Ein Tag im Wunderland
Die folgende Geschichte beginnt am Mittwoch gegen 11.00 Uhr und wäre um 11.01 Uhr schon fast wieder beendet gewesen. Denn als mein Telefon klingelte und sich am anderen Ende eine professionell-nette Stimme als Mitarbeiter einer einen Schalke-Sponsor betreuenden Agentur meldete, war für mich der Fall eigentlich klar. Dazu muss man wissen, dass kaum eine Woche vergeht, in der ich nicht mehrere Mails und Anrufe von Unternehmen erhalte, die schalkefan.de als unbezahlte Werbeplattform nutzen wollen. Die Denke dahinter scheint so zu sein: Fußballfan = Idiot. Fan mit ordentlich frequentiertem Weblog = nützlicher Idiot. Die angebotenen „Kooperationen“ sehen in der Regel so aus: „Wenn du für uns ganz viel und kostenlos arbeitest, bekommst du von uns irgendwann vielleicht einen Werbekugelschreiber.“ Ich habe mir diesbezüglich ein dickes Fell angeeignet und beende derartige Telefonate in den ersten paar Atemzügen. So versuchte ich es auch am Mittwoch.
Mein Glück war, dass die nette Telefonstimme am anderen Ende der Leitung derart perplex auf meine barsche Absage „Da brauchen sie gar nicht weiter zu reden, ich weiß schon, worum es geht!“ reagierte, dass ich nach Darlegung meiner Vermutung bezüglich des Anrufes noch ein „… oder geht’s eventuell um etwas ganz anderes?“ hinterher schob. „Eigentlich wollte ich sie und ihre Frau Sarah am Samstag zum Spiel gegen Augsburg in die Loge von ‚bet-at-home‘ einladen. Aber wenn generell kein Interesse besteht, dann kann ich natürlich auch wieder auflegen.“ Daraufhin war wiederum ich perplex.
Ein nach dem Holperstart noch sehr witziges Telefonat später hatten wir die Modalitäten abgesteckt. Zwei Logen-Karten plus Parkausweis für mich und Sarah und als konkrete Gegenleistung meinerseits: nix! Ich hätte das Erlebnis mitnehmen und mich darüber wie ein Genießer ausschweigen können. Mache ich aber nicht. Stattdessen gibt es hier meinen Erlebnisbericht eines Tages im Arena-Wunderland.
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Der begann bereits mit der Anreise. Denn anstatt einen der Parkplätze mit Abfahrts-Staugarantie im weiteren Arena-Umfeld zu nutzen, durften wir unser Vehikel auf „P1“ direkt neben der „1000 Freunde Mauer“ abstellen. In zwei Fußminuten vom Auto bis zum Fanpark vor dem Haupteingang – hui, das hat schon was! So richtig los ging es dann im Stadion. Ausgestattet mit den exklusiven Tickets öffneten sich für uns die Tore des „Glaspalastes“ hinter der Haupttribüne und Hostessen wiesen uns den Weg in den unteren Logenring, inklusive Sektempfang mit Panorama-Blick auf den „La Ola Club“. Jene – ich nenne es einfach mal so – Großraumloge hatte ich im vergangenen Jahr beim Euro-League-Spiel gegen Steaua Bukarest bereits einmal besuchen dürfen (Dankeschön an Georg, der als „derwahrebaresi“ hier im Blog kommentiert und dessen Gast ich sein durfte). „La Ola Club“ ist schon eine echte Hausnummer. Loge ist noch einmal eine Etage darüber, nicht nur baulich.
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Die Begrüßung in der Loge fiel herzlich aus. Natürlich musste ich noch einmal erklären, warum ich das Telefonat am Mittwoch um ein Haar in den Sand gesetzt hätte, aber so hatten wir wenigstens ein lockeres Small-Talk-Thema zum Einstieg. Burkhard, die professionell-nette Telefonstimme, und seine Frau Viola – man ist auf Schalke auch in der Loge „per du“ – erklärten uns den Ablauf: „Schaut euch um, trinkt etwas, esst etwas, schaut euch das Spiel an und habt Spaß.“ Damit konnten Sarah und ich gut leben.
Der puristische Fußballfan wird jetzt von mir die große Systemkritik erwarten und darauf zählen, dass ich aus vollen Rohren gegen „die Champagnerfans da oben“ feuere. Natürlich könnte ich das tun. Verrisse schreiben sich leichter als neutrale Betrachtungen und garantieren zudem jede Menge Schulterklopfer. Ich würde auch aus allen Rohren feuern, wenn es wirklich etwas gegeben hätte, gegen das ich feuern könnte. Gab es aber nicht. Die anderen Gäste der Loge sowie die Besucher der Links und rechts angrenzenden VIP-Reservate waren dafür einfach viel zu normal. Klar, einigen Gästen auf den Balkonen der verschiedenen Logen merkte man an, dass sie mit Fußball wenig am Hut haben und in erster Linie aufgrund des Hospitality-Angebotes die Einladung annahmen. Doch selbst in der Nordkurve sieht man Woche für Woche die über tausend Umwege an Karten gelangten „Arenatouristen“, für die die 90 Minuten auf dem Rasen eben nicht den emotionalen und sinngebenden Mittelpunkt der Woche darstellen, sondern eine nette Beigabe zum Tagesausflug sind.
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Das kulinarische Angebot in der Loge war gut aber nicht dekadent. Man hatte die Wahl zwischen zwei Hauptspeisen – Maispoularde oder Rindfleisch, jeweils mit Beilagen – ein paar Vorspeisen-Häppchen und Desserts. Das Ganze war sehr nett angerichtet und schmeckte wirklich gut, unterschied sich aber auch nicht von dem, was man bei Hochzeiten oder bei Opas 80. Geburtstag im großen Saal des Landgasthofes serviert bekommt. Champagnerbrunnen und Kaviarhäppchen? Fehlanzeige! Aufgesetztes Bussi-Bussi-Gehabe und der allgemeine Rolex-Schwanzvergleich ebenso. Die Einrichtung der Loge passte dazu: Hier ein nettes Tischgesteck, da ein paar Accessoires, aber alles in allem doch angenehm nüchtern und funktional. Der mittelgroße Fernseher, der das hauseigene Arena-TV oder wahlweise das aktuelle Sky-Programm zeigte, machte ebenfalls nicht „auf dicke Hose“, sondern war ein ganz normaler Einrichtungsgegenstand.
Ein echter Luxus war hingegen Ismael, der gute Servicegeist der Loge. Unter der Woche studiert er und spielt selbst Fußball. Am Wochenende arbeitet Ismael, der eigentlich Anhänger der Schwarz-Gelben ist, auf Schalke im Logen-Catering. Der Junge war so emsig, dass es mir fast schon peinlich war. Sobald ich meinen Bierbecher geleert hatte, stürzte er mir mit Nachschub entgegen.
Ein weiterer Luxus, den eine Loge bietet, ist die hauseigene Toilette. Während eines „normalen“ Stadionbesuches verklemme ich mir den Toilettengang. Aus dem Block drängeln, am Pissoir Schlange stehen und danach wieder in den Block hinein drängeln – da vergeht gerne mal eine Viertelstunde. Ich glaube, viele Logengäste wissen gar nicht, wie gut sie es haben, sich nur mit einer Handvoll Menschen einen Abort teilen zu dürfen.
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Die Plätze auf dem Logen-Balkon waren erste Sahne. Die ‚bet-at-home‘-Loge befindet sich etwa mittig zwischen Mittellinie und Südkurve. Einen besseren Überblick auf das Spielfeld bieten nur sehr wenige Plätze im Stadion. Mir war der Blick schon fast zu perfekt, habe ich mich in all‘ den Jahren doch an die Perspektive aus dem hintersten Winkel der Nordkurve gewöhnt. Dort besteht ein Großteil der lieb gewonnenen Gespräche mit den Stadionkumpels aus der Klärung der Fragen „War’s wirklich abseits?“ oder „War das wirklich ein Foul?“ Wer auf so perfekten Plätzen wie ich gestern sitzt, muss darüber nicht mehr diskutieren. Er sieht es.
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Zum Anstoß wurde Weißwurst mit Laugenstange und süßem Senf gereicht. Ich verzichtete. Wenn der Ball rollt brauche ich maximal noch Sarah an meiner Seite und einen Becher Bier in der Hand zum Glück. In der Halbzeitpause hatte das Stadioncatering eine Warmhalteschale mit Curry-Wurst aufgebaut. Dem geschenkten Gaul schaut man bekanntlich nicht ins Maul, aber mit Currywurst hatte das Meisterwerk der Convenience-Küche wenig zu tun. Es ist dieselbe überzuckerte Masse, die man auch auf in den normalen Verpflegungsständen der Arena und im La-Ola-Club serviert bekommt. Dem einen mag’s schmecken, mein Fall ist es nicht. Man erwarte von mir kein fachliches Urteil zu Rotweinen oder Räucherlachs, aber eine ordentliche Currywurst kann ich erkennen. Die österreichischen Gäste der Loge, die über den österreichischen Logenpächter an Tickets gelangt waren, nahmen das für sie ungewohnte Currywurst-Erlebnis dennoch erfreut an. Sie kennen es halt nichts anders.
Nach dem Spiel machte sich die gesamte Logenbesatzung auf den Weg in Richtung Spielergang. Auf ihrem Weg aus der Kabine in den Nach-Spiel-Spielerbereich des Stadions spazieren die Akteure für ein paar Meter durch den Logengang und stellen sich den Autogramm- und Fotowünschen. Für mich war es die Gelegenheit, ein paar Worte mit Joel Matip zu wechseln, der erst vor kurzem Gast „meines“ Fanclubs in Münster war und als Abschiedsgeschenk einen wirklich absurd großen Korb mit münsterländischen Wurstspezialitäten erhalten hatte. Auf meine Frage, ob er den Wurstkorb bereits komplett verzehrt habe, musste Joel Matip kurz lachen: „Ganz ehrlich, das war so viel, dass ich meine Verwandtschaft damit versorgen konnte!“ Merke: Wenn du willst, dass sich ein Spieler an ein Fan-Treffen erinnert, schenke ihm einfach eine halbe Tonne Wurst aus dem Münsterland.
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Nach diesem Mini-„Meet-and-Greet“ mit den Spielern verabschiedeten Sarah und ich uns von unseren Gastgebern. Die letzte Etappe des Tages verbrachten wir auf eigene Faust im „La Ola Club“. Es war ein bemerkenswerter und toller Tag für Sarah und mich, auch wenn wir uns darüber einig waren, dass wir uns wie Bolle auf den nächsten normalen Stadiontag im Fanbus, in der Kurve und in der Bierstand-Warteschlange freuen. Unser Dank gilt Burkhard und Viola, die uns dieses Erlebnis ermöglicht und sich sehr nett um uns gekümmert haben. Das Wunderland-Erlebnis mitzunehmen und im persönlichen Erfahrungsschatz abzuheften, hat Spaß gemacht.
Der Text zum Spiel kommt morgen.
Abgelegt unter Schalke
7 Kommentare zu “Ein Tag im Wunderland”
Ob b-a-h ähnlich denkt wie die eingangs erwähnten Anrufer, sei mal dahingestellt. Deine immerhin zweimalige Erwähnung des Firmennamens samt passendem Foto dürfte aber durchaus einen gewissen Werbewert haben. Kosten und Aufwand dafür tendierten wohl gegen Null (besagter Kuli ;)). Da ihr scheinbar Spaß hattet und euch daran verständlicherweise wohl weniger gestört haben dürftet, haben wir hier eine klassische win-win-Situation.
Der Vollständigkeit halber weitere Markennamen und Produkte, die klar erkennbar auf den Fotos in diesem Posting auftauchen: Starcar-Autovermietung, Volvo, Bayerische Motorenwerke, FC Schalke 04 Arena-Management GmbH, Mercedes-Benz, Volkswagen, adidas, wedi, Sinalco, Veltins, Gazprom, Ergo, chaorisolar, Tillmann’s, Böklunder, Bauknecht, Reifen Tanski, Roller, Reinert, cewe-Print und Sky.
Ich hoffe jedoch, dass es sich hier nicht um eine klassische win-win-Situation gehandelt hat, sondern um eine win-win-win-Situation. Der Sponsor freut sich über die nette Erwähnung, ich freue mich über das nette Erlebnis und der Leser freut sich hoffentlich über die Einblicke in einen Arenabereich, der den meisten verperrt ist.
Die Vorstellung, dass im Fußball irgendetwas ohne Werbung und Markenbotschaften stattfindet, ist ein Stückweit naiv. Ich habe „bet-at-home“ bewusst erwähnt obwohl es von mir nicht erwartet wurde und auch nicht Bestandteil eines wie auch immer gearteten „Deals“ war. Du kannst mir glauben, dass ich mündig genug bin, mich nicht von Werbestrategen vereinnahmen zu lassen. Aber ich ich halte es für selbstverständlich denjenigen zu nennen, der Sarah, mir und zwei weiteren Fans (denn natürlich haben Sarah und ich unsere Nordkurven-Dauerkarten nicht verfallen lassen sondern sie an Freunde weitergegeben, die das Spiel sonst nicht hätten sehen können) einen schönen Stadiontag ermöglicht hat. Hätte mir ‚Onkel Theo sein Nachbar der Chef‘ die Karten geschenkt, hätte ich es auch geschrieben.
Das du Anstand hast, wissen wir doch!
Ich hoffe, Burkhart und Viola wollen mich und meine Frau auch mal kennen lernen…
Ja ok, das hört sich pervers an! 😉
Pah, du bekommst Speiss und Trank einen super Sitzplatz und noch ein Mini Treffen; und ich?
Einen super tollen 5 Euro Gutschein, damit werde ich jetzt Millionär und dann lade ich dich in meine eigene Loge ein, allerdings mit weiblicher blau-weißen Bedienung. Der war echt schwarz-gelber? Kaum vorstellbar. Das ist pervers @TobiTatze
Ich finde es nicht schlimm solche Angebote anzunehmen, besonders wenn es keine Gegenleistungen geben muss. Deinen Artikel sehe ich nicht als Werbung, ich fühle mich nicht genötigt die Bet-at-Home Homepage zu besuchen(besonders es gibt nicht mal nen Link)
Schön das du/ihr einen schönen Spieltag hattet und daran mit diesem Bericht habt teillassen.
meinzu, die Einladung nehme ich dann ebenfalls gerne an. Allerdings würde ich es nicht unterstützen, wenn du eine „weibliche blau-weiße Bedienung“ engagiertest. Denn in der Tat wäre es für mich die größtmögliche Folter mit Blick vom Spielfeld abgewendet arbeiten zu müssen, wenn Schalke gerade spielt. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass dieser Fall klar in den Genfer Konventionen geregelt ist.
Gebt’s doch zu, Ihr habt die bestimmt mit dem von Sarah perfekt zubereiteten Schalke-Kuchen bestochen? 😉 Schnickschnack, ich freu mich, dass Ihr einen netten ersten Heimspiel-Tag hattet und wir nun auch wissen, wie es so in den Logen aussieht.
Also mir hat Dein Bericht auf jeden Fall gefallen, also win-win-win-Situation. 😉
Im La Ola Club war ich auch schon mal, damals, als das Anderbrügge-Abschiedsspiel nach der Saisoneröffnung war, hatte S04 ein gutes Angebot, dass mal auszuprobieren. Aber so ne Loge ist wie Du ja schreibst, sicher noch mal ne andere Nummer.
Aber nix geht über die Kurve! 😉