FC-Bayern-Nachwuchsstar Toni Kroos spielt derzeit eine überragende Saison. Bekanntermaßen nicht im Trikot des Rekordmeisters, sondern im Leibchen mit dem Bayer-Kreuz auf der Brust. Die Bayern freut es dennoch, werden sie doch aller Voraussicht nach in einem halben Jahr einen gestandenen Bundesligaspieler zurück begrüßen dürfen, der national auf sich aufmerksam gemacht hat. Er könne es sich gut vorstellen, so lässt sich Bayern Trainer Louis van Gaal zitieren, dass Kross demnächst zusammen mit Franck Ribery im Mittelfeld der Bayern die Fäden zieht. Es gibt allerdings auch jede Menge Leute, die sich genau das nicht vorstellen können: Toni Kroos beispielsweise. Immer häufiger sickert durch, dass der junge Spieler auch gerne im nächsten Jahr in Leverkusen vor den Ball treten möchte. Und im Jahr darauf möglichst auch noch. Er hat bei Bayer sein sportliches Glück gefunden. Vorerst. Was die weitere Zukunft bringt, ist offen. Die nähere Zukunft soll allerdings möglichst nicht in München stattfinden.
Ausleihgeschäfte in der Bundesliga sind immer ein Spiel mit ungewissem Ausgang. Selbstverständlich hat „Verein X“ einen Spieler unter Vertrag und überlässt ihn lediglich temporär „Verein Y“. Zumeist, weil für den Spieler in seinem eigentlichen Verein „gerade kein Platz“ ist und er sich bei einem anderen, zumeist schwächeren Verein, für weitere Ziele empfehlen soll. Vordergründig kein dummer Gedanke, wie auch das Beispiel von Toni Kroos zeigt. Auf den zweiten Blick jedoch ein ganz gefährliches Spiel. Denn fasst der Spieler in seinem neuen Verein tatsächlich Fuß und wird zum umjubelten Star, feiert er dort Erfolge und mausert es sich zum Spieler mit nationaler und internationaler Wertschätzung, dann werden diese mit dem Leih-Verein in Verbindung gebracht. Insbesondere vom Spieler selbst.
Seinen ersten Profivertrag unterzeichnete der gebürtige Berliner Andreas „Zecke“ Neuendorf im Jahr 1994 bei Bayer 04 Leverkusen. Dort konnte er sich in 44 Spielen bis zum Dezember 1997 allerdings nie richtig empfehlen. Bayer-Manager Rainer Callmund realisierte das, wollte aber dennoch nicht endgültig auf das Talent Neuendorfs verzichten und verlieh in an Hertha BSC Berlin. Dort stieg „Zecke“ binnen kürzester Zeit zum umjubelten Star und Sympathieträger auf. Als Bayer ihn nach eineinhalb Jahren zurückholen wollte, äußerte sich Neuendorf gleich mehrfach öffentlich, dass ihn nichts zurück ins Rheinland ziehen werde. Er ging trotzdem zurück – weil er musste. In der darauffolgenden Saison fiel er im Trikot von Leverkusen allerdings nicht großartig auf. Er spielte selten und wenn doch, dann nicht mit größtem Eifer. Im Jahr 2001 wechselte er nach Ablauf seines Vertrages zurück nach Berlin, wo er sechs weitere, zum Teil sehr gute Jahre spielen sollte. Die Episode um den Leihspieler Andreas Neuendorf kommt mir immer wieder in den Sinn, wenn ich mich mit der Thematik befasse.
Anfang Januar 2009 machte die Nachricht die Runde, dass Schalke sich die Dienste des hochtalentierten Stürmers Marvin Pourie aus Werne gesichert hat. Der damals gerade 18-Jährige wechselte aus der Nachwuchsabteilung des FC Liverpool zum FC Schalke 04 und unterzeichnete dort einen Vertrag bis 2013. Das Schalker Trikot getragen hat er noch nie, denn er wurde – gänzlich ohne das übliche Brimborium einer Vorstellung vor der versammelten Presse – direkt weiter zum TSV 1860 München verliehen. Dort eckte er sowohl bei Mannschaftskollegen als auch beim Trainer an, fiel in Ungnade, kickte ein wenig in der zweiten Mannschaft herum, war im Vorfeld der Saison kurzzeitig als Neuzugang des 1. FC Kaiserslautern im Gespräch und wechselte jetzt zur stark abstiegsgefährdeten Zweitliga-Mannschaft des TuS Koblenz. Auf Leihbasis – natürlich – denn sein Schalker Vertrag bis 2013 hat nach wie vor Bestand, auch wenn derzeit wenig darauf hindeutet, dass Pourie eines Tages tatsächlich seinen Dienst in Gelsenkirchen antreten wird. Und falls doch dann nur, weil er sich auch in Koblenz nicht durchsetzen konnte und sich kein weiterer Leih-Interessent findet.
Was in den letzten Tagen als vage Option im Raum stand, soll nun in trockenen Tüchern sein: Lewis Holtby, erst zum Beginn der Saison als teuerster Einkauf des Sommers auf Schalke gewechselt, schnürt demnächst seine Stiefel auf Leihbasis für den VfL Bochum. Angeblich für eineinhalb Jahre, also bis 2011. Bis 2013 läuft der Vertrag des zweifelsohne hochtalentierten Mittelfeldspielers, der – obwohl von Magath dereinst als absoluter Wunschspieler zum Wechsel nach Gelsenkirchen überredet – es irgendwie geschafft hat, beim Trainager in Ungnade zu fallen. Ich finde es schade, eben weil ich die Historie der Leihgeschäfte in der Bundesliga kenne. Selten, wirklich nur ganz selten, war es ein Deal, mit dem alle drei beteiligten Parteien – die Vereine und der Spieler – glücklich leben konnten. Viel zu oft zog am Ende eine Partei den Kürzeren, zumeist der verleihende Verein. Ich hätte gerne gesehen, dass sich Holty auf Schalke durchsetzt. Nun muss er wohl Platz machen für den kaum älteren Alexander Baumjohann, der bislang – sieht man von einem guten halben Jahr in Mönchengladbach ab – in der Bundesliga den Bock auch noch nicht umgestoßen hat. Baumjohann kam vor einem Monat von den Bayern – aber wenigstens nicht auf Leihbasis.