante zu Boden geht. Hätte Schiedsrichter Dr. Drees in dieser Szene auf eine Notbremse entschieden, ich hätte es sogar verstanden.
Schalkes gelungene Offensivbemühungen in Halbzeit Eins lassen sich in einer einzigen Szene zusammenfassen: Ivan Rakitic hatte sich in der 33. Minute ein Herz gefasst und war mit einem kecken Dribbling vorbei an zwei Bremern in den Strafraum eingedrungen. Sein satter Schuss aus 15 Metern wird im kurzen Eck von Tim Wiese pariert. Es war Wieses einzige Tat im ersten Durchgang, auch weil Gerald Asamoah ein paar Minuten zuvor einen Torschuss aus aussichtsreicher Distanz in Richtung der Eckfahne gedroschen hatte.
Zurück aus den Kabinen wäre die Partie unter Garantie so weitergelaufen, wie gehabt. Doch dann das bereits beschriebene Foul von Boenisch und der gemeinschaftliche Geistesblitz von Farfán und Höwedes. Aus dem Nichts führte Schalke mit 1:0 – und plötzlich musste eine der beiden Mannschaften doch etwas tun.
Werder versuchte es, Werder drängte, ab und zu glänzte Werder sogar. Doch letztendlich war es einfach zu wenig, was die Gäste anboten. Schalke beschränkte sich auf kämpferische Tugenden, stemmte sich in den entscheidenden Phasen heroisch gegen die anbrandenden Angriffsversuche und war sich auch nicht zu schade, einen abgefangenen Ball einfach mal hoch und weit auf die Tribüne zu dreschen. Und Schalke hatte in den entscheidenden Phasen auch das Glück des Tüchtigen. So etwa nach 69 Minuten, als Naldo das Kunststück gelang, einen Ball freistehend aus vier Metern in die Hände von Manuel Neuer zu schießen.
Einen Vorwurf konnte man Schalke gestern wirklich nicht machen: den des mangelnden Einsatzes. Das Engagement stimmte, der Wille war zu sehen. Irgendwann in der Schlussphase brach sich Marcolo Bordon, der in der brisanten Schlussviertelstunde mehr in der Luft stand als mit beiden Beinen auf dem Boden, die Mittelhand und droht nun für längere Zeit auszufallen. Doch er spielte durch, stellte sich der Verantwortung. Wie im übrigen alle Spieler auf dem Feld, die, auch wenn ihnen – wie beispielsweise bei Gerald Asamoah – gar nichts gelingen wollte, doch immer wieder aufstanden und weiter ackerten. Das wurde auch vom Publikum honoriert, das in der Halbzeit noch gepfiffen, in der zweiten Halbzeit aber den Ernst der Lage erkannt hatte.
Nach 94 Minuten endlich der Schlusspfiff. Aus. Erleichterung. Durchatmen. Drei Punkte. Die Pressekarawane zieht weiter in Richtung Bremen und schüttet ihre Kübel voller Dreck zumindest in der kommenden Woche an der Weser und nicht an der Emscher aus. Nach einem „Krisengipfel“ kann es eigentlich keinen Gewinner geben, weil eine Krise nicht durch ein einziges Spiel beendet werden kann. Schalke darf sich dennoch ein wenig als Gewinner fühlen. Zumindest eine Woche lang.
Mehr zum Spiel schreibt „Der Westen„. Bewegte Bilder zum Spiel zeigt wie üblich das “Schalke04-TV” auf “Maxdome”.
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3 Kommentare zu “Not 1, Elend 0”
Stimmt nicht. 684:548 Wörter für Dich 😉
Die Jungs vom Stand der Dinge sind wieder AUF ZACK. Gut so.
Nach diesem „Spiel“ wird es sich zeigen, ob man aus dem Sieg endlich etwas mehr Sicherheit bekommt. Und wenn Herr Müller sich darüber hinaus noch selber einen Maulkorb verordnet, ist das schon rein rethorisch keine schlechte Idee.
Was der Sieg wert ist zeigt sich in Bochum und gegen die Zecken.